14.09.2014 Den Strategien der nationalen Fluggesellschaft der Mongolei werden durch infrastrukturelle Probleme an ihrem Heimatflughafen, dem Ulaanbaatar International Airport, immer wieder Grenzen gesetzt. Doch schon jetzt plant MIAT Mongolian Airlines ihre Zukunft an einem neuen asiatischen Hub. Der Anflug auf Ulaanbaatar, Hauptstadt und gleichzeitig Sitz des einzigen internationalen Flughafens der Mongolei, führt über grüne Hügel […]

14.09.2014

Den Strategien der nationalen Fluggesellschaft der Mongolei werden durch infrastrukturelle Probleme an ihrem Heimatflughafen, dem Ulaanbaatar International Airport, immer wieder Grenzen gesetzt. Doch schon jetzt plant MIAT Mongolian Airlines ihre Zukunft an einem neuen asiatischen Hub.

Der Anflug auf Ulaanbaatar, Hauptstadt und gleichzeitig Sitz des einzigen internationalen Flughafens der Mongolei, führt über grüne Hügel und Täler. Auf den Bergkuppen erheben sich kleine Wäldchen und kahle Felsen, vereinzelt spicken weiße, kreisrunde Einsprengsel das schier endlose Hellgrün der Steppe: Jurten, Behausungen von Nomaden, die den Winter in den etwas windgeschützteren Bergen verbringen und für den Sommer in die niedriger gelegenen Teile des Graslandes ziehen. Oder ganz in die Hauptstadt drängen und ihre Jurte erst einmal am Stadtrand von Ulaanbaatar aufstellen, bevor sie sich ein eigenes Häuschen bauen, wie so viele andere vor ihnen. Ein fröhlich-buntes Meer aus grünen, roten und blauen Dächern erstreckt sich um Ulaanbaatar und seinen Airport, schmiegt sich an die Hügel, folgt ihren Windungen und Hängen. Rund 1,2 Millionen Menschen sollen in der Stadt leben, mehr als ein Drittel der Gesamtbevölkerung des Landes, dessen Fläche viermal größer ist als die Deutschlands.

Drei Millionen Einwohner zählt die Mongolei, davon rund eine halbe Million, die noch als Nomaden leben – und mithin wohl eher unregelmäßig und selten auf das Transportmittel Flugzeug zurückgreifen dürften. Macht zweieinhalb Millionen mögliche Passagiere, von denen wiederum nach Abzug der Armen, Alten und Minderjährigen deutlich weniger als die Hälfte potenzielle Fluggäste wären. Ein kleiner Markt für eine Fluggesellschaft, ganz zu schweigen für mehrere. Und doch ist Fliegen in einem Land wie der Mongolei unerlässlich. Riesige Entfernungen und schlechte Bodeninfrastruktur machen das Flugzeug hier überlebenswichtig, zumal Gold-, Kupfer- und Kohlevorkommen nicht nur kommenden Generationen einen gewissen Wohlstand versprechen, sondern im Hier und Jetzt regelmäßige Flugverbindungen erfordern. Ein Zwiespalt: Einerseits ist der Markt zu klein für mehr als eine Handvoll Airlines; andererseits gibt es Strecken wie die zwischen Dalandsadgad und Ulaanbaatar, die von zwei Regionalfluggesellschaften allein nicht gestemmt werden können.

Die Koexistenz beider Transportmittel – Pferd und Flugzeug – spiegelt zwei Seiten der Mongolei: Tradition und Moderne

Die Koexistenz beider Transportmittel – Pferd und Flugzeug – spiegelt zwei Seiten der Mongolei: Tradition und Moderne. Bild: Dietmar Plath

 

Ein Zwiespalt auch für MIAT Mongolian Airlines. Diese hatte sich eigentlich vor Jahren aus dem Inlandsgeschäft zurückgezogen. Konkurrenz in Gestalt von Hunnu Air, Aero Mongolia und Eznis Airways haben ihr im Binnenmarkt Verluste beschert. Zumal Eznis mit einer Minengesellschaft in Dalandsadgad ein Abkommen geschlossen hatte, um deren Mitarbeiterschar zu befördern. Doch 2014 stellte Eznis den Flugbetrieb ein, und – wenn auch nur vorübergehend – sprang MIAT in die Bresche, um den Passagierfluss ab Dalandsadgad weiterhin zu gewährleisten.

