AMA-Flüge mit der Pilatus Porter: Luftversorgung in West Papua
Am anderen Ende der Welt gibt es viele Regionen, die nur per Flugzeug mit dem Nötigsten versorgt werden können. Die der katholischen Kirche gehörende Associated Mission Aviation (AMA) ist eine der Airlines in West Papua. Sie setzt unter anderem Pilatus Porter ein.
Anderthalb Meilen vor der Piste steuert Pilot André Pinto seine Pilatus Porter mit Kennung PK-RCY stabil mit einer Geschwindigkeit von 65 Knoten und einer Sinkrate von 500 Fuß pro Minute im Endanflug auf die Landebahn von Nisikni. Was für Außenstehende äußerst spektakulär aussieht, ist für ihn Alltag.
Kurz vor dem Aufsetzen muss André stärker hochziehen, denn die Piste steigt mit bis zu 18 Prozent steil an. Dann berühren die Räder den Boden. Das gut gedämpfte Fahrwerk fängt die groben Stöße ab. Kurz gibt er Umkehrschub, um die Geschwindigkeit auf Rollgeschwindigkeit abzubremsen, dann aber wieder Gas, um die Piste hinaufrollen zu können. Für solche Pisten ist das Flugzeug aus Schweizer Produktion bestens geeignet. Oben am Plateau, auf 7100 Fuß Höhe, parkt André die Porter in Abflugrichtung mitten auf der Piste.
West Papua hat dreieinhalb Millionen Einwohner
André ist einer von vier Porterpiloten, die für die Charterfluggesellschaft AMA (Associated Mission Aviation) fliegen. AMA operiert von sechs verschiedenen Basen aus auf dem westlichen Teil der Insel Neuguinea, dem heutigen West Papua, das seit 1963 zu Indonesien gehört. Hier leben dreieinhalb Millionen Einwohner.
Bis Anfang der neunziger Jahre wiesen die Landkarten hier noch weiße Flecken auf. Erst seit Kurzem ist der größte Tropenwald Australasiens komplett erforscht. AMA versorgt Bergdörfer, die weder Straßen noch Wasseranschluss an die Zivilisation haben.
Der Rückflug mit der Pilatus Porter dauert 15 Minuten

Heute bringt André mehrere Säcke Reis, Tabakpflanzen und Baumaterial ins Dorf Nisikni. Zudem befinden sich zwei Dorfbewohner an Bord, die von einem Ausflug in der Stadt zurückkehren. Gleich nach der Landung wird das Flugzeug von der Dorfbevölkerung umschwärmt. Einige helfen beim Ausladen, der Rest schaut zu. Ein Flugzeug ist immer noch eine willkommene Abwechslung, die man nicht alle Tage sieht.
Nach zehn Minuten ist die Porter leer, und André startet den Motor für den Rückflug. Bergab ist die Maschine schnell in der Luft. Der Rückflug zur Basis in Wamena dauert etwa 15 Minuten.
Herausforderndes Umfeld für Piloten
Der 35-jährige Portugiese fliegt seit Anfang 2021 für AMA. Auf der Porter hat er 2300 Stunden Erfahrung ausschließlich in Papua gesammelt. Seine Fliegerkarriere begann beim Militär in Portugal. Eigentlich wollte er immer Kampfjetpilot werden, doch er war stets nur Reserve. Als Alternative zum Jetfliegen suchte er dann nach anderen Flugabenteuern.
In der TV-Serie „Worst place to be a pilot“ erfuhr er zum ersten Mal vom Buschfliegen in Papua und von der dortigen Airline Susi Air. Schnell erwarb er in Portugal die Privatpilotenlizenz (PPL) und später in Südafrika die Commercial Pilot License (CPL), bevor er bei Susi Air in Indonesien anklopfte und schließlich als Pilot eingestellt wurde. Nach mehreren Jahren zog er weiter zu AMA auf Papua.
Die Pilatus Porter hat Platz für neun Passagiere

