Ist Afrika bereit für eine nachhaltige Luftfahrt?
Wenn es um nachhaltigen Luftverkehr geht, dann steht oft ein Kontinent nicht im Fokus der Berichterstattung: Afrika. Grund genug einen Überblick über den aktuellen Stand der „grünen“ Projekte auf diesem Kontinent zu geben. Dieses ist ein Gastbeitrag unserer freien Autorin Anne Ojewunmi, Lagos, Nigeria.
Die Luftfahrt in Afrika ist aufgrund des rasanten Wachstums in den letzten Jahren eine der vielversprechendsten weltweit. Der Ausbau ist auf den jüngsten Passagieranstieg, neue Strecken und laufende Infrastrukturprojekte zurückzuführen, die sich bis 2043 voraussichtlich verdoppeln werden.
Führende Vertreter der afrikanischen Zivilluftfahrt und regionale Regulierungsbehörden richten ihren Blick auf eine „grüne“ Zukunft. Eine Zukunft, die von nachhaltigem Flugkraftstoff (SAF) und umweltfreundlicherer Technologie angetrieben wird. Dennoch bleibt die Frage: Wie bereit ist Afrika für diesen Sprung?
Eine wachsende Dynamik: Luftfahrt in Afrika
In Ost- und Südafrika ist die Umstellung auf SAF bereits im Gange. Kenia nimmt am ICAO-EASA ACT-SAF-Programm teil und hat bis 2024 mit SAF-Machbarkeitsstudien begonnen, technische Arbeitsgruppen eingerichtet und Pilotprojekte in der Raffinerie von Mombasa gestartet.
Marokko hat Pläne vorgelegt, um sich zu einem regionalen SAF-Hub zu entwickeln und seine Stärken in den Bereichen erneuerbare Energien, Infrastruktur und Logistik zu nutzen, um globale Märkte zu bedienen.
Südafrika sticht ebenfalls hervor. Laut IATA kann das Land jährlich mehr als drei Milliarden Liter SAF aus Zuckerrohrbagasse, invasiver Pflanzenbiomasse und Industrieabfällen produzieren, ohne die Nahrungsmittelversorgung zu beeinträchtigen. Immer mehr afrikanische Länder blicken über den Export von Rohstoffen hinaus.
Das Ziel ist nun, SAF lokal zu produzieren und zu mischen. Die afrikanische Zivilluftfahrtbehörde AFCAC hat sechs Vorreiterländer benannt und eine Strategie zur Unterstützung der SAF-Produktion auf dem gesamten Kontinent ins Leben gerufen.
In Westafrika ist Nigeria führend in der Region. Bei einem Workshop der Nigerian Civil Aviation Authority (NCAA) wurde der Grundstein für die SAF-Produktion im Land gelegt. Ein weiteres Land, das Anstrengungen unternimmt, ist Ghana. Mit Unterstützung der ICAO will Ghana mit Machbarkeitsstudien zur SAF-Produktion beginnen. Die sechsmonatige Studie soll das Potential Ghanas für die Produktion von SAF in großem Maßstab untersuchen.
Die noch bestehenden Hindernisse in Afrika
Trotz der Fortschritte bleiben ernsthafte Herausforderungen bestehen. SAF ist bis zu viermal teurer als herkömmlicher Jettreibstoff. Dies ist in einer Region, in der die Margen der Fluggesellschaften gering und Subventionen rar sind, schwer von den Airlines zu stemmen. Selbst in Südafrika, wo die Infrastruktur relativ gut ausgebaut ist, haben lokale Fluggesellschaften aufgrund von Problemen in der Lieferkette und einer unregelmäßigen Verfügbarkeit immer noch Schwierigkeiten, SAF zu beschaffen.
In vielen Ländern haben dringendere Anliegen wie Gesundheit, Bildung und öffentliche Infrastruktur Vorrang. Infolgedessen hat die SAF-Politik in den meisten nationalen Agenden noch keinen Stellenwert erlangt.
