Aalen, 16. August 2016 Ein Ultraleichtflugzeug stürzt in eine Baumkrone. Der Bruchpilot überlebt – für ihn wird es aber eine lange Nacht. Nach seiner Rettung gibt es für die Bergungskräfte noch einen Rückschlag. Einen so schwierigen Einsatz hatte die Bergwacht Schwäbisch Gmünd noch nie. Sie rettet meist verletzte Wanderer oder auch mal einen Gleitschirmflieger, der […]

Aalen, 16. August 2016

Ein Ultraleichtflugzeug stürzt in eine Baumkrone. Der Bruchpilot überlebt – für ihn wird es aber eine lange Nacht. Nach seiner Rettung gibt es für die Bergungskräfte noch einen Rückschlag.

Einen so schwierigen Einsatz hatte die Bergwacht Schwäbisch Gmünd noch nie. Sie rettet meist verletzte Wanderer oder auch mal einen Gleitschirmflieger, der sich in einer Baumkrone verheddert hat. Aber dass ein Ultraleichtflugzeug etwa 30 Meter hoch im Wald festhängt, haben die Ehrenamtlichen noch nicht erlebt, wie Sprecher Markus Becker sagt. Noch aufregender als für ihn und seine Kollegen muss der Einsatz für den Piloten gewesen sein, der 13 Stunden lang im Flugzeug ausharrte. Becker lobt ihn:«Er war unglaublich ruhig, ganz große Hochachtung!»

Am Montagabend ist der 59 Jahre alte Mann, laut Polizei ein erfahrener Flieger, mit seinem Flugzeug bei gutem Wetter abgestürzt. Die Unfallursache war am Dienstag noch unklar. Der Pilot hat nach Angaben der Polizei einen Rettungsschirm ausgelöst, mit dem das leichte Flugzeug zu Boden schweben kann. Doch der Flug endete in einer hohen Buche am steilen Waldhang zwischen Schwäbisch Gmünd-Degenfeld und Weißenstein östlich von Stuttgart.

Laut Deutschem Aero-Club waren Ende 2015 bundesweit 4064 Ultraleichtflugzeuge zugelassen. Die Bundesstelle für Flugunfalluntersuchung (BFU) erfasste für «Segelflugzeuge (auch mit Hilfsantrieb)» im vergangenen Jahr 59 Unfälle mit 5 Toten und 19 Schwerverletzten. Aus BFU-Sicht hängt die Zahl der Unfälle mit Ultraleichtflugzeugen mit deren relativ großer Anzahl zusammen.

Im Tal, nahe dem Unglücksort, stören am Dienstagmorgen Dutzende von Einsatzfahrzeugen das Idyll mit grasenden Kühen. Die Blicke der Einsatzleute richten sich auf den Wald, doch vom Nervenkitzel der heiklen Rettung ist nichts zu sehen. Zu dicht stehen die Bäume. Am Abend war der Versuch gescheitert, den Mann mit einem Hubschrauber der Bundeswehr per Seilwinde zu retten. Durch den Wind des Hubschraubers hat sich das Flugzeug plötzlich bewegt. «Es drohte abzustürzen», sagte der Kommandant der Feuerwehr Schwäbisch Gmünd,Ralf Schamberger.

Gegen 2.00 Uhr gingen die Einsatzkräfte schlafen, zwei Bergretter blieben im Wald bei dem Piloten. Man habe mit ihm besprochen, dass im Morgengrauen weitergemacht werde. «Er war warm angezogen und sagte, dass er nicht verletzt ist», sagt Schamberger. Man habe per Zuruf, aber auch per Handy mit ihm kommunizieren können.

Der Geschäftsführer des Baden-Württembergischen Luftfahrtverbandes ist überzeugt, dass der Mann nur überlebte, weil er den Rettungsfallschirm ausgelöst habe. «Das hat ihm wohl das Leben gerettet», sagt Klaus-Michael Hallmayer. Ein Aufprall des Flugzeugs am Boden oder im Wald ohne das Abbremsen durch den Schirm sei kaum zu überleben.

Dem Luftfahrtverband zufolge kommen die maximal zweisitzigen Ultraleichtflugzeuge seit rund 25 Jahren zum Einsatz. Das Fliegen sei billiger als mit einem herkömmlichen Motorflugzeug. Sie seien in der Anschaffung ab 50 000 Euro zu haben, könnten aber auch in besonderer Ausführung bis zu 200 000 Euro kosten. Vorschriftsmäßig sei an jedem Ultraleichtflugzeug ein Rettungsschirm angebracht, der im Notfall herausgeschossen werden könne und das Flugzeug zu Boden schweben lasse.

Der Morgen sollte einen schnellen Erfolg bringen. «Zwei Retter sind an benachbarten Bäumen aufgestiegen und haben das Flugzeug mit Seilen an den Bäumen festgebunden», erklärt Bergwacht-Sprecher Becker. Den Bruchpiloten habe man in luftiger Höhe eine sogenannte Rettungswindel anziehen lassen. «Daran haben wir ihn abgeseilt und mit einer Gebirgstrage ins Tal gebracht – rund 180 Meter Steilhang ohne Wege.»

13 Stunden nach dem Absturz ist der Mann wieder auf sicherem Boden und wird vorsorglich in eine Klinik gebracht, die er aber schon am frühen Nachmittag verlassen kann. Am Mittag ein Tiefschlag nach dem Erfolg des Morgens: Aus dem Wald steigt Rauch auf. Beim Fällen des Baumes mit dem blau-gelben Ultraleichtflieger in der Krone fängt das Flugzeug Feuer, als es auf den Waldboden prallt.

«Das Flugzeug ist völlig ausgebrannt. Es ist nur noch der Rahmen vorhanden», sagt ein Polizeisprecher. «Das hat sich anders entwickelt, als wir wollten.» Die Suche nach der Absturzursache werde dadurch erschwert.

Das Technische Hilfswerk wird angefordert, um das Wrack zu bergen. Becker und die Leute von der Bergwacht packen zusammen. Sie haben ihren bislang aufregendsten Einsatz nach bis zu 14 Stunden beendet.

Lena Müssigmann, dpa