Die Stadt Wamena liegt in einem Hochtal auf 1540 Metern, mitten in den Bergen des Maoke-Gebirges im Zentrum des westlichen Teils der Insel Neuguinea. Hier befindet sich eine der Basen von AMA. Von hier aus werden viele der zahlreichen Bergdörfer versorgt. Da es weder Straßen noch Flüsse in diesen Regionen gibt, sind die Dörfer auf die Versorgung aus der Luft angewiesen.
Die Porter wird wieder mit Lebensmitteln und Passagieren beladen. Insgesamt können bei 2800 Kilogramm maximalem Abfluggewicht 850 Kilogramm Fracht und bis zu neun Passagiere befördert werden. Die Sitze können mit wenigen Handgriffen schnell aus- und eingebaut werden.
Papua hat ganzjährig gleichbleibendes Wetter
Nach nicht einmal einer halben Stunde ist die Porter fertig für den nächsten Flug. André steuert die Maschine auf die Startbahn 33 von Wamena. Als nächstes geht es zum Dorf Hukimo. Dafür muss André allerdings auf 11 500 Fuß steigen. Denn zwischen Wamena und Hukimo befindet sich der 11 000 Fuß hohe Prongkoli-Pass.
„Das Wetter in Papua ist ziemlich gut“, erzählt der Pilot. „Zwar kann es viel regnen, aber es gibt hier keine starken Windsysteme oder Wetterfronten wie in anderen Gebirgen auf der Welt. Auch Vereisung ist hier gänzlich unbekannt. Das macht das Fliegen sehr angenehm.“ Das Wetter ist das ganze Jahr über meist gleich.
Bewohner freuen sich auf Pilatus Porter

Grundsätzlich finden die meisten Flüge jedoch in den frühen Morgenstunden statt. Ab dem späten Vormittag oder Mittag bilden sich oftmals starke Quell- oder Gewitterwolken und Talwinde können zunehmen. Dann ist an eine Landung auf einer der ohnehin schwierigen Pisten in den Bergen nicht mehr zu denken.
Kurz vor dem Landeanflug meldet André der Basis in Wamena über Funk den Anflug. Schon von weitem erkennt er die Landebahn von Hukimo auf 5920 Fuß. Es ist sein Lieblingsdorf. „Die Piste ist sehr anspruchsvoll, da sie nur 210 Meter kurz ist und mit 18 bis 25 Prozent ansteigt. Die Aussicht vom Boden ist grandios, und die Leute sind die freundlichsten, die ich kenne“, schwärmt er.
Landepisten müssen in Handarbeit gebaut werden
Die Landung ist ziemlich holprig. Scheinbar haben Regenfälle den Boden stark ausgewaschen. Nach der Landung inspiziert André zusammen mit den Dorfbewohnern die Piste. Es muss nachgebessert werden, ansonsten ist das Landen und Starten hier zu riskant. André schließt die Bahn offiziell.
Das Bauen und Reparieren der Landepisten ist hier noch echte Handarbeit. Es gibt keine Maschinen. Lediglich Schaufel, Hacke und Muskelkraft. Doch die Einheimischen sind wahre Profis und die Pisten ihre einzigen Versorgungsmöglichkeiten. Ohne sie müssten sie Märsche von mehreren Tagen oder sogar Wochen auf sich nehmen.
Pilatus Porter als Versorgungsflugzeug

Die Flüge sind nicht billig. Eine Flugstunde kostet etwa 1300 US-Dollar. Das Geld dafür bekommen die Dörfer vom Staat. Ohne diese Hilfe könnten sie nicht überleben. Im Dorf selbst ist Geld eher nutzlos. Hier gelten Tauschgeschäfte. „Einmal habe ich eine Drohne bei Filmaufnahmen im Busch verloren“, erinnert sich André. „Einer der Dorfbewohner hat sie gesucht und mir bei der nächsten Landung wiedergegeben. Er wollte kein Geld haben, sondern lediglich eine Packung Rasierklingen.“
Nach Wamena zurück wollen zwei Einheimische mit. Das wird extra berechnet und bar bezahlt. Diese „Backload“-Einnahmen gehen bei AMA als Spende an die Kirche. Die Geschichte AMAs geht zurück bis in die Zeit vor dem Zweiten Weltkrieg. 1935 begannen erste Verhandlungen der katholischen Kirche mit den Niederländern, die West Papua damals als Kolonialmacht verwalteten. 1
AMA war früher Missionarsfluggesellschaft
959 wurde die erste Cessna 180 mit Kolbenmotor bei AMA in Dienst gestellt. Die ersten Piloten waren Priester, die extra dafür den Flugschein machten. Nach ein paar Unfällen über die Jahre lösten professionelle Piloten die fliegenden Priester ab.
Bis 2014 war AMA als Missionarsfluggesellschaft tätig und brachte, neben dem Warentransport, auch Priester und Nonnen in die Berge, um den Einheimischen den katholischen Glauben zu lehren und die Erziehung der Kinder zu begleiten. Seitdem ist AMA aber nur noch eine reine kommerzielle Charterfluggesellschaft, auch wenn die katholische Kirche immer noch die Eigentümerin ist.
Vier Pilatus Porter im Besitz der AMA

