16.12.2014 Schönefeld – «Ich habe nicht hingeworfen, ich lege nieder!» Hartmut Mehdorn will unbedingt die Sorge zerstreuen, sein überraschender Rücktritt könne neues Durcheinander am neuen Hauptstadtflughafen auslösen. Dennoch wirft sein Weggang Fragen auf. Fällt das Projekt jetzt noch weiter zurück? Der Flughafen soll spätestens in drei Jahren in Betrieb gehen, das haben Mehdorn und der […]

16.12.2014

Schönefeld – «Ich habe nicht hingeworfen, ich lege nieder!» Hartmut Mehdorn will unbedingt die Sorge zerstreuen, sein überraschender Rücktritt könne neues Durcheinander am neuen Hauptstadtflughafen auslösen. Dennoch wirft sein Weggang Fragen auf.

Fällt das Projekt jetzt noch weiter zurück?

Der Flughafen soll spätestens in drei Jahren in Betrieb gehen, das haben Mehdorn und der Aufsichtsrat in der vergangenen Woche noch vereinbart. Der 72-Jährige verlässt die Baustelle nicht von heute auf morgen: Bis die Nachfolge geregelt ist, will er bleiben und dem Neuen die Geschäfte geordnet übergeben. Von daher ist der Zeitplan nicht in Gefahr.

Was steht auf der Baustelle als nächstes an?

Mehdorn vererbt folgenden Zeitplan: Letzte Planungen für die vertrackte Brandschutzanlage bis Juni 2015, Fertigstellung des Flughafens bis März 2016, dann Testbetrieb und Abnahmen, Eröffnung im zweiten Halbjahr 2017. Parallel müssen eine Rollbahn saniert und ein Ausbau vorbereitet werden – denn der Flugahfen ist zu klein geraten.

Was muss der neue Chef mitbringen?

Jede Menge diplomatisches Geschick. Das fehlt Mehdorn, der klare Worte liebte. «So bin ich, und das haben alle gewusst», sagte er jetzt dem ZDF. Aber das kam nicht immer gut an beim Bund, Berlin und Brandenburg, den drei Flughafen-Eigentümern mit ihren unterschiedlichen politischen Konstellationen. Sie kochen gern ihr eigenes Süpplein, besonders wenn eine Wahl naht. Und sie nutzen den Geschäftsführer als Prellbock für jegliche Empörung über das Projekt.

Der Neue darf aber auch kein Duckmäuser sein. Er muss Mitarbeiter und den Aufsichtsrat auf Linie bringen können, was Mehdorn von Zeit zu Zeit gelang. Sonst gäbe es noch immer keinen Eröffnungszeitraum.

Gibt es schon einen Mehdorn-Nachfolger?

Schon am Tag nach Mehdorns angekündigtem Abschied kursieren etwa zwei Handvoll Namen, aber die Flughafen-Gesellschafter hatten noch keine Gelegenheit, sich zusammenzusetzen. Sie wollen aber die Ära Mehdorn nicht unnötig in die Länge ziehen und zügig jemanden finden.

Wer käme in Frage?

Der immer wieder gehandelte Köln/Bonner-Flughafenchef Michael Garvens wird es wohl nicht. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) sagte im RBB, wer sich selbst ins Spiel bringe, disqualifiziere sich. Oft wird auch Thomas Weyer genannt, Technikchef des Münchner Flughafens, bis 2008 in gleicher Funktion in Berlin. Weyer hat bislang zumindest nicht Nein gesagt. Mit ihm habe niemand gesprochen, lässt der Manager ausrichten, und Spekulationen kommentiere er nicht.

Denkbar ist auch eine interne Lösung. Müller hält viel von Jörg Marks, den Mehdorn im Sommer von Siemens als Technikchef auf die Baustelle holte – und der mit einer schonungslosen Bestandsaufnahme gleich auch Mehdorn alt aussehen ließ. Marks überzeugte den Aufsichtsrat zudem mit der jetzt festgelegten Terminplanung.

Wer leitet künftig den Aufsichtsrat?

Unklar. Brandenburg hat seine Minister abgezogen, damit dort mehr Fachverstand einzieht. Der frühere Daimler- und Rolls-Royce-Manager Axel Arendt rückte nach und könnte es werden. Es ist aber offen, ob Berlin seine Abgesandten nach dem Abgang des Regierungschefs Klaus Wowereit (SPD) schon fertig sortiert hat oder selbst noch einen Kanditaten präsentiert. Der Bund hat den Vorsitz stets abgelehnt.

Wieviel kostet der Flughafen die Steuerzahler schlussendlich?

Aufsichtsratsvize Rainer Bretschneider hat erklärt, dass die jüngste Kostengrenze von 5,4 Milliarden Euro fällt. Der Rahmen soll auf 6,5 Milliarden Euro erweitert werden, auch um für eine Ausbau vorbereitet zu sein. Nur knapp die Hälfte davon entfällt bisher nicht auf die Steuerzahler: Eine halbe Milliarde Euro zahlt der Flughafen selbst, weitere 2,4 Milliarden Euro hat er als Kredite aufgenommen. Möglich, dass der Kreditanteil noch steigt. Jedoch bürgen Bund und Länder.

Was macht eigentlich Mehdorn nach Ende seiner Dienstzeit?

«Ich bin ja kein ganz junges Semester mehr und irgendwann muss man mal aufhören», sagte Mehdorn am Tag seiner Rücktrittsankündigung – ein ungewöhnlicher Satz. Vorher hatte er immer betont, nicht der Typ zu sein, der gern zu Hause auf dem Sofa sitze. Mehdorn ist umtriebig und hat wertvolle Kontakte. Es ist denkbar vorstellbar, dass er eine Berater- oder Aufsichtsratstätigkeit annimmt, sobald ihn jemand fragt. Wie nach seinem erzwungenen Rücktritt als Bahnchef, als der gelernte Luftfahrtingenieur in den Air-Berlin-Verwaltungsrat ging. (dpa)