01.07.2016 Die junge Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz ist in Turbulenzen gekommen. Nach dem vorläufigen Stopp des Verkaufsverfahrens für den Flughafen Hahn ist Regierungschefin Dreyer gefragt, den richtigen Kurs zu nehmen. Darauf schauen Opposition und Koalition. Mainz (dpa) – Im Kontrollzentrum der rheinland-pfälzischen Landesregierung blinken seit einigen Tagen die Warnleuchten. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) weiß, dass viel auf […]

01.07.2016

Die junge Ampel-Koalition in Rheinland-Pfalz ist in Turbulenzen gekommen. Nach dem vorläufigen Stopp des Verkaufsverfahrens für den Flughafen Hahn ist Regierungschefin Dreyer gefragt, den richtigen Kurs zu nehmen. Darauf schauen Opposition und Koalition.

Mainz (dpa) – Im Kontrollzentrum der rheinland-pfälzischen Landesregierung blinken seit einigen Tagen die Warnleuchten. Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) weiß, dass viel auf dem Spiel steht. Nach dem Stopp des Verkaufsverfahrens für den Flughafen Hahn an eine weitgehend unbekannte chinesische Firma geht es auch um die Ampel-Koalition. In relativ kurzer Zeit hat Dreyer das Bündnis mit FDP und Grünen nach der Landtagswahl auf den Weg gebracht. Nun steht ihre Koalition vor einer Bewährungsprobe. Die Frage: Ist der chinesische Käufer eine Luftnummer, oder bekommt der verschuldete Flughafen Hahn mit ihm Aufwind?

Vor knapp vier Wochen stellte Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Hunsrück-Flughafen den Käufer des Airports vor: die Shanghai Yiqian Trading (SYT). Der Vertrag ist unterschrieben, doch der Landtag muss noch zustimmen. Einen Tag später stuft Dreyer den bisher unbekannten chinesischen Käufer als seriös ein. «Ich kann nur sagen, dass ich mich vergewissert habe, dass diejenigen, die die Verkaufsverhandlungen geführt haben, alles an Sicherheiten eingeholt haben, was möglich ist.»

Drei Tage danach, am 10. Juni, verstreicht eine entscheidende Frist. Der chinesische Käufer sollte bis dahin eine Zahlung für Grundstücke leisten, die er neben dem Flughafen ebenfalls erwerben will. SYT selbst hat sich zu der vorgezogenen Zahlung verpflichtet. Sie kommt aber nicht: Der Käufer gibt an, dass die chinesische Regierung den Geldtransfer nicht genehmigt. Am 21. Juni geht eine Mahnung an die Chinesen. Zwei Tage später sagt Lewentz im Landtag, der Käufer biete das Potenzial für eine Weiterentwicklung des Flughafens. Am 29. Juni kündigt er dann sichtlich nervös an, das Verkaufsverfahren mit SYT erstmal auf Eis zu legen. Zwei weitere Interessenten sind in der Hinterhand. Fragen sind bei dem Statement nicht zugelassen.

CDU-Oppositionschefin Julia Klöckner wirft Dreyer Wählertäuschung vor, weil der Landtag erst jetzt über die Turbulenzen informiert wird. «Frau Dreyer hat uns und das Parlament maximal hinters Licht geführt», sagt sie. «Das kann man einer Regierung nicht durchgehen lassen.» Während die AfD auf einen Untersuchungsausschuss dringt und Lewentz zum Rücktritt auffordert, zieht Klöckner keines dieser scharfen Schwerter – vielleicht noch nicht. Sie setzt Dreyer unter Druck, beantragt eine Sondersitzung des Landtags für nächste Woche und verlangt eine Erklärung der Regierungschefin in dieser Woche.

Tatsächlich hat Dreyer in ihrer Regierungserklärung «maximale Transparenz» angekündigt. Der Innenminister zieht nach und erläutert einen Tag nach dem Verkaufsstopp Details des Vertrags. Die Wirtschaftsprüfer von KPMG haben aus seiner Sicht die Bonität ausreichend geprüft. «Das ist eine schwierige Zeit», sagt Lewentz dennoch. Und er hat schon so einiges an Krisen erlebt. Der Innenminister ist der einzige neben Dreyer, der das Debakel um die Nürburgring-Insolvenz 2012 in der Regierung politisch überlebt hat.

Die Koalitionspartner sind irritiert und dringen auf Aufklärung. Grünen-Fraktionschef Bernhard Braun ist unzufrieden mit dem Vorgehen bei der Bonitätsprüfung. «Das ist schlecht gelaufen, das ist eindeutig.» Er schiebt nach: «Ich glaube nicht, dass das die Koalition belastet.» Die FDP, neu in der Regierung, mag froh sein, dass das Innenministerium weiter für den Verkaufsprozess des Flughafens zuständig ist. Wirtschaftsminister Volker Wissing verweist darauf, dass seine FDP während der Koalitionsverhandlungen nicht alle Unterlagen einsehen konnte. «Eine Fortsetzung des Gesetzgebungsverfahrens kann es nur geben, wenn Gewissheit über die Zuverlässigkeit des Investors besteht», sagt Wissing am Freitag.

Dreyer geht in die Offensive. «Der eingeleitete Privatisierungsprozess wird konsequent fortgesetzt – notfalls mit einem der anderen Interessenten», betont sie und weist den CDU-Vorwurf fehlender Transparenz zurück. «Ganz bewusst haben wir ein Gesetzgebungsverfahren gewählt – dies ist der transparenteste Weg, der uns als Landesregierung zur Verfügung steht.» Die Forderung nach personellen Konsequenzen weist sie zurück. «Die Frage stellt sich für mich nicht.» Und sie lobt Lewentz als guten Innenminister.

Ob die Warnleuchten in der Staatskanzlei weiter brennen, hängt davon ab, was der Käufer macht. Sein Anwalt kündigt an, dass die ausstehende Zahlung bald kommen soll – und für den Flughafen soll vorfristig mehr als der Kaufpreis fließen. «Um alle Zweifel auszuräumen», sagt Anwalt Gunther Weiss. Bisher steht die Koalition. Vor allem die kleinen Partner werden aber aufmerksam beobachten, was der Käufer macht.

Oliver von Riegen, dpa