Auch bei den technischen Kapazitäten gibt es Lücken. Zwar sind SAF-Produktionsmethoden wie HEFA, FT-SPK und ATJ-SPK weltweit zugelassen, doch um sie in der Praxis umzusetzen, sind hochmoderne Labore, qualifizierte Arbeitskräfte und solide Lieferketten erforderlich. All dies fehlt in vielen Teilen der Region noch. Um diese Lücke zu schließen, braucht Afrika koordinierte Ausbildungsprogramme und gemeinsame technische Standards.
Grundlagen schaffen
Dennoch wird derzeit noch an den Grundlagen gearbeitet. Die ICAO und die EASA haben in 14 Ländern Machbarkeitsstudien gestartet, deren Ergebnisse bis 2027 vorliegen sollen. Kenia war Gastgeber des ersten ACT-SAF-Workshops in Afrika in Mombasa, bei dem über 230 Branchenvertreter zusammenkamen, um technische Schritte und Finanzierungsmöglichkeiten zu diskutieren. Die AFCAC unterstützt Regierungen, Entwickler und Regulierungsbehörden dabei, ihre Bemühungen zu koordinieren und gemeinsame SAF-Roadmaps zu erstellen.
Auch der Privatsektor engagiert sich. Kenya Airways war die erste afrikanische Fluggesellschaft, die einen Langstreckenflug mit SAF durchgeführt und sich öffentlich zur Nachhaltigkeit bekannt hat. Die IATA hat in Johannesburg Schulungen zur SAF-Bereitschaft angeboten und fördert Umweltzertifizierungsprogramme wie IEnvA, um mehr Fluggesellschaften zur Teilnahme zu bewegen.
Was noch zu tun ist
Mehrere wichtige Bereiche erfordern Aufmerksamkeit. Erstens müssen Regierungen klare Richtlinien schaffen. Dies könnte durch die Einführung von Vorschriften, Subventionen, Kohlenstoffsteuern oder anderen Anreizen geschehen, die Teil der nationalen Energie- und Luftfahrtstrategien sein sollten.
Zweitens muss die Infrastruktur verbessert werden. Bestehende Raffinerien müssen für die Beimischung von SAF umgerüstet werden, und es müssen neue Bioraffinerien gebaut werden.
Drittens müssen Finanzmittel freigegeben werden. Instrumente wie Mischkredite, Abnahmevereinbarungen und konzessionäre Finanzierungen können dazu beitragen, das Risiko für Frühinvestoren zu senken.
Viertens müssen die Lieferketten für Rohstoffe, von Ernterückständen bis hin zu Siedlungsabfällen, stabil und skalierbar sein. Und schließlich ist ein regionaler Ansatz mit abgestimmten Vorschriften, gemeinsamen Schulungsmaßnahmen und gemeinsamen Anreizen von entscheidender Bedeutung.
Ein grünerer Weg in die Zukunft
Wenn all dies gelingt, ist der potenzielle Gewinn enorm. SAF könnte die Emissionen im Luftverkehr erheblich senken, grüne Arbeitsplätze fördern und die Abhängigkeit von importierten Kraftstoffen verringern. Außerdem würde es zum Aufbau einer widerstandsfähigeren, klimabewussteren Wirtschaft beitragen.
Länder wie Kenia, Marokko und Südafrika sind aufgrund ihrer Energieressourcen, ihrer landwirtschaftlichen Basis und ihrer großen Flughäfen bereits jetzt Vorreiter auf diesem Gebiet.
Afrikas Weg zu einer nachhaltigen Luftfahrt wird nicht einfach sein, aber die Dynamik ist real. Die Kompetenzen wachsen, Partnerschaften entstehen und die regionale Koordination verbessert sich. Die Fortschritte sehen in jedem Land anders aus.
Einige kommen schneller voran als andere, aber die Richtung ist klar. Mit einer stabilen Führung, Finanzierung und Zusammenarbeit hat Afrika eine echte Chance einen Luftverkehrssektor aufzubauen, der sowohl nachhaltig als auch stark ist.
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