Generell sieht MIATs CEO und President Gungaa Jargalsaikhan die Zukunft seiner Airline aber nach wie vor auf internationalem Parkett. Man habe als Nationalcarrier ohnehin einen anderen Status als Fluggesellschaft, und ein Einstieg in den hart umkämpften Inlandsmarkt hänge nun mal von der – in der Mongolei naturgemäß nicht so starken – Nachfrage ab.

 

Hemmnis Hunnu Air

Mit Wettbewerb aus heimischen Gefilden sieht sich MIAT auch im internationalen Geschäft konfrontiert. Seit kurzem hat sich Hunnu Air in den überregionalen Verkehr gemischt und MIAT auf der Hongkong-Strecke knapp die Hälfte der Marktanteile abgenommen. Zum anderen, und das wiegt noch schwerer, konkurriert die Staatsfluglinie in ihrem eigentlichen Segment immer mit den deutlich größeren, internationalen Fluggesellschaften wie Turkish Airlines und Aeroflot gen Europa sowie mit Korean Air und Air China Richtung Osten. Die Megacarrier bieten über ihre großen Drehkreuze Istanbul, Moskau, Seoul oder Beijing Verbindungen in alle Welt, und da kann MIAT beim besten Willen nicht mithalten. Allein schon ihr Heimatflughafen, der Dschingis Khan International Airport, ist veraltet, zu klein und aufgrund seiner Lage in einem Seitental eine wetteranfällige Einbahnstraße. Die einzige Start- und Landebahn 14/32 kann aufgrund der das Tal im Süden abriegelnden Hügelkette nur aus beziehungsweise in Richtung Norden bedient werden. Bei starken und widrigen Winden kann es daher zu Verspätungen kommen, schlimmstenfalls muss der Airport zeitweise geschlossen werden. Hier könne man übrigens den Klimawandel hautnah erleben, so Jargalsaikhan. Herrschten diese meteorologischen Besonderheiten früher nämlich vor allem im März und April vor, so habe sich das unliebsame Wettergeschehen inzwischen auf Mai und Juni verlagert. Und das ist besonders ärgerlich, weil just im Mai die eigentliche Saison für MIAT beginnt, in der die Flugfrequenzen im Gegensatz zu den Wintermonaten quasi verdoppelt werden können.

Dieser Wettbewerbsnachteil wird aber bald keine Rolle mehr spielen, denn Anfang 2017 soll NUBIA, der New Ulaanbaatar International Airport, knapp 60 Kilometer südlich der Hauptstadt eröffnet werden. Ausgelegt auf drei Millionen jährliche Fluggäste – bei Bedarf können die Kapazitäten auf zwölf Millionen Passagiere erweitert werden – und versehen mit zwei Start- und Landebahnen, bietet der neue Lufthafen seiner Heimatfluggesellschaft genug Raum zur weiteren Expansion.

Zukunftsvision.jpg: 2017 soll der neue Flughafen von Ulaanbaatar eröffnet werden.

2017 soll der neue Flughafen von Ulaanbaatar eröffnet werden. Bild: NUBIA

 

Ein asiatischer Hub solle NUBIA werden, andere Fluggesellschaften anziehen und das Passagieraufkommen beflügeln; Wachstum generieren, nicht nur für MIAT, sondern für die gesamte mongolische Wirtschaft. Der neue Flughafen, begeistert sich Jargalsaikhan, werde ein neues Kapitel für seine Airline einläuten.

