06.12.2014 Bislang war der größte Fluss Myanmars der wichtigste kommerzielle Verkehrsweg, doch inzwischen schickt sich der Luftverkehr an, ihn abzulösen. Eine von vielen kleinen Fluggesellschaften, die in jüngerer Vergangenheit gegründet wurden, ist Air Bagan.  An jeder Milchkanne halten bekanntlich nur Bummelzüge – aber zuweilen auch Turboprops im birmanischen Inlandsverkehr. Ja, tatsächlich: Wer in Myanmar, denn […]

06.12.2014

Bislang war der größte Fluss Myanmars der wichtigste kommerzielle Verkehrsweg, doch inzwischen schickt sich der Luftverkehr an, ihn abzulösen. Eine von vielen kleinen Fluggesellschaften, die in jüngerer Vergangenheit gegründet wurden, ist Air Bagan. 

An jeder Milchkanne halten bekanntlich nur Bummelzüge – aber zuweilen auch Turboprops im birmanischen Inlandsverkehr. Ja, tatsächlich: Wer in Myanmar, denn so heißt Birma seit 1989 offiziell, auf einem Flug von Yangon nach Nyaung U, dem aviatischen Tor zum einzigartigen Tempelfeld rund um Bagan unterwegs ist, darf sich nicht wundern, einen ersten Zwischenstopp in Heho und einen zweiten in Mandalay einlegen zu müssen. Hier steigen drei Passagiere aus, dort vier wieder ein. Und einige wenige steigen aus und gleich wieder ein, weil sie auf dem Vorfeld quasi noch in letzter Sekunde festgestellt haben, dass sie eigentlich eine Station weiter müssen …

Myanmars Luftverkehrsmarkt ist klein; winzig klein. Und gegen die nach wie vor recht schwache Nachfrage auf Inlandsrouten abseits der Rennstrecken ist auch eine der modernsten Airline des Landes, die Air Bagan, nicht gefeit. Dreiecks- oder gar Vierecksflüge haben vielleicht etwas Antiquarisches, sind aber im Land der Pagoden keine Seltenheit. Wir erleben einen solchen an Bord einer mit 46 Plätzen ausgestatteten ATR 42 des vor zehn Jahren gegründeten Unternehmens.

Air Bagan im Zwischenstopp

Flug Yangon – Nyaung U, Zwischenstopp in Heho: Wenn die Crew der ATR 42 in etwas viel Erfahrung hat, dann im Starten und Landen. Bild: Dietmar Plath

 

Damals, 2004, galt Air Bagan als die erste Fluggesellschaft des Landes, die gänzlich ohne staatliche Beteiligung aus der Taufe gehoben wurde. Was seinerzeit ohne einen guten Draht zur Militärjunta nicht möglich gewesen wäre, so viel ist sicher. Doch eben jenen wird jedes privatwirtschaftliche birmanische Unternehmen auch heute noch haben müssen, daran dürfte ebenfalls kein Zweifel bestehen. Denn die Herrschenden von einst haben nach der seit Jahrzehnten wieder ersten, mehr oder weniger demokratischen Wahl Ende 2010 lediglich ihre Uniformen ausgezogen, an den Lenkseilen der Macht halten sie nach wie vor fest. Allerdings: Sie öffnen ihr Land, schrittweise; der Druck des Auslands, aber auch innenpolitisch entfacht durch die jahrelang unter Hausarrest stehenden Oppositionsführerin Aung San Suu Kyi, wurde zu stark. Und das ist auch gut so. „Die Lady“, wie sie in Myanmar respektvoll genannt wird, fordert Ausländer inzwischen geradezu auf, ihre Heimat zu besuchen, um sich selbst ein Bild von der Situation zu machen: „Es ist grundsätzlich wichtig, dass Menschen sehen, was in diesem Land wirklich vor sich geht“, sagte sie in einem Interview 2009, direkt nach ihrer Freilassung.

So sitzen auf den Flügen der Air Bagan zu etwa 55 Prozent Touristen an Bord, die das geheimnisvolle Land am Irrawaddy, dem mit 2170 Kilometern längsten und wichtigsten Fluss des Landes, kennenlernen möchten. Sie haben sich die Mühe gemacht, im Vorfeld ein teures Visa zu beschaffen. Manch einer wird auf der Suche nach einem Zimmer in einem der noch wenigen Hotels schier verzweifelt sein, wird seine Ansprüche an Komfort in den kommenden Tagen oder Wochen hier und da zurückschrauben müssen und Restaurants kennenlernen, die aus gutem Grund damit werben, ausschließlich mit hygienisch in Flaschen abgefülltem Trinkwasser zu kochen. Doch vielleicht haben sie gerade jetzt auch Rudyard Kiplings berühmtes Zitat aus seinen 1889 geschriebenen „Letters from the East“ im Kopf: „Dies ist Birma – und es wird wie kein anderes Land sein, das du kennst“.

Pilotinnen der Air Bagan

Als erste Airline Myanmars stellte Air Bagan im Jahr 2010 Pilotinnen ein. Bild: Dietmar Plath

 

Wichtiger Arbeitgeber

Den ersten Eindruck, dass hier die Uhren weitgehend anders ticken, erhalten wir bereits beim Check-in für unseren Inlandsflug: Fünf junge Birmaninnen stehen hinter einem Schalter, jeweils mit einem gespitzten Bleistift in der Hand. Hier wird jeder Passagier noch per Hand in eine Liste eingetragen, und diese muss aufgrund bürokratischer Anforderungen natürlich in fünffacher Ausfertigung bei Bedarf vorlegbar sein. Erstaunlich ist, dass dabei nicht ein einziges Mal ein sehnsüchtiger Blick nach rechts zum Check-in-Bereich der seit 2012 im Markt operierenden FMI Air Charter geht, die bereits über einen Kopierer verfügt – doch dessen Einsatz würde vier überlebenswichtige Jobs in einem der ärmsten Länder dieses Erdballs überflüssig machen.

Computer gibt es dennoch – nicht, dass wir uns falsch verstehen –, oben, im Büro des Station-Managers. Schließlich kann man bei Air Bagan übers World Wide Web Tickets online buchen. Überhaupt ist die Airline IT-technisch eine der wenigen im Land, deren Reservierungssystem mit dem ausländischer Fluggesellschaften kompatibel ist. Was beispielsweise für die thailändische Bangkok Airways Grund genug ist, mit Air Bagan zusammenzuarbeiten.

Überraschungen an Bord der Air Bagan bleiben dagegen aus. Die ATR 42, von denen das Unternehmen zwei besitzt, ist zweifellos gut in Schuss. Die beiden charmanten Flugbegleiterinnen verteilen zunächst Zeitungen und dann Tabletts mit Essen. Europäische Standards sehen da auf kurzen Hüpfern anders, aber nicht unbedingt besser aus.

Air Bagan bietet etwas fürs Geld, zweifellos. So ist ihr Geschäftsmodell: Sie versteht sich als Full-Service-Carrier, der hohen Wert auf Sicherheit legt. Somit kann die Airline gar nicht zu den Günstiganbietern im Land zählen – was ihr das Leben eigentlich schwer machen müsste, denn der Wettbewerb vor der eigenen Haustür ist im Laufe der Jahre immer härter geworden.

Galt Air Bagan 2008 mit 31 Prozent als Marktführer auf den birmanischen Inlandsstrecken, musste sie inzwischen viele Federn lassen. Zu viele Fluggesellschaften sind in der jüngeren Vergangenheit, im Zuge der politischen Veränderungen, an den Start gegangen und kämpfen zurzeit mit Dumpingpreisen um Marktanteile, so Sao Thanda Noi, Deputy Managing Director der Air Bagan. „Es ist schwer, Profit zu erwirtschaften und in dieser Industrie zu überleben.“ Vor allem deshalb, weil die Kerosinpreise in Myanmar exorbitant gestiegen, im Vergleich zum nahen Ausland heute deutlich höher seien, so die Verantwortliche weiter.

Hilfreich ist da, dass die Airline die finanzstarke Htoo Trading im Rücken hat, die unter anderem im Touristikgeschäft tätig ist – beispielsweise, indem sie etliche Hotels betreibt – und Air Bagan für den Transport der eigenen Gäste ins Leben gerufen hat. Hilfreich ist darüber hinaus, dass sie mit Asian Wings Airways seit 2011 über eine Schwesterairline verfügt, mit der sie eng kooperiert und somit die entstehenden Synergien nutzen kann. Weniger hilfreich war in der Vergangenheit jedoch, dass die Htoo Trading einem gewissen Tay Za gehört, der aufgrund seiner engen Bande zu den alten Diktatoren in den Bannstrahl der USA und der EU geraten ist.

Air Bagan wurde Leidtragende der wirtschaftlichen Sanktionen, musste 2007 beispielsweise ihre internationalen Flüge nach Singapur canceln. Doch inzwischen ist wieder Land in Sicht. Die EU hat die Sanktionen 2013 aufgehoben. Und das flügge gewordene Kind lernt, allein klar zu kommen: „Wir verändern gerade die Besitzstruktur: Die meisten Anteile gehören inzwischen den Mitarbeitern“, berichtet Sao Thanda Noi, die die Geschicke bei Air Bagan maßgeblich lenkt. Dennoch: „Wir konzentrieren uns momentan ausschließlich auf das Inlandsgeschäft und werden in den kommenden drei Jahren sicherlich keine internationalen Routen ins Programm nehmen.“ Schließlich bietet die einstige britische Kolonie genügend Potenzial, Wettbewerb hin oder her.

„Unser Land ist als touristische Destination geradezu prädestiniert“, betont die Managerin. Es ist reich an landschaftlicher Schönheit und kulturellen Sehenswürdigkeiten. Bagan mit seinen mehr als 2000 Tempeln oder das religiöse Zentrum Mandalay sind zwei gute Beispiele. In seinem Masterplan Tourismus rechnet der Staat 2020 mit mehr als 7,5 Millionen Gästen jährlich.

Überhaupt erwartet Sao Thanda Noi ein kräftiges Wirtschaftswachstum, denn „Myanmar verfügt über Bodenschätze und andere natürliche Ressourcen“. Gerade im Geschäftsreiseverkehr seien schnelle und einfache Transportverbindungen essenziell, da biete sich der Luftverkehr geradezu an. Zumal die Infrastruktur am Boden, insbesondere das Eisenbahnnetz, größtenteils noch aus Kolonialzeiten stammt.

Air Bagan Deputy Managing Director Sao Thanda Noi

Sao Thanda Noi leitet als Deputy Managing Director die Geschicke der Air Bagan und führt die Airline in eine eigenständige Zukunft. Bild: Dietmar Plath

 

Allerdings, so Sao Thanda Nois Appell an die Regierenden: „Der Staat, der bislang den Inlandsverkehr zu ambitioniert vorangetrieben hat, sollte künftig strenger regulierend eingreifen und beispielsweise die Sicherheitsstandards höher setzen.“ Auch gelte es ihrer Meinung nach, die Flughafen-Infrastruktur zu modernisieren. Drei weltweit vorzeigbare Anlagen – das internationale Terminal in Yangon sowie die Flughäfen in Mandalay beziehungsweise der Hauptstadt Nay Pyi Taw – reichen auf Dauer nicht aus. Dass ihr in diesem Zusammenhang Nyaung U vor den Toren des Touristenmagnets Bagan vorschwebt, dürfte sicher sein.

Zwar verfügt Air Bagan mit den ATR über das richtige Fluggerät gerade für die kleineren, zumeist sehr schlecht ausgebauten Landeplätze, doch die technische Ausstattung der „Flughäfchen“ ist zuweilen mangelhaft. Sao Thanda Noi weiß, dass das nicht im Handumdrehen verändert werden kann, „deshalb werden wir in den nächsten Jahren an unserer Flotte festhalten.“ Was dann komme, hänge von der Wirtschaftskraft des Unternehmens und dem politischen Kurs des Landes ab. Doch einen Wunsch lässt sie sich dann doch noch entlocken: Irgendwann einmal, wieder, mit Airbussen über die Landesgrenze hinaus zu fliegen. So wie 2007, als es mit A310 im Linienverkehr nach Bangkok, Singapur und Seoul ging.

Astrid Röben