New York Nach den Pannen beim «Dreamliner» fragen sich viele: Wie konnte das Flugzeug überhaupt die Zulassung bekommen? Der Jet hat härteste Tests über sich ergehen lassen müssen. Der 9. November 2010 war ein Schockmoment für Boeing. Das «Dreamliner»-Testflugzeug mit der Kennung ZA002 musste notlanden. In einem Schaltkasten im hinteren Teil der Maschine war ein […]

New York

Nach den Pannen beim «Dreamliner» fragen sich viele: Wie konnte das Flugzeug überhaupt die Zulassung bekommen? Der Jet hat härteste Tests über sich ergehen lassen müssen.

Der 9. November 2010 war ein Schockmoment für Boeing. Das «Dreamliner»-Testflugzeug mit der Kennung ZA002 musste notlanden. In einem Schaltkasten im hinteren Teil der Maschine war ein Feuer ausgebrochen. Rauch drang in die Kabine ein und Teile der Elektronik fielen aus. Glück im Unglück: Die Ersatzsysteme sprangen an und die Piloten konnten den Flieger sicher landen. Die Testflüge wurden ausgesetzt, das Problem scheinbar behoben.

Ein knappes Jahr später bekam der «Dreamliner» die Zulassung von der US-amerikanischen und europäischen Flugaufsicht. Doch nun haben die Behörden den «Dreamliner» wieder aus dem Verkehr gezogen, weil gleich in zwei Fällen die neuartigen Batterien schmorten, die die Bordsysteme mit Strom versorgen. Die US-Flugaufsicht FAA überprüft den «Dreamliner» noch einmal auf Herz und Nieren.

Offenbar liegen Risiken in der komplexen Elektronik, die immer mehr Strom saugt. Die Luftfahrtaufseher sind bei der Zulassung in großen Teilen auf Daten der Hersteller angewiesen, die aber exakt die Bauvorschriften erfüllen müssten, wie Beobachter schildern. Ob die Behörden allerdings über die personellen Kapazitäten und das nötige Wissen verfügten, ein hochmodernes Flugzeug wie den «Dreamliner» bis ins kleinste Detail zu überprüfen, wird von ihnen bezweifelt.

Der ehemalige Vizechef der US-Sicherheitsbehörde NTSB, Robert Francis, sieht in der engen Zusammenarbeit zwischen Herstellern und Aufsehern im Grunde kein Problem. «Das ist das normale Verfahren, ein Flugzeug zuzulassen», erläuterte er im «Wall Street Journal». Rückblickend hätten sich die Beamten im Falle der Batterien im «Dreamliner» allerdings eingestehen müssen, dass sie noch zu wenig über die neue Technologie wüssten, sagt Francis. «Sie hätten die Sache anders anpacken sollen.»

Dabei hatte der «Dreamliner» ein Testprogramm absolviert, das härter kaum sein könnte: Rumpf und Flügel werden gestaucht und verbogen. Das Flugzeug muss in einem speziellen Hangar eine Bruthitze von bis zu 46 Grad Celsius aushalten genauso wie Eiseskälte von minus 43 Grad. Die sechs Testmaschinen steigen über Monate immer wieder auf, um Daten aus dem Flugbetrieb zu sammeln.

Bei vielen Tests sind die Luftfahrtaufseher dabei. Sie nehmen selbst die Zulieferer unter die Lupe wie die italienische Alenia Aeronautica, die das Höhenleitwerk liefert. Dessen Belastungstest verläuft zur vollsten Zufriedenheit, wie Boeing stolz verkündet. Sogar die Ausbildung der Piloten muss von der US-Behörde FAA abgenickt werden.

Die Elektronik erhält ebenfalls das Okay der Aufseher. Der «Dreamliner» läuft in noch viel stärkerem Maße als alle Vorgängertypen auf Strom. Wo einst Seilzüge oder Hydraulikleitungen lagen, hat jetzt der Computer das Sagen. Das soll Gewicht einsparen helfen und die Wartung erleichtern. Herzstücke der elektrischen Anlage sind zwei große Lithium-Ionen-Akkus. Eine Batterie sitzt unter dem Cockpit, eine zweite weiter hinten im Flieger. An beiden Stellen gab es nun die Schmorbrände.

Auch bei den Batterien haben sich die Luftfahrtaufseher von der FAA nach Informationen des «Wall Street Journal» auf die Daten und Einschätzungen von Boeing verlassen. «Die große Frage ist nun», sagte Kitty Higgins, ehemalige Mitarbeiterin der US-Sicherheitsbehörde NTSB, «ob die Zulassungsverfahren und Prozesse der FAA noch dort sind, wo sie in dieser neuen Welt sein müssten.»

Daniel Schnettler, dpa