08.10.2015 Paris – Manager, die im Laufschritt und mit zerfetzten Hemden die Flucht vor ihren Mitarbeitern ergreifen: Diese Bilder haben die Krise bei der französischen Fluggesellschaft Air France ins internationale Rampenlicht katapultiert. Die Profite bleiben schon seit Jahren aus, und ebenso lange ringen Management und Mitarbeiter um den richtigen Weg zurück in die Profitzone. Nun […]

08.10.2015

Paris – Manager, die im Laufschritt und mit zerfetzten Hemden die Flucht vor ihren Mitarbeitern ergreifen: Diese Bilder haben die Krise bei der französischen Fluggesellschaft Air France ins internationale Rampenlicht katapultiert. Die Profite bleiben schon seit Jahren aus, und ebenso lange ringen Management und Mitarbeiter um den richtigen Weg zurück in die Profitzone. Nun aber ist das Schicksal des Lufthansa-Konkurrenten auch zu einem Testfall für das französische Sozialmodell geworden. Bis hoch zu Staatschef François Hollande fürchten Politiker um die Außenwirkung für den Wirtschaftsstandort Frankreich.

Unter den Mitarbeitern und Gewerkschaften grollt es schon lange: Air France ist seit Jahren im Sparmodus, tausende Jobs sind schon weggefallen. «Seit 2007 haben wir keine Gehaltserhöhung bekommen, und wir machen 20 Prozent mehr Produktivität», erzählte ein Kabinenchef dem Sender BFMTV. «Die Leute können nichts mehr geben», sagte ein Gewerkschafter.

Die Anstrengungen haben zwar Fortschritte gebracht, aber noch nicht den entscheidenden Durchbruch. Der Mutterkonzern Air France-KLM arbeitet sich an einem gewaltigen Schuldenberg von zuletzt 4,55 Milliarden Euro ab. In die roten Zahlen (minus 638 Millionen Euro im ersten Halbjahr) trudelte die Gesellschaft infolge der Finanzkrise, doch ein Teil der Probleme ist hausgemacht.

Wie ihr größerer Konkurrent Lufthansa hat auch die Air France die Konkurrenz der Billiganbieter zunächst unterschätzt In beiden Konzernen wird heftig mit den mächtigen Gewerkschaften um die Gründung eigener Billigflieger gerungen. Die Golf-Airlines setzen den ehemaligen Staatskonzernen zudem im höherpreisigen Langstreckengeschäft vor allem nach Asien zu.

Bei Air France sind die Kosten laut Einschätzung von Experten nach wie vor etwa 25 Prozent höher als bei anderen europäischen Anbietern – wobei die Zeitung «Libération» darauf hinwies, dass dies weniger an höheren Gehältern als an den französischen Sozialabgaben liege. Es gelinge Air France nicht, vom anhaltenden Wachstum des Luftverkehrs zu profitieren, resümierte der Pariser Wirtschaftsprofessor Olivier Pastré. «Wir stehen einer furchtbaren Konkurrenz gegenüber», sagte Konzernchef Alexandre de Juniac. «Wir sind heute nicht wettbewerbsfähig genug.»

Deshalb wollte die Konzernspitze eine neue Vereinbarung, um die Mitarbeiter bei gleichem Gehalt mehr arbeiten zu lassen. Doch die Piloten, die das Unternehmen schon im vergangenen Jahr mit einem fast zweiwöchigen Streik lahmgelegt hatten, zogen nicht mit – daraufhin brachte das Management seinen «Plan B» mit Einschnitten auf der Langstrecke und 2900 weiteren Stellenstreichungen aufs Tablett. Bei der Vorstellung dieses harten Sparprogramms kam es am Montag zu den spektakulären Übergriffen auf Personalchef Xavier Broseta.

Radikale Aktionen sind im französischen Arbeitskampf keine Seltenheit. Doch diesmal fallen die Verurteilungen der Politik überraschend klar aus, Premierminister Manuel Valls bezeichnete die Täter als «Schurken». «Man kommt nicht in solche Situationen, ohne dass das Management auch eine Verantwortung trägt», mahnte allerdings der Wissenschaftler und Gewerkschaftsexperte Jean-Marie Pernot in der Zeitung «Les Échos».

Nach dem Eklat am Montag erklärten Management und Pilotenvertreter ihre Gesprächsbereitschaft. Ob das allerdings einen Ausweg aus der Sackgasse bringt, ist unklar – und erst einmal steht der Plan der Chefs, im Langstreckennetz den Rotstift anzusetzen und das Angebot um etwa zehn Prozent zu reduzieren. Auf solche Einschnitte hat die ertragsstärkere Lufthansa bislang verzichtet.

Ein Wunsch der Gewerkschaften dürfte sich jedenfalls wohl nicht erfüllen: Der Ruf nach Einmischung des Staates, der weiter Aktionär bei Air France-KLM ist, stieß bislang auf verschlossene Ohren. Premier Valls sprach dem Management ausdrücklich seine Unterstützung aus und rief dazu auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren: «Die Herausforderung ist das Überleben von Air France.» (dpa)