Windhuk, 12. Juni 2018 Mit Zelt und Geländewagen lässt sich Namibia auf eigene Faust erkunden. So kommen die Weite und Abgeschiedenheit des Landes im Südwesten Afrikas erst richtig zur Geltung. Ein Roadtrip zu bedrohten Großkatzen, ausgetrockneten Flüssen und frechen Pavianen. Die Entschleunigung beginnt schon beim Abholen des Mietwagens. Vertrag unterschreiben, schnell nach Dellen und Kratzern […]

Windhuk, 12. Juni 2018

Mit Zelt und Geländewagen lässt sich Namibia auf eigene Faust erkunden. So kommen die Weite und Abgeschiedenheit des Landes im Südwesten Afrikas erst richtig zur Geltung. Ein Roadtrip zu bedrohten Großkatzen, ausgetrockneten Flüssen und frechen Pavianen.

Die Entschleunigung beginnt schon beim Abholen des Mietwagens. Vertrag unterschreiben, schnell nach Dellen und Kratzern suchen und dann auf ins Abenteuer? Nichts da! Erst als nach gut zwei Stunden jedes der beiden Reserveräder einmal ein- und ausgebaut ist, dreht sich der Schlüssel im Zündschloss.

Es ist allerdings auch kein ganz gewöhnlicher Wagen, der sich nun auf die linke Seite der meist schnurgeraden Straße zwischen der Hauptstadt Windhuk und dem Norden des Landes schiebt. Denn auf dem Dach des Allrad-Gefährts steht ein Zelt. «Rooftop Tent» heißt diese ausklappbare Unterkunft in Namibia, aufbauen lässt sie sich – nach ausgiebiger Instruktion durch den Fachmann – innerhalb weniger Minuten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Mit dem Dachzelt lässt sich das Land relativ günstig auf eigene Faust erkunden, während die erhöhte Lage unerwünschte Gäste wie Schlangen und Skorpione aus dem Schlafdomizil fernhält.

Der erste Stopp, der so sicherlich in keiner vorab geplanten Reiseroute einkalkuliert gewesen wäre, folgt nach einer knappen Stunde. Kurz vor Okahandja, dem historischen Hauptort der Volksgruppe der Herero, halten ein paar kleine Jungs, kaum älter als zehn Jahre, riesige weiße Schirmpilze in die Höhe. Diese Omajova, deren Fleisch so fest wie Hühnchen ist und wie Schnitzel gebraten wird, wachsen nach starken Regenfällen auf Termitenhügeln und gelten als ausgesprochene Delikatesse. Da zur Camping-Ausrüstung des Dachzelt-Mobils auch eine Gasflasche und ein Kochset mit gusseiserner Pfanne gehören, ist die Frage nach dem Abendessen damit geklärt.

Vorher steht aber noch eine Pirsch durch den Busch an – Objekt der Begierde sind dabei nicht etwa Pilze, sondern Geparden. Sechs der Raubkatzen dürfen im privaten Okonjima Nature Reserve südlich von Otjiwarongo wieder ein naturnahes Leben führen. Einst wurden sie als Jungtiere gerettet, nachdem die Muttertiere auf Farmen getötet worden waren. Aufgezogen in der Pflegestation der AfriCat Foundation, die zum Reservat gehört, wurden die Geparden schließlich wieder in dessen 20 000 Hektar umfassende Wildnis entlassen. Sie jagen dort selbst, bedürfen aber täglicher Überwachung, erklärt Gästeführer Gert van Wyk. Denn auch wenn der Instinkt die Tiere wieder zum Jagen gebracht hat, so richtig gelernt haben sie es eben doch nie, und auch die Furcht vor natürlichen Feinden wie Leoparden ist nicht voll ausgebildet. Zudem sind sie an den Menschen noch immer gewöhnt, wenn auch nicht immer auf Besuch erpicht.

