28.06.2014 American Airlines und US Airways fusionieren zur größten Fluggesellschaft der Welt – zur neuen American Airlines. Der Gigant am Himmel, Arbeitgeber von rund 120.000 Menschen, bietet etwa 6750 tägliche Flüge zu 340 Zielen in 57 Ländern an. Die Letzten werden die Ersten sein. Dass man diesen geflügelten Spruch aktuell sogar auf die US-amerikanische Airlinebranche […]

28.06.2014

American Airlines und US Airways fusionieren zur größten Fluggesellschaft der Welt – zur neuen American Airlines. Der Gigant am Himmel, Arbeitgeber von rund 120.000 Menschen, bietet etwa 6750 tägliche Flüge zu 340 Zielen in 57 Ländern an.

Die Letzten werden die Ersten sein. Dass man diesen geflügelten Spruch aktuell sogar auf die US-amerikanische Airlinebranche anwenden kann, beweisen derzeit American Airlines und US Airways. Nachdem sich Delta Air Lines und Northwest bereits 2008 sowie United Airlines und Continental 2010 zusammengeschlossen hatten, fusionieren jetzt auch die Nummer vier und die Nummer neun der Welt (laut der IATA, gemessen nach der Anzahl der Passagiere 2012) zur größten Fluggesellschaft dieses Globus‘ – zur neuen American Airlines.

Somit wird der Name US Airways bald Geschichte sein; und darüber hinaus dürfte damit ein vorläufiger Schlusspunkt hinter die Konsolidierungswelle unter den Netzwerkcarriern in Nordamerika gesetzt worden sein, die im vergangenen Jahrzehnt aufgrund der Nachwirkungen der Terroranschläge vom 11. September 2001 sowie der nachfolgenden allgemeinen Finanz- und Wirtschaftskrise doch heftige Turbulenzen zu durchfliegen hatten. Insgesamt häuften sie Milliardenverluste an, was letztlich zu dieser umfassenden Marktbereinigung führte.

Nun sind also, rechnet man noch die nahezu allgegenwärtige Southwest dazu, vier „Big Player“ in den USA übrig geblieben, die insgesamt mehr als 80 Prozent des US-amerikanischen Luftverkehrsmarkts beherrschen – mit der neuen American Airlines an der Spitze. Weshalb die US-amerikanischen Behörden den seinerzeit mit 17 Milliarden US-Dollar bewerteten Deal im Vorfeld auch nicht so ohne Weiteres durchwinken konnten. Im Februar 2013, bezeichnenderweise am Valentinstag, angekündigt, ließ die kartellrechtliche Freigabe bis Dezember vergangenen Jahres auf sich warten. Zuvor hatte sich unter anderem das US-Justizministerium quergestellt. Dieses sah den Wettbewerb bedroht und fürchtete steigende Flugpreise.

Harte Verhandlungen folgten, bis endlich ein Kompromiss gefunden werden konnte: Beide Protagonisten mussten Dutzende von Slots und sogar ganze Flugsteige an unterschiedlichen US-amerikanischen Flughäfen an Billigflieger verkaufen – beispielsweise allein 134 Start- und Landerechte am Reagan National Airport von Washington und 34 Slots am New Yorker Flughafen La Guardia. Nutznießer sind unter anderem Southwest und Virgin America.

Nun ist jedoch alles in trockenen Tüchern, und die Arbeit kann beginnen. Dass es Arbeit sein wird, aus zwei Carriern – zwei operationellen Betrieben, zwei Administrationen, unterschiedlichen Bonusprogrammen und Reservierungsystemen sowie letztlich zwei Unternehmensphilosophien – einen zu machen, ist gewiss. Nicht umsonst gab der neue American-CEO Doug Parker, zuvor US-Airways-Chef und Initiator des Deals, dafür eine angepeilte Laufzeit bis Mitte beziehungsweise gar Ende 2015 vor.

 

DIE NEUE AMERICAN AIRLINES

„Die Euphorie unter den Beschäftigten ist groß, die große Mehrheit bei American Airlines blickt wieder zuversichtlich in die Zukunft“, berichtet John Boettcher, Managing Director der American Airlines. Zumal die Mitarbeiter einen harten Restrukturierungskurs in den vergangenen zwei Jahren mittragen mussten. Doch auch die Erwartungen an den neuen Giganten der Luftfahrt sind immens. Zu Recht, hat er doch für 2013 einen kombinierten Nettogewinn in Höhe von 1,9 Milliarden US-Dollar vor Sonderbelastungen mitteilen können. Allein in den ersten drei Monaten nach Bekanntwerden des kartellrechtlichen Okays applaudierte die Börse, der Aktienkurs der American Airlines Group stieg um mehr als 50 Prozent. Zumal die Branche sicher ist, dass die beiden traditionsreichen Carrier hervorragend zusammenpassen. American bekommt dank US Airways Zugang zur bislang von ihr eher vernachlässigten Ostküste der USA, US Airways wiederum kann endlich aus ihrer Nischenposition heraus wachsen. „Wir nehmen das Beste beider Fluggesellschaften und verschmelzen es zu einem starken Wettbewerber“, verspricht Parker.

Die neue Nummer eins der Welt, deren Herz in Fort Worth, Texas, schlägt, überzeugt qua ihrer Größe naturgemäß mit beeindruckenden Leistungsdaten – auch wenn vorerst mit zwei Betriebslizenzen (Air Operator Certificate, kurz AOC genannt) weitergeflogen wird, das allerdings seit Januar im gegenseitigen Codeshare. Die kombinierte Flotte umfasst rund 970 Flugzeuge, wenn man die der Regionaltöchter und -partner mit all den CRJ200/-700/-900, ERJ 135/-140/-145, Embraer 170 und 175, ATR 72 und Dash 8-100/-300 einmal außen vor lässt. 

Doch hier ist das letzte Wort noch längst nicht gesprochen: Die Orderlisten bei den Herstellern Airbus, Boeing, Bombardier und Embraer sind lang. Die Einflottung der ersten von insgesamt 42 bestellten Boeing 787 wird Ende dieses Jahres erwartet. Zehn Triple Seven kommen im Laufe der nächsten Monate hinzu. Zusätzlich werden noch 80 fabrikneue Boeing 737-800 respektive 110 Airbusse der A320-Familie erwartet, außerdem 100 Boeing 737 MAX und 120 A320neo. Und die Regionalfluggesellschaften dürfen sich schon heute auf 30 neue CRJ900 beziehungsweise 60 Embraer 175 freuen. Eine entsprechende Bestellung wurde im vergangenen Dezember unterzeichnet.

Die künftig zum Unternehmen stoßenden Flugzeuge werden bei der Auslieferung jene neuen Farben tragen, die American Airlines bereits seit Januar 2013 sukzessive in ihrer Flotte einführt. Das völlig neue Erscheinungsbild nach 45-jähriger Kontinuität ist eine kleine Revolution. Die beiden dominanten „A“s auf der Heckflosse verschwanden. Dort sind nun rote und blaue Querstreifen zu finden.

Am 30. Januar startete übrigens der erste US-Airways-Airbus, eine A319, in neuer AA-Bemalung in Charlotte zu einem Flug nach New York. Insgesamt warten rund 640 Flugzeuge der kombinierten Flotte darauf, die neue Bemalung zu erhalten. Bereits Ende des zweiten Quartals dieses Jahres sollen mehr als 275 Flugzeuge der beiden Airlines sowie ihrer Regionaltöchter und -partner umlackiert sein. Abgeschlossen werden kann das Programm allerdings wohl erst in einigen Jahren.

 

ERSTE SCHRITTE EINGELEITET 

Nach derzeitigem Stand weist der Flugplan der neuen American Airlines bis zu 6750 Flüge zu 340 Destinationen in 57 Ländern täglich aus. Drehkreuze werden in Charlotte, Chicago, Dallas/Fort Worth, Los Angeles, Miami, New York, Philadelphia, Phoenix und Washington DC betrieben. Zumindest in den kommenden drei Jahren, so sieht es die getroffene Vereinbarung mit dem Justizministerium vor.

„Derzeit arbeiten wir daran, an allen Flughäfen weltweit die Operation zueinanderzurücken“, berichtet Boettcher. Bislang waren die Abfertigungen aufgrund der unterschiedlichen Allianzzugehörigkeiten nicht selten in unterschiedlichen Terminals untergebracht. Das gilt es nun zu harmonisieren, zumal die US Airways Ende März aus der Star Allianz aus- und umgehend in die Oneworld eingetreten ist.

Doch wie das harmonisierte Streckennetz, insbesondere das inneramerikanische, mittel- oder gar langfristig aussehen wird, ist ungewiss. „Grundsätzlich ist es unser Plan, den Status Quo mindestens zu halten“, versichert Boettcher. Doch Anpassungen werden nötig, müssen sogar erlaubt sein. Schon jetzt dünnt American Airlines doppelt beflogene Verbindungen zwischen den Hubs aus, indem sie durch der Einsatz größerer Flugzeuge die Zahl der Frequenzen schrumpfen lässt. Allerdings: „Mit den Flugzeugbestellungen und -einflottungen werden wir natürlich die Flexibilität erhalten, entweder alte Flugzeuge zu ersetzen oder aber zusätzlich neue Verbindungen aufzunehmen“, so Boettcher.

Am lukrativen internationalen, insbesondere dem transatlantischen Markt wird das Unternehmen mit Sicherheit festhalten. Vor allem zwischen den USA und London, speziell New York und London Heathrow, ist American Airlines gemeinsam mit ihrem Partner British Airways Marktführer. Und dank des hohen Geschäftsreiseanteils lassen sich hier hervorragende Erlöse erzielen.  Großbritannien ist die europäische Nummer eins für American Airlines. Stark ist die Fluggesellschaft jedoch vor allem in Richtung Mittel- und Südamerika sowie in die Karibik. Sollte er Märkte mit großem Potenzial nennen, fällt Boettcher Asien, speziell China ein. Insgesamt sei international ein Ausbau des Geschäfts, insbesondere das Erschließen neuer Märkte, was mit der Einflottung der 787 möglich werde, denkbar.

„Für den deutschen Markt soll sich vorerst nichts ändern“, berichtet Oliver Simon, Regional Sales Manager Central & Eastern Europe. „Wir werden an den bestehenden drei Abflughäfen München, Frankfurt und Düsseldorf ebenso festhalten wie an den von dort aus bedienten Zielen Dallas/Fort Worth, Charlotte, Philadelphia und Chicago. Die Streckennetz-Planungen für 2015 folgen zu einem späteren Zeitpunkt.“ Zwar habe American grundsätzlich Interesse, auch Berlin anzufliegen, zumal es „unsere Firmenpolitik ist, in die Oneworld-Hubs zu fliegen. Doch Tegel hat derzeit einfach keine Kapazitäten zu den von uns benötigten Flugzeiten frei“. 

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Die aufgewertete Business Class an Bord der American Airlines. (Bild: American Airlines)

 

In großem Umfang überarbeitet American Airlines dagegen derzeit das Produkt. Vorrangig auf der Langstrecke, indem beispielsweise selbst die verbleibenden Boeing 767 eine Kabine erhalten, die jener in der Boeing 777-300 entspricht, aber auch national: Ein gutes Beispiel ist der momentan einzigartige Drei-Klassen-Service zwischen der Ost- und Westküste der USA. Zwischen New York (JFK) und Los Angeles beziehungsweise San Francisco kommen A321T (das T steht für „Transkontinental“) zum Einsatz, die in der First und Business Class über Lie-flat-Sitze verfügen. Insgesamt können bis zu 102 Fluggäste in diesen Airbussen reisen: zehn First-Class-Passagiere, 20 Business-Class-Reisende und 72 Economy-Gäste. Das Produkt ist, bislang zumindest, einzigartig und unschlagbar gut. Und eines Branchenführers absolut würdig.

Astrid Röben, AeroInternational