Im Besitz sind derzeit acht Flugzeuge: vier Pilatus Porter und vier Cessna Grand Caravan. „Die Mechaniker sind sehr stolz und mit Begeisterung dabei, unsere Flugzeuge in Schuss zu halten. Die Qualität ist sehr hoch, im Gegensatz zu manch anderen Fluggesellschaften in Papua“, schwärmt André. 15 Piloten stehen im Dienst. Der Verdienst ist nicht schlecht. 4000 bis 7000 US-Dollar beträgt der durchschnittliche Netto-Monatslohn. Dazu wird den Piloten eine Unterkunft sowie ein Fahrzeug zur Verfügung gestellt.
Zurück in Wamena wird die Porter diesmal mit Wahlutensilien für die in Kürze bevorstehende Gouverneurswahl beladen. Mit auf der Passagierliste steht auch einer der Gouverneure. Er möchte für den Wahlkampf ins Dorf Pasikni. Nach kurzer Standzeit am Boden startet André wieder in die Berge. Diesmal geht es über den Clapper-Gap-Pass. Hier ist das Fliegen sicher. Doch das ist nicht überall in Papua der Fall.
Gefahr durch Unabhängigkeitsbewegung OPM
In manchen Regionen operiert die Unabhängigkeitsbewegung Organisasi Papua Merdeka (OPM), die gegen das indonesische Militär vorgeht, immer wieder mal Piloten entführt und Flugzeuge beschießt. In solche „Red Zones“ fliegt AMA nicht. „Man steht mit den Dörfern in engem Kontakt und kennt die Leute auch teilweise sehr gut. Sobald die Gefahr von OPM-Bewegungen in der Nähe besteht, werden wir gewarnt, und dann fliegen wir diese Ziele nicht mehr an“, erklärt André.
Da AMA weder Militär, noch Waffen, Polizei oder Alkohol transportiert, genießt sie einen ausgezeichneten Ruf im ganzen Land. Sie gilt nicht als Zielscheibe der OPM. Trotzdem: „Wenn ich nach einer Landung keine Frauen und Kinder sehe, sondern nur Männer, dann mache ich den Motor nicht aus und warte ab. Wenn sich die Situation nicht entspannt, starte ich sofort wieder“, sagt André.
Nur die Pilatus Porter kann in Pasikni landen

Das Dorf Pasikni liegt auf einer Höhe von 5800 Fuß. Die 310 Meter lange Piste steigt mit 18 Prozent an. Hier kann nur die Porter landen. Für die Grand Caravan ist die Bahn zu kurz. Vor dem Flugzeug haben sich bereits halbnackte Tänzer mit lokalem Schmuck, Pfeil und Bogen sowie bunt bemalter Haut versammelt und bejubeln den Gouverneur.
Nach der Wahlkampfveranstaltung geht es weiter ins nicht weit entfernte Dorf Volmimpi. Hier erreicht die Steigung der Landepiste am Ende sogar 30 Prozent. „Da muss man richtig Gas geben, um nicht stehen zu bleiben“, warnt André.
Landebahnen haben keine Absperrungen
AMA hat eigene Anflugskarten entworfen, die für jede Piste die notwendigen Informationen für eine sichere Landung zusammenstellen. Manche Pisten können erst nach oder nur vor einer gewissen Uhrzeit angeflogen werden, da sonst die Sonne im Anflug empfindlich blenden könnte oder das Landefeld zu sehr im konturlosen Schatten liegen würde. Das gleiche gilt für den Wind, der regelmäßig auffrischen und eine Landung zum Lotteriespiel machen kann.
Andere Pisten bringen ein Gewichtslimit mit sich. Doch nicht nur die Beschaffenheit der Landebahnen birgt ein Risiko. Da es keinerlei Absperrungen gibt, können jederzeit Menschen oder Tiere vor dem Flugzeug kreuzen. Bisher haben sich bei AMA keine groben Unfälle ereignet.
Sehr anspruchsvolle Landungen: Pilatus Porter

Die nächsten Stationen heißen Dekai in der Tiefebene südlich des Maoke-Gebirges sowie Lolat. Die Fracht besteht neben Lebensmitteln wieder aus Wahlutensilien. Auch hier hat es die Landung in sich. Der Anflug ist nicht nur landschaftlich äußerst reizvoll, sondern auch aus Pilotensicht sehr anspruchsvoll.
Es haben sich bereits mehrere Wolken gebildet, die die Sicht auf die Landepiste teilweise verdecken. Mit ein paar geschickten Kurven kann André jedoch hinter die Wolken schauen und so die Position der Piste lokalisieren. Routiniert steuert er die Porter bis zum Aufsetzen auf 6000 Fuß. Mit 365 Meter ist die Piste relativ lang und bis zu 23 Prozent steil.
Indonesische Sprachkenntnisse erleichtern Arbeit
Wer frisch bei AMA als Pilot anfängt, muss zunächst 100 Stunden mit Fluglehrer absolvieren und auf den verschiedenen Bergplätzen landen, bevor er alleine fliegen darf. Die indonesische Sprache ist für die ausländischen Piloten kein Muss, jedoch erleichtert ein kleiner indonesischer Wortschatz die Arbeit ungemein.
In Lolat dauert die Beladung diesmal etwas länger, denn es hat sich unerwartet ein medizinischer Notfall angekündigt. Eine Frau ist schwer an Malaria erkrankt und muss zusammen mit ihrem Kind und Ehemann ins Krankenhaus nach Dekai geflogen werden. Zum Glück hält sich die Wolkenbildung in Grenzen. So kann André gefahrlos starten und die Familie nach Dekai bringen.
Pilatus Porter: Fliegen ohne kontrollierten Luftraum

Das letzte Ziel für den heutigen Tag ist das Dorf Angguruk. Es ist bereits früher Nachmittag, und über den Bergen haben sich große Gewitterwolken gebildet. Kein gutes Zeichen. André startet ein letztes Mal von Dekai aus in Richtung Berge. Da die Wolken die Sicht auf die Pässe versperren, steigt er auf 14 500 Fuß und fliegt auf einer der von AMA definierten IFR-Routen in die Wolken ein.
Ein doppelter Abgleich zwischen Navigationsdisplay und IFR-Karte für die Sicherheit ist unabdingbar, denn die Berge ragen hier hoch hinauf. Dazu meldet er seine Absichten und Position per Funk. Da es hier keinen kontrollierten Luftraum gibt, teilen die Piloten ihre Positionen auf diesen Verkehrsfrequenzen gegenseitig mit. Doch plötzlich zuckt ein heller Gewitterblitz direkt vor dem Cockpit auf. André dreht um und nimmt außerhalb der Wolken Kurs auf Wamena.
Viele Dörfer warten auf Lebensmittel
Für den heutigen Tag war’s das. Ein Sprichwort hier besagt: „Nach dem Mittagessen passiert nichts Gutes in Papua.“ Nach der Landung in Wamena hat André Feierabend. Erst am nächsten Tag, kurz nach Sonnenaufgang, geht es weiter. Leerlauf ist selten. Denn es gibt viele Dörfer, die auf die Versorgung aus der Luft angewiesen sind und bereits sehnsüchtig auf Lebensmittel warten.
Text & Fotos: Ralf Plechinger