Dash, die elfjährige Geparden-Dame, die van Wyk und sein Tracker Nzwane Kanyeva inzwischen mittels Peilsender ausfindig gemacht haben, lässt das zumindest erahnen. Denn das Tier bewegt sich offensichtlich im gleichen Tempo wie seine mit Kameras gerüsteten Besucher. Letztere sind inzwischen vom offenen Safari-Jeep hinabgestiegen und nun zu Fuß in der Dornbuschlandschaft unterwegs. Flüsternd erzählt van Wyk dabei, das ausgerechnet jene Dash das erste Tier war, das auch schon einmal auf ihn losgegangen sei. «Die Tiere haben aber einen Fluchtinstinkt, weil sie ja vor größeren Raubkatzen wegrennen müssen. Also habe ich den Spieß umgedreht und bin auf sie los – zum Glück hat es funktioniert», erzählt er.

An jenem warmem Märznachmittag ist Dash allerdings zu weniger Nervenkitzel aufgelegt. Letztendlich lässt die Geparden-Dame sich doch noch vor einem Busch auf dem steinigen Boden nieder und wartet geduldig ab, bis die Besucher ihre Aufnahmen gemacht haben.

«Der ganze Traum war der Schutz von Raubtieren, und gäbe es den Tourismus nicht, wäre es nicht möglich, das zu bezahlen», sagt Tristan Boehme. Als AfriCat 1993 gegründet wurde, arbeitete er noch auf einer benachbarten Farm, die vor allem auf den Jagd-Tourismus ausgerichtet war. «Aber das war nicht mein Ding, also habe ich meine Tasche über den Zaun geworfen», erzählt der deutschstämmige Namibier mit einem Lachen.

Heute arbeiten 220 Angestellte in dem Reservat, Reisende können zwischen drei verschiedenen Lodges und dem Campingplatz wählen, auf dem jeder der vier Stellplätze seine eigene Freiluftdusche und Toilette hat.

Namibias bekanntester Nationalpark liegt etwa 250 Kilometer oder drei Autostunden nördlich von Okonjima: der Etosha-Nationalpark. Inzwischen auf über 22 000 Quadratkilometer ausgeweitet – und damit etwas größer als Hessen – ist der Nationalpark rund um die riesige Etosha-Salzpfanne heute nicht nur von elementarer Bedeutung für den Tierschutz, sondern auch der wichtigste Tourismusfaktor des Landes. Das hat spürbare Folgen: In den drei Haupt-Camps herrscht ein Trubel, der es mit einem mittelgroßen Ostsee-Zeltplatz zur Hochsaison aufnehmen kann. Und einen Löwen erkennt man in den Weiten des Parks am einfachsten an den fünf bis zehn Geländewagen, die bereits neben dem Tier stehen.

Wer Ruhe und Einsamkeit sucht, muss weiterfahren, am besten in den trockenen Westen des Landes. In der Region Damaraland führen nun nicht mehr Asphaltstraßen sondern nur noch Schotterpisten durch die weitgehend flache Landschaft. Und auch die Verkehrsschilder sind hier andere, sie warnen vor einem besonderen Wildwechsel: Wüstenelefanten. Weil der Regen in diesem Jahr noch nicht eingesetzt hat, winkt die Rezeptionistin im Madisa Camp aber gleich ab. Nein, die Elefanten seien schon lange nicht mehr hier entlanggezogen, erklärt die Frau, es sei schlicht zu trocken. Dem sandigen Flussbett, das einer langgezogenen Kiesgrube ähnelt, ist das auch deutlich anzusehen. Selbst feuchte Stellen gibt es schon lange keine mehr.

Doch der Regen ist nicht mehr weit. Über dem Namib-Naukluft-Park ziehen nur zwei Tage und einen Zwischenstopp in der Küstenstadt Swakopmund später die ersten dunklen Wolken über dem Dachzelt auf. Es ist ein surreales Bild in einer Region, in der Landzüge nicht ganz zu Unrecht Namen wie «Mondlandschaft» tragen. Abseits der trockenen Flussbetten, wo noch ein paar Bäume und Sträucher gedeihen, wächst fast nichts.

Die Campingplätze bestehen hier aus kaum mehr als einem Hinweis-Schild, Grillstand, Plumpsklo und einem Stück ebener Fläche. Andere Menschen sind in der Regel nicht anzutreffen. Auch einen Platzwart sucht man vergebens, die Gebühr wird vorab in einem Büro des Umweltministeriums entrichtet. In der Hitze der Wüste herrscht Stille, so sehr, dass der Kugelschreiber auf dem Papier zu hören ist. Namibia, das bedeutet auch, diese Leere und Einsamkeit als Luxus zu verstehen. Zeit spielt kaum noch eine Rolle, den Wecker übernimmt – immerhin mal ein Geräusch – ein Vogel, der beharrlich auf den Außenspiegel einhackt, den imaginären Kontrahenten aber nicht besiegen kann.

Nachts sind aus der Ferne die Rufe der Schakale zu hören, tagsüber trotten ausgemergelte Spießböcke und eine deplatziert wirkende Giraffe durch die Ebene. Den Tieren ist die lange Dürre anzusehen, doch die Rettung kommt. Ausgerechnet am Rande des Dünenmeers um den Sossusvlei und Deadvlei, Namibias zweitem großen Wahrzeichen neben dem Etosha-Nationalpark, wo verknöcherte Baumleichen inmitten riesiger roter Sandberge von längst vergangenem Leben zeugen, entladen sich schließlich die Wolken. Mit Macht prasselt der Regen auf das Zeltdach, vom Boden steigt frischer erdiger Duft auf. Ein paar Wochen noch, und das Gras wird wieder sprießen.

Wer so lange nicht warten kann, fährt wieder weiter. Letzte Station dieser Dachzelt-Rundreise sind nun die Naukluftberge, selbst auf der Straße kaum 100 Kilometer nordöstlich und doch eine andere Welt. Wanderrouten führen hier an fröhlich dahinplätschernden Bächen entlang zu natürlichen Pools. In den Tälern laben sich große Gruppen von Pavianen an den Früchten der Bäume und ziehen ihre Jungen auf. «Wenn sie etwas zu fressen sehen, werden sie alles versuchen, um es zu bekommen», hatte die Rezeptionistin noch vor den frechen Tieren gewarnt. Doch an die letzten Vorräte im eingebauten Kühlschrank des Wagens versuchen die Paviane dann doch nicht zu gelangen.

Info-Kasten: Namibia

Anreise: Air Namibia, Condor und Eurowings fliegen Windhuk aus Deutschland direkt an.

Reisezeit: Im Winter der Südhalbkugel kann es zwischen Mai und August vor allem nachts empfindlich kalt werden im Zelt. In der Regenzeit von Januar bis Mai sind manche Straßen schwer zu passieren, das Land ist aber ganzjährig zu bereisen.

Visa: Für EU-Bürger werden Touristenvisa in Namibia kostenlos bei der Ankunft erteilt.

Mietwagen: Geländewagen mit Dachzelt und Camping-Ausrüstung sind ab etwa 70 Euro pro Tag zu bekommen, ältere Modelle auch günstiger. Hinzu kommt das Versicherungspaket.

Unterkunft: Die Übernachtungspreise auf Campingplätzen schwanken zwischen acht und 30 Euro pro Person. In Nationalparks sollte vorab reserviert werden.

Geld: Landeswährung ist der Namibia-Dollar, Bargeld kann in allen größeren Ortschaften am Automaten abgehoben werden.

Gesundheit: Im Norden Namibias besteht Malaria-Gefahr, ansonsten müssen keine besonderen Vorkehrungen getroffen werden. Starker Sonnenschutz, Mückenspray und Feuchtigkeitscreme sind empfehlenswert.

Informationen: Namibia Tourism Board, Schillerstraße 42-44, 60313 Frankfurt (Tel.: 069/13 37 360, E-Mail: info@namibia-tourism.com, www.namibia-tourism.com).

Christian Selz, dpa