An der neuen Ära wird schon heute gearbeitet. In Zusammenarbeit mit der Mongolian Civil Aviation Authority und dem Flughafen-Management wird in ULN, so der IATA-Code des alten internationalen Airports, eine Transithalle für 70 bis 80 Passagiere gebaut. Nicht schnell genug, wie Jargalsaikhan findet, aber zum Jahresende sollen die Räumlichkeiten einsatzbereit sein. Notgedrungen bedient MIAT bislang ausschließlich Punkt-zu-Punkt-Verbindungen ab Ulaanbaatar – nach Berlin, Frankfurt und Moskau in Europa, sowie nach Beijing, Seoul, Tokio und Hongkong in Asien. Umsteiger hat sie so gut wie keine, aber das könnte sich während des Winterflugplans dann ja ändern. Immerhin gibt es etliche Passagiere, die aufgrund bestehender Codeshare-Abkommen mit Aeroflot und Korean Air gewonnen und von beziehungsweise zu deren Hubs durchgebucht werden. Und ab August wird MIAT ein lange vorbereitetes Codesharing mit Cathay Pacific umsetzen können, das weiteres Geschäft generieren soll.

Die enge Zusammenarbeit mit den Großen in der Branche ist Teil der Strategie, die die jahrelang defizitäre Staatslinie wirklich wettbewerbsfähig machen soll. 1993, dem Jahr ihres Neustarts als eigenständige Fluggesellschaft, trat MIAT der IATA bei. Seit 2007 absolviert sie alle zwei Jahre ein makelloses IOSA-Audit, und 2013 wurde sie für ihr Serviceprodukt erstmals von Skytrax mit drei Sternen ausgezeichnet.

Geholfen hat dabei mit Sicherheit die funkelnagelneue 767-300ER, die MIAT im Mai vergangenen Jahres von Boeing übernommen hatte. Die mit Business- und Economy-Class konfigurierte Kabine ist mit modernen Sitzen samt individuellen Bildschirmen sowie Strom-Anschlüssen ausgestattet. Zwar sind die Sessel in der Premiumklasse nicht in die Horizontale, aber immerhin auf eine ebene Liegefläche auszufahren. Und erst in diesem Mai hat die Fluggesellschaft ihre dritte 737-800 erhalten. Vor allem die Innenleben der beiden jüngsten Flottenzugänge bieten den Passagieren ein internationales Niveau. 2016 übrigens sollen weitere 737 bestellt werden, allerdings dann wohl Exemplare der MAX-Familie, die die älteren -800 ersetzen; eine Flottenvergrößerung ist hier nicht geplant. Anders ist das bei der Langstreckenflotte. Laut Jargalsaikhan sieht die Planung um 2020 die Bestellung einer Boeing 787 vor, um die beiden 767-300 zu ergänzen und nur bei ungünstigster wirtschaftlicher Lage zu ersetzen.

Die Boeing 767-300ER ist MIATs Paradepferd

Die Boeing 767-300ER ist MIATs Paradepferd. Bild: Dietmar Plath

 

Um das unterschiedlich starke Aufkommen zwischen Winter- und Hauptsaison aufzufangen, hat MIAT überdies im vergangenen September ihre 767-300 an Biman Bangladesh im Wetlease, also inklusive Besatzungen, vermietet. An einem ähnlichen Abkommen wird auch für die kommende Niedrigsaison gearbeitet.

Fast alle Ziele werden in der dunklen Jahreszeit weniger frequent bedient. Bestes Beispiel ist Deutschland: Im Winter fliegt MIAT zweimal, im Sommer viermal wöchentlich über Moskau nach Berlin. Wobei die Destination Berlin in diesem Sommer erstmals Federn lassen muss, denn zwischen Juni und September geht es statt der zusätzlichen Flüge nach Tegel zweimal pro Woche nonstop nach Frankfurt. Eine Art Versuchsballon, denn am liebsten würde Jargalsaikhan ganz nach Frankfurt mit seiner funktionierenden Infrastruktur und den weltweiten Anschlüssen wechseln. Doch Berlin, ebenso wie Hessen Wohnsitz von Exil-Mongolen, ist Wunschziel und Teil der Strategie der mongolischen Regierung. Aus politischer Sicht wichtig, aus Airline-Sicht nicht unbedingt empfehlenswert, so Jargalsaikhan, der hofft, das Thema Berlin in zwei bis drei Jahren ad acta gelegt zu haben und ganz nach Frankfurt umgezogen zu sein. Vermutlich aus politischen Gründen wägt MIATs Marketing-Abteilung auch weiterhin die Vor- und Nachteile des künftigen Hubs BER ab, doch die derzeitige Planung sieht vor, Berlin langfristig zu verlassen.

