24.08.2014 Nach jahrelangen Verspätungen erwartet die Luftwaffe den ersten ihrer neuen Airbus-Militärtransporter A400M. Der Standort Wunstorf ist bundesweit der einzige für den Riesenflieger. Er wird gerade für eine knappe halbe Milliarde Euro umgebaut. Wunstorf – Die Schlapphüte sind bereits im Einsatz. In einem Piloten-Besprechungsraum ist eine Antennenkonstruktion an ein Laptop angeschlossen. Immer wieder wird sie […]

24.08.2014

Nach jahrelangen Verspätungen erwartet die Luftwaffe den ersten ihrer neuen Airbus-Militärtransporter A400M. Der Standort Wunstorf ist bundesweit der einzige für den Riesenflieger. Er wird gerade für eine knappe halbe Milliarde Euro umgebaut.

Wunstorf – Die Schlapphüte sind bereits im Einsatz. In einem Piloten-Besprechungsraum ist eine Antennenkonstruktion an ein Laptop angeschlossen. Immer wieder wird sie neu justiert – schließlich soll das neue Gebäude abhörsicher sein. Beobachter sind da unerwünscht. «Sofort ‚raus hier», brüllt ein verärgerter Sicherheitsoffizier, als er die Gruppe Zivilisten entdeckt.

«Wir sind nach der Bau-Übergabe eben nicht mehr die Hausherren», seufzt Peter Bröker. Bis vor kurzem hatte der Bauamtsleiter vom Staatlichen Baumanagement Weser-Leine in Niedersachsen hier noch das Sagen. Denn mit seinen Kollegen baut er den Fliegerhorst Wunstorf um. Gesamtkosten: Eine knappe halbe Milliarde.

Der bei Hannover gelegene deutsche Luftwaffen-Stützpunkt soll künftig auch international Dreh- und Angelpunkt für Betrieb, Wartung sowie Piloten- und Technikerausbildung des neuen Militärflugzeugs A400M werden. Als modernster Transporter der Welt wird der Militär-Airbus die zweimotorige Transall C-160 nach rund 50 Jahren Einsatz ablösen. Die Bundeswehr bezifferte die Kosten des Projekts, das sich jahrelang immer wieder verzögerte, zuletzt auf 25 Milliarden Euro. Stückpreis einer A400M: 175,3 Millionen Euro.

In Wunstorf parkt sie bereits – als Modell auf dem Schreibtisch von Oberstleutnant Christian John. Er ist zur Zeit als stellvertretender Kommodore Herr über eine Phantom-Flotte: Deutschlands einziges A400M-Geschwader. Auch wenn die erste deutsche A400M frühestens Ende November in Wunstorf erwartet wird: Auf dem Papier besteht die Einheit bereits seit 1. April. «Wir fiebern dem Augenblick der Übernahme entgegen», sagt John. Er bereitet dem neuen Wundervogel das Nest. Denn künftig gibt es für Militärtransporter nur noch einen Standort bundesweit – zwei andere in Bayern und Schleswig-Holstein werden dafür geschlossen.

«Wir haben quasi einen neuen Flugplatz geschaffen – es wurde während des laufenden Flugbetriebs ja fast alles völlig umgekrempelt», sagt Holger Mißfelder vom staatlichen Baumanagement Weser-Leine. Gemeinsam mit Kollegen der Abteilung Osnabrück-Emsland plant er das Projekt. Die anspruchsvolle Betriebstechnik stellte sie vor Herausforderungen: «Das ist das größte Infrastrukturprojekt der Luftwaffe seit Bestehen der Bundeswehr; hier wird nicht einfach nur ein Flieger ausgetauscht, sondern gleich ein ganzes System – das ist ein Generationenwechsel.»

Hinzu kamen Besonderheiten des in den 1930er Jahren gebauten Platzes, den später auch Briten nutzten – etwa bei der Berliner Luftbrücke. Wiederholt wurde Munition ausgebuddelt, einmal sogar der Motor eines Me-109-Jagdflugzeugs. Dennoch liegt der erste Bau-Abschnitt im Plan. Eine Start- und Landebahn wurde erneuert und verlängert, es gibt neue Stellflächen und einen Neubau der Einsatzleitung. Überall riecht es nach frischer Farbe, Soldaten räumen bereits Regale und Ordner ein.

Christian Schott wird künftig hier arbeiten. Der 38-Jährige Ingenieur aus dem kleinen Hunsrück-Ort Fell wurde gerade zum Oberstleutnant befördert. Er war einer der beiden ersten Luftwaffenpiloten, die auf die A400M geschult wurden. Als Leiter einer Evaluierungs-Einheit soll er nun den neuen Flieger im Einsatz quasi auf Herz und Nieren prüfen. «Die A400M ist komplexer und man fliegt nur noch mit einer Zwei-Mann-Besatzung», sagt er. Der Computer nimmt der Besatzung viel Arbeit ab – ein Umstieg wie vom VW Käfer auf einen Porsche Panamera.

Als Mehrzweck-Militärtransporter konzipiert, fliegt die A400M fast so schnell wie ein Jet, kann bis zu acht Kleinpanzer oder 116 komplett ausgerüstete Fallschirmspringer transportieren und auf unbefestigten Kurzpisten landen. Die Bundeswehr orderte 53 Maschinen im Wert von 7,1 Milliarden Euro – 13 sollen aber verkauft werden. Jahrelang gab es durch Verzögerungen und Mehrkosten Streit um das A400M-Projekt, an dem europaweit 40 000 Arbeitsplätze hängen. Auch in Deutschland: der A400M-Mittelrumpf kommt aus Bremen.

Ab 2017 kommen französische A400M-Pilotenschüler zur Ausbildung nach Wunstorf. Umgekehrt findet Fortgeschrittenen-Kurse auch für Deutsche in Orléans statt. In Wunstorf entstand eine Art Campus – mit einer Simulatorenhalle im Zentrum. Durch sie entfallen auch viele Schulungs-Platzrunden – die Anwohner werden es danken. Auf dem Vorfeld stehen noch sechs Transalls. Für sie soll Ende 2018 Schluss sein. Endstation Schrottpresse – oder Museum. John: «Das Interesse ist groß.»

Ralf E. Krüger, dpa