27.07.2014 Seit zehn Tagen trauern die Niederlande um die Opfer von Flug MH17. Die vorerst letzten Särge sind aus der Ostukraine ausgeflogen. Doch wie geht es weiter? Kämpfe verhindern die Untersuchung im Absturzgebiet. Amsterdam – Vor der Abflughalle 3 des Amsterdamer Flughafens Schiphol liegt ein Meer von Blumen. Weiße Rosen in Zellophan, Sonnenblumen, dazwischen viele […]

27.07.2014

Seit zehn Tagen trauern die Niederlande um die Opfer von Flug MH17. Die vorerst letzten Särge sind aus der Ostukraine ausgeflogen. Doch wie geht es weiter? Kämpfe verhindern die Untersuchung im Absturzgebiet.

Amsterdam – Vor der Abflughalle 3 des Amsterdamer Flughafens Schiphol liegt ein Meer von Blumen. Weiße Rosen in Zellophan, Sonnenblumen, dazwischen viele Karten. RIP hat jemand darauf gekritzelt. Ruhe in Frieden. Ein kleines Mädchen stellt einen lila Plüschhasen dazu.

Daneben steht eine Frau, die Hand vor dem Mund. «Im Fernsehen ist alles so unwirklich», sagt die 34-jährige Janneke Veentrop. «Erst hier wird es echt.» Die Familie reist in den Urlaub. Nach Spanien. Doch vorher will sie den 298 Opfern von Flug MH17 Respekt erweisen. «Irgendetwas tun», sagt sie und zuckt hilflos mit den Schultern.

Seit zehn Tagen trauert ein ganzes Land. Am Sonntag holt die blutige Realität des Krieges in der Ostukraine das Drama um Flug MH17 wieder ein. Heftige Kämpfe rund um das Absturzgebiet verhindern den Zugang der internationalen Experten, die weitere Opfer bergen und Spuren sichern sollen.

Selten haben Bilder das ganze Ausmaß eines Dramas so eindrücklich dargestellt. Die lange Trauerkolonne der Leichenwagen, die seit Mittwoch täglich durch die niederländische Landschaft fährt. Am Samstag kommt der vorläufig letzte Transport in der Kaserne von Hilversum an – 38 Särge. Das erste der 298 Opfer ist identifiziert.

Dann der Kontrast: Fotos von der Absturzstelle zeigen schwarz verkohlte Erde, Trümmer, dazwischen Reiseführer, eine Packung holländische Waffeln, eine Puppe. Dort sollen noch immer Leichen liegen.

«Alle Menschen nach Hause bringen, das hat für uns absolute Priorität», betont der niederländische Ministerpräsident Mark Rutte wieder und wieder. Fest entschlossen. Doch die Bergung der restlichen Opfer und die internationale Untersuchung der Absturzstelle sind bislang faktisch unmöglich.

Schwerbewaffnete prorussische Rebellen kontrollieren das Gebiet. Und ukrainische Einheiten versuchen inzwischen, dort die Kontrolle wiederzuerlangen. Bislang kann keiner die Sicherheit der internationalen Experten garantieren.

Seit Samstag sind 40 niederländische Militärpolizisten im ukrainischen Charkow. Sie sollen den Experten helfen. Doch die Königlichen Gendarmen sind unbewaffnet und nicht uniformiert. Was können sie mit bloßen Händen und im T-Shirt ausrichten?

Die Entsendung einer Militärtruppe ist zur Zeit zu riskant, entscheidet die niederländische Regierung am Sonntagabend. Dann droht eine Eskalation, sagt Ministerpräsident Rutte. Stattdessen werden weitere Experten und Polizisten in das Gebiet geschickt. Ohne Waffen. Machtlos fühlt sich der Premier der Niederlande nicht. Aber, so sagte er: «Die Zeit ist nicht unser Verbündeter.»

Die Niederlande arbeiten eng mit Australien zusammen. Nicht nur, weil 27 der Opfer von dort stammen. Der niederländische Außenminister Frans Timmermans will an diesem Montag mit seiner australischen Kollegin Julie Bishop in Kiew erneut über die Sicherheit beraten. Australien gehört dem UN-Sicherheitsrat an und könnte dort eine Resolution für einen bewaffneten Einsatz einbringen.

Die niederländische Regierung operiert dabei in einem politischen Minenfeld – ein Schachspiel auf fünf Brettern zugleich, kommentierte die Tageszeitung «De Volkskrant». In der prekären Lage muss sie mit der Ukraine verhandeln, den Rebellen und vor allem mit Russland.

Der Alptraum der Angehörigen geht währenddessen weiter. Sind ihre Liebsten geborgen oder liegen sie noch zwischen den Trümmern in der Hitze? Die Niederländer wollen den Familien beistehen. Mit Gesten und Blumen. Viele der Hunderttausenden, die in diesen Tagen von Amsterdam aus in die Ferien fliegen, halten bei dem Blumen-Denkmal an der Abflughalle 3 inne: Seit dem Absturz der Boeing der Malaysia Airlines am 17. Juli ist es zum nationalen Denkmal geworden. Täglich wird es größer.

Annette Birschel, dpa