Mit ihren Boeing 737-800 fliegt MIAT unter anderem täglich nach Beijing, China.

Mit ihren Boeing 737-800 fliegt MIAT unter anderem täglich nach Beijing, China. Bild: Dietmar Plath

 

Ein weiteres Wunschziel von MIAT ist Singapur, das ab Oktober über Beijing neu bedient wird. Beijing ist nach Seoul das wichtigste Ziel der Mongolen; zwölf wöchentliche Frequenzen mit 737 im Sommer, sieben im Winter stehen im Flugplan. Seoul dagegen wird gar mit 767 bedient, wobei die täglichen Flugpaare nun auf neun pro Woche aufgestockt werden sollen. Die Mongolei ist ein asiatisches Land mit russischem Flair, und Asien allein schon aufgrund der dort im Ausland lebenden mongolischen Staatsbürger MIATs wichtigster Markt.

Insofern scheint der Staatscarrier nach Jahren der Misswirtschaft und Korruption auf einem gutem Weg zu sein – zumal einige Strecken endlich profitabel seien, wie Airline-Chef Jargalsaikhan versichert.

Brigitte Rothfischer

 

 

Mit Optimismus in die Zukunft. Interview mit Gungaa Jargalsaikhan, CEO und President von MIAT.

Gungaa Jargalsaikhan, CEO und President von MIAT Mongolian Airlines

Gungaa Jargalsaikhan, CEO und President von MIAT Mongolian Airlines. Bild: MIAT

 

AERO: Sie haben MIAT in den letzten Jahren restrukturiert. Was haben Sie gemacht?

Jargalsaikhan: Wie alle Airlines wollen auch wir unseren Umsatz steigern und die Kosten reduzieren, und hohe Sicherheitsstandards und guter Service sind das Hauptziel unserer Fluggesellschaft. Dafür arbeiten wir.  Wir haben im Mai 2013 eine neue 767-300ER von Boeing übernommen sowie im Mai dieses Jahres eine neue 737-800 geleast. Beide Flugzeuge sind auf MIAT abgestimmt, womit wir unseren Passagieren guten Service und Komfort bieten können.

AERO: Gibt es in der Mongolei überhaupt Platz für zwei oder mehr internationale Airlines?

Jargalsaikhan: In ein bis zwei Jahren wird dieser Markt eigentlich nur noch Platz für eine Airline bieten. Es ist völlig ausreichend, dass nur eine Fluggesellschaft beispielsweise nach Tokio fliegt, wenn gleichzeitig auch eine Air China oder eine JAL von dort in die Mongolei fliegt. MIAT fliegt jetzt seit zwölf Jahren nach Tokio, aber erst seit diesem Jahr generiert diese Strecke wirklich Profit. Im letzten Jahr war das Ergebnis gerade einmal ausgeglichen, aber wir hatten immer noch nichts auf dieser Strecke verdient – erst jetzt!

Für die Mongolei ist eine internationale Airline also völlig ausreichend. Ein gutes Beispiel dafür ist der Einstieg von Hunnu Air auf der Hongkong-Route. Hunnu hat da jetzt etwa 60, MIAT 80 Passagiere. Dieser Marktanteil ist damit weder für Hunnu Air noch für uns gut. Früher war die Hongkong-Route für uns besser, aber mit der neuen Konkurrenz ist es hart. Aber wir erwarten auf dieser Strecke künftig ein höheres Aufkommen und größeren Passagierfluss. Insofern sind wir auch recht optimistisch, was die Zukunft angeht.