Frankfurt/Main, 15. Februar 2017 Nach 14 Streiks, 500 Millionen Euro Kosten, ungezählten Verhandlungsrunden und einer Schlichtung haben Lufthansa und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) einen Teilkompromiss erreicht. Gleichzeitig hat das Unternehmen eine Wachstumssperre für die Kernmarke Lufthansa verhängt. Fünf Jahre nach Beginn des Tarifkonflikts ist damit eine Gesamtlösung noch keineswegs in trockenen Tüchern. Denn es […]

Frankfurt/Main, 15. Februar 2017

Nach 14 Streiks, 500 Millionen Euro Kosten, ungezählten Verhandlungsrunden und einer Schlichtung haben Lufthansa und die Pilotengewerkschaft Vereinigung Cockpit (VC) einen Teilkompromiss erreicht.

Gleichzeitig hat das Unternehmen eine Wachstumssperre für die Kernmarke Lufthansa verhängt. Fünf Jahre nach Beginn des Tarifkonflikts ist damit eine Gesamtlösung noch keineswegs in trockenen Tüchern. Denn es geht um viel mehr als um das liebe Geld.

Über was mussten die Tarifparteien entscheiden?

Formal ging es in der Mitte Januar begonnenen Schlichtung nur um die Gehälter der 5400 Piloten, die nach dem Konzerntarifvertrag (KTV) für die Gesellschaften Lufthansa, Lufthansa Cargo und Germanwings fliegen. Der Spruch des Schlichters Gunter Pleuger musste sich folglich auf dieses Thema beschränken.

Wie lautet der Kompromiss?

Pleuger hat eine Gehaltssteigerung in vier Stufen um zusammen 8,7 Prozent sowie die einmalige Auszahlung von 30 Millionen Euro vorgeschlagen, pro Kopf also 5000 bis 6000 Euro. Die Gehaltssteigerung liegt näher am Lufthansa-Angebot von 4,4 Prozent als an der VC-Forderung von 22 Prozent. Die VC hat bei einer Laufzeit von 7 Jahren und acht Monaten eine jährliche Steigerung von 1,2 Prozent errechnet und dies als „gerade noch akzeptabel“ bezeichnet. Die Tarifkommission empfiehlt den Mitgliedern bei der anstehenden Urabstimmung die Annahme.

Was hat Lufthansa zur Flottenplanung beschlossen?

Sie hat einseitig einen faktischen Wachstumsstopp für die Lufthansa-Kerngesellschaft verkündet. 40 neue zugehende Flugzeuge will sie künftig nicht mehr mit teuren KTV-Piloten besetzen, wie es eigentlich im Tarifvertrag vorgesehen wäre. Es sind nicht nur zusätzliche Flieger gemeint, sondern auch solche, die alte Lufthansa-Jets ablösen. Damit dürfte die Kranichflotte von zuletzt 334 Maschinen sogar schrumpfen.

Wie wird das umgesetzt?

Ob für die 40 Flieger eine neue Gesellschaft gegründet wird oder Lufthansa einen ihrer bestehenden Flugbetriebe erweitert, steht noch aus. Die Maschinen dürften jedenfalls nicht den Lufthansa-Namen tragen. Es gab bereits im Rahmen des Sparprogramms „Jump“ derartige Ausnahmen vom KTV. Die Maschinen flogen im Lufthansa-Flugplan, trugen aber die Zeichen des von Lufthansa dominierten Airline-Verbundes „Star Alliance“.

Warum ist es für Lufthansa so wichtig, Flugzeuge außerhalb des Tarifvertrags fliegen zu dürfen?

Lufthansa-Chef Carsten Spohr will endlich unbedingt spürbare Kostensenkungen auch in den Cockpits durchsetzen, um konkurrenzfähig zu bleiben. Da nun in 40 Jets billigere Piloten eingesetzt werden können, kann Lufthansa die 85 Millionen Euro Kosten des Gehaltskompromisses kompensieren. Wichtiger ist aber noch das Signal an die VC-Piloten, dass Lufthansa auch ohne sie und außerhalb des KTV wachsen kann. Das empfinden die Piloten als „Erpressung“. Schon jetzt sind sie im Konzern in der Minderheit, denn bei den Lufthansa-Gesellschaften Swiss, Austrian, Brussels und Eurowings wird überall weniger verdient.

Wie reagiert die Gewerkschaft darauf?

Trotz der einseitigen Lufthansa-Ankündigung zu den 40 Maschinen hat die VC-Tarifkommission den Mitgliedern empfohlen, das Schlichtungsergebnis zum Gehalt in einer Urabstimmung anzunehmen. Das Ergebnis werde Ende März vorliegen.

Kann es weitere Pilotenstreiks geben?

Definitiv. Zwischen Lufthansa und der VC gibt es noch etliche ungelöste Tarifprobleme, mit schwierigen Regelungen zum Vorruhestand und zu den Betriebsrenten an der Spitze. Die Gespräche sind nun weiter erheblich belastet. Auch zu diesen Fragen könnte die VC jederzeit Streiks vom Zaun brechen. Der isolierte Gehaltsabschluss könnte die weiteren Gespräche sogar erschweren, weil damit die Verhandlungsmasse kleiner wird. In der Vergangenheit hatte der Vergütungstarifvertrag häufig als „Verschiebebahnhof“ fungiert, wenn für andere Regelungen ein Ausgleich gesucht wurde.

Christian Ebner, dpa