Hannover Europas größter Luft- und Raumfahrtkonzern EADS setzt zum Höhenflug an. Über eine Mega-Fusion mit der britischen BAE Systems würde er weltweit das Militärgeschäft dominieren. Die neue EADS-Führung schwört die Belegschaft schon auf die neuen Perspektiven ein. Der neue EADS-Chef Tom Enders verliert keine Zeit. Gerade mal 100 Tage im Amt flirtet er bereits mit […]

Hannover

Europas größter Luft- und Raumfahrtkonzern EADS setzt zum Höhenflug an. Über eine Mega-Fusion mit der britischen BAE Systems würde er weltweit das Militärgeschäft dominieren. Die neue EADS-Führung schwört die Belegschaft schon auf die neuen Perspektiven ein.

Der neue EADS-Chef Tom Enders verliert keine Zeit. Gerade mal 100 Tage im Amt flirtet er bereits mit der britischen Konkurrenz. Sein Ziel: Durch eine Mega-Fusion mit der BAE Systems eine weltweit führende Rüstungsschmiede zu gründen. Beide Konzerne haben Verhandlungen über einen Zusammenschluss bestätigt, der als neuer europäischer Rüstungsgigant den US-Rivalen Boeing beim Umsatz weit abhängen würde. EADS würde 60 Prozent der Anteile erhalten, die französische, deutsche und britische Regierung bekämen jeweils Sonderaktien, um ihre Interessen im sensiblen Rüstungsbereich zu wahren. Offiziell werden bisher nur Gespräche bestätigt, intern dagegen die Mitarbeiter schon auf den Zusammenschluss vorbereitet.

In einