Mehdorns Geheimnis: «Wir sehen das Ende»
Vier Eröffnungstermine sind am neuen Hauptstadtflughafen schon verpufft, fünf Jahre Verspätung längst denkbar. Doch wann wirklich die ersten Flugzeuge starten, weiß nur einer. Wenn überhaupt. Berlin (dpa) – Hartmut Mehdorn hat ein Geheimnis. Der Chef des neuen Hauptstadtflughafens spricht oft über dieses Geheimnis. Aber er enthüllt es nicht. Dazu, wann der drittgrößte deutsche Flughafen endlich […]
Vier Eröffnungstermine sind am neuen Hauptstadtflughafen schon verpufft, fünf Jahre Verspätung längst denkbar. Doch wann wirklich die ersten Flugzeuge starten, weiß nur einer. Wenn überhaupt.
Berlin (dpa) – Hartmut Mehdorn hat ein Geheimnis. Der Chef des neuen Hauptstadtflughafens spricht oft über dieses Geheimnis. Aber er enthüllt es nicht. Dazu, wann der drittgrößte deutsche Flughafen endlich startklar ist, sagt der 71-Jährige auch an diesem Montag: «Es gibt einen sehr präzisen Zeitplan, der quasi tagesgenau ist.» Und dann vergräbt er die Hände in seinen Hosentaschen. «Ist allerdings ein interner.»
Mehdorn sagt das in einem Moment, in dem sein Aufsichtsrat in einer Sondersitzung sehr ernste Fragen hatte, in dem Politiker seinen Kopf fordern und Kommentatoren über einen Abriss des neuen Flughafens sinnieren. Der Druck könnte kaum größer sein. Doch Mehdorn hütet sein Geheimnis. Der Aufsichtsratschef, Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD), steht daneben und verzieht keine Miene.
Seit 15 Monaten führt Mehdorn die Flughafen Berlin Brandenburg GmbH – jenes Unternehmen, dem es wie kaum einem anderen gelingt, schlechte Nachrichten zu produzieren. Und seit 15 Monaten vertröstet er Politik, Unternehmen und Öffentlichkeit mit dem Termin zum Termin – dem Tag, an dem er ein Datum für den Start des Flughafens nennt.
Mehdorn fürchtet die «Häme», die über ihn hereinbräche, wenn es dann doch nicht klappt. Das gibt er zu.
Doch je länger er schweigt, desto weniger ist nachvollziehbar, woher der frühere Bahnchef seine vermeintliche Gewissheit nimmt: Die Umbauarbeiten an der Brandschutzanlage? Noch nicht mal begonnen. Schallschutzfenster für tausende Anwohner? Erst bei wenigen eingebaut. Die Baukosten? Dürften auf weit über fünf Milliarden Euro wachsen. Die Finanzierung? Auf immer wackligerem Fundament.
Optimisten glauben noch, dass 2016 die ersten Flugzeuge vom drittgrößten deutschen Flughafen abheben – geplant war Ende 2011.
Und jetzt noch die Korruptionsaffäre um Jochen Großmann. Der gerade eingestellte Technikchef soll für die Vergabe eines Planungsauftrags vom Bewerber eine halbe Million Euro verlangt haben. Staatsanwälte ermitteln, Spezialisten durchforsten die Akten nach weiteren Fällen.
«Sie können sich vorstellen, dass wir mit einem besonders engen Kamm überall durchkämmen und nach Knoten suchen», gibt Mehdorn den Kämpfer – und ist doch hilflos: «Betroffen», «enttäuscht», «traurig», sei er über das, was Großmann dem Flughafen «angetan hat». Ungewohnte Worte von dem Mann, der große Stücke auf seine Macher-Qualitäten hält.
Aufsichtsratschef Wowereit seufzt, er hoffe, dass sich aus der Affäre kein Verzug ergebe. Doch wie soll das gelingen, wenn nicht nur Großmann, sondern auch 15 seiner Ingenieure zumindest vorerst Baustellenverbot haben? Schließlich laufen bei ihnen alle Fäden zusammen, und ihr Konzept will Mehdorn auch weiterverfolgen.
Zudem bindet die Aufklärung Energie. Was, wenn sich noch mehr Korruptionsfälle finden? Was, wenn unterlegene Firmen die Vergabeverfahren angreifen?
Wowereit selbst sagt, dass die Korruptionsaffäre der Terminfrage ein weiteres Fragezeichen hinzufügt. Dabei sollen solche Sondersitzungen immer auch Handlungsfähigkeit symbolisieren – einberufen für früh um acht, als erste Amtshandlung nach einer einwöchigen China-Reise Wowereits. Ein Zeichen an all jene, die argwöhnen, dem dienstältesten deutschen Länderchef sei inzwischen vieles egal.
Die Sitzung hat noch eine Botschaft: den Schulterschluss. Wowereit tritt mit Mehdorn vor die Kameras und stärkt ihm den Rücken. Denn eine Alternative zu dem 71-Jährigen ist nicht in Sicht. Wowereit braucht ihn, soll seine SPD bei der Wahl 2016 nicht untergehen.
Doch dazu muss Mehdorn auch Erfolge vorweisen – am besten, indem er sein Termin-Geheimnis lüftet. Das will er Ende des Jahres tun, hatte der erfahrene Manager vor einigen Wochen angekündigt. Doch derlei Ankündigungen sind schon mehrfach verpufft. «Wir sind am Ende eines Prozesses», bekräftigt Mehdorn auch am Montag. «Wir sehen das Ende.» Alles andere bleibt intern.