Es gibt Industrieschauspieler, die aufgeblasen im Rampenlicht stehen – und doch nichts bewegen. Und es gibt die wirklich ganz Großen, die bescheiden im Hintergrund die Welt am Laufen halten. So einer war der kürzlich verstorbene Dipl.-Ing. Harald Claasen.

Der pensionierte Lufthanseat war im Kreis seiner Kollegen, bei Boeing in Seattle und der NATO bekannt als „Mr. Boeing 707“. Sein Lebensweg war von der Faszination für Luftfahrttechnik geprägt. Und dem Wunsch, die Erinnerung an große Leistungen der Pioniere bei jüngeren Generationen wach zu halten.

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Die Arbeiten im Rahmen des „Wing Life Extension Program“ an einem 707-Flügel in der Lufthansa-Werft in Hamburg-Fuhlsbüttel. Bild: Harald Claasen

Schon früh erlangte die Ingenieurkunst von Harald Claasen globale Berühmtheit, als er 1968 das „Wing Life Extension Programm“ für die Boeing 707 entwickelte. Nach Strukturschäden zahlreicher 707-Flügel führte seine Datenanalyse der Tragflächenstruktur zu einem Reparaturprogramm, das die Nutzungsdauer der weltweiten 707-Flotten bis zu den von Boeing vorgesehenen 60.000 Flugstunden und 20.000 Flügen ermöglichte.

Ingenieurlegende mit Weltruhm

Im Lauf seines Lebens traf man Harald Claasen bei unzähligen Projekten an, die sich mit der Bewahrung von Luftfahrtgeschichte befassten. Sei es bei der Restaurierung von Exponaten des Hugo-Junkers-Museums in Dessau, bei der Berechnung von strukturellen Daten der Junkers Ju 52 3/m der Lufthansa Berlin-Stiftung, der Restaurierung der Focke-Wulf FW 200 „Condor“, der Lufthansa Lockheed L-1649A „Super Star“ oder dem Restaurierungsprojekt des ersten deutschen, in Serie gebauten Passagierjets des Musters HFB 320 Hansa Jet.

Meist traf man Harald Claasen bei diesen historischen Projekten im „Blaumann“ an den Maschinen an. Denn so penibel er bei seinen Berechnungen war, so sehr bereitete es ihm Freude mit Hand anzulegen und nicht nur dabei zu stehen.

NATO E-3A
Harald Claasen erstellte für Boeing und die NATO Strukturanalysen für den Weiterbetrieb der KC-135 Tankflugzeuge sowie der NATO E-3A AWACS (Foto). Bild: US Air Force

Harald Claasen war stets zur Stelle, wenn es vor allem um fliegende „vintage aircraft“ ging. Was gibt es für einen besseren Beweis für sein einzigartiges Können, dass Boeing und die NATO bis in sein hohes Alter auf sein weltweit einzigartiges Know-how vertrauten, wenn es um Ageing-Aircraft-Analysen für den weiteren Flugbetrieb der betagten KC135-Tankflugzeuge und der E3A-AWACS-Jets auf Basis der 707 ging. Auch hier hinterlässt Harald Claasen eine große, kaum zu schließende Lücke!

Es fällt schwer zu glauben, dass diese stets leise, kompetente, oft mahnende Stimme für immer verstummt ist.