Air Berlin und die Existenzfrage
23.10.2015 Die Lage von Air Berlin ist schon länger prekär. Nun bangt sie um eine Einnahmequelle – und ihren wichtigsten Partner. Minister Dobrindt verschafft ihr nur wenige Monate Luft. Berlin (dpa) – Es ist eine Reihe schmuckloser Bürocontainer, aufgestellt auf einer Wiese am Rande des Flughafens Schönefeld, die Air Berlin und auch der Lufthansa Sorgen […]
23.10.2015
Die Lage von Air Berlin ist schon länger prekär. Nun bangt sie um eine Einnahmequelle – und ihren wichtigsten Partner. Minister Dobrindt verschafft ihr nur wenige Monate Luft.
Berlin (dpa) – Es ist eine Reihe schmuckloser Bürocontainer, aufgestellt auf einer Wiese am Rande des Flughafens Schönefeld, die Air Berlin und auch der Lufthansa Sorgen machen. Dort, hinter Baggern, die das Vorfeld aufreißen, sitzen die neuen Crews von Ryanair. Fünf Maschinen hat der irische Billigflieger in Schönefeld zum Winterflugplan stationiert. Asphaltiermaschinen schaffen Extra-Platz auf den Vorfeld. Ein neues Terminal ist in Planung.
Auch 2016 werde der Berliner Luftverkehr um sechs Prozent wachsen, sagt Flughafenchef Karsten Mühlenfeld. Und er sagt, dass dafür nicht die beiden größten deutschen Airlines, Lufthansa und Air Berlin, sorgen. Es sind die Billigflieger – Easyjet, Norwegian und besonders Ryanair, die nun auch mit innerdeutschen Strecken an den Start gehen.
«Air Berlin ist immer noch unser größter Kunde», betont Mühlenfeld. Doch andere stehen bereit, diesen Platz einzunehmen. Deshalb will auch der deutsche Branchenprimus Lufthansa den Wettbewerb mit den Billigfliegern aufnehmen und päppelt seine Low-Cost-Gesellschaft Eurowings – nicht nur in Berlin.
In dieser Situation kämpft die defizitäre Air Berlin um Gemeinschaftsflüge mit dem Partner Etihad Airways, der mit einem Anteil von 29,2 Prozent auch größter Aktionär ist. Gemeinsam werden nach Airline-Angaben 65 Strecken vermarktet, die Etihad-Kunden fliegen unter der gleichen Flugnummer (Codeshare) wie die Air-Berlin-Fluggäste. Der Bund spricht von 83 Strecken. Vor allem über Berlin und Düsseldorf erreichen die Etihad-Passagiere so zahlreiche Ziele in Deutschland, Europa und den USA.
Dieses Geschäft bringt Air Berlin nach eigenen Angaben einen zusätzlichen Umsatz von 140 Millionen Euro. Das scheint bei einem Jahresumsatz von 4,16 Milliarden Euro (2014) nicht die Welt zu sein. Doch die Strategen sind alarmiert: «Wir würden diesen Umsatzausfall zur Zeit nicht verkraften», heißt es aus der Zentrale. Und dass Ryanair-Chef Michael O’Leary nur darauf warte.
«Bei einer gesunden Firma würde man sagen, das ist vielleicht durch Einsparungen an anderer Stelle auszugleichen», sagt Aktionärsvertreter Michael Kunert von der Schutzgemeinschaft der Kapitalanleger (SdK). «Aber bei Air Berlin ist die Lage seit Jahren hochdramatisch.» Eine Lösung sei dringend nötig – im Sinne der Aktionäre und der Beschäftigten. Denn: «Ohne die Gemeinschaftsflüge könnte das Interesse der Etihad Air Berlin sinken.»
Schließlich sind es Geldspritzen von Ethiad, die Air Berlin noch in der Luft halten. Auch die Arbeitnehmervertreter bei Air Berlin fürchten, dass die Golf-Airline «immer weniger Freude» an ihrem Engagement haben könnte, wie sie an Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) schrieben.
Der hat nun reagiert. Quasi in letzter Minute – zwei Tage vor dem Beginn des Winterflugplans genehmigte er am Freitag noch einmal 31 Verbindungen, die nicht durch Luftverkehrsabkommen gedeckt sind. Diese regeln, welche Flughäfen die staatlichen Airline der Emirate hier anfliegen darf. Doch anders als bisher gibt es die Genehmigung nicht für den gesamten Winterflugplan, der bis März gilt. Bis zum 15. Januar, so lässt Dobrindt verlauten, müssen sich Etihad und Air Berlin eine Alternative überlegen. Die ungeklärte Codeshare-Frage, sie hängt wie ein Damoklesschwert über der Airline.
Aus dem Blick gerät dabei fast, dass Air-Berlin-Vorstandschef Stefan Pichler sein angekündigtes Sanierungskonzept bis 2018 noch nicht vorgelegt hat. Zuletzt hieß es, Anfang November werde es so weit sein, doch die 8400 Beschäftigten werden wohl noch warten müssen. An dem Plan werde noch gearbeitet, sagt ein Unternehmenssprecher.
Angekündigt hatte Pichler schon, Management und Vertrieb umzubauen, das Flugangebot stärker auf ertragreiche Strecken auszurichten und die Drehkreuze wie Düsseldorf und Berlin zu stärken. Ein neuer Billigtarif ist eingeführt, auch mehr Angebote für Geschäftsreisende. Ein weiterer Stellenabbau ist möglich.
Es ist nicht der erste Versuch, die trudelnde Airline wieder auf Flughöhe zu bringen. Schon Pichlers Vorgänger Hartmut Mehdorn und Wolfgang Prock-Schauer hatten vergeblich versucht, die Airline zu sanieren. Mehdorn gelang es lediglich, Etihad an Bord zu holen – und damit Zeit zu gewinnen.
Burkhard Fraune und Bernd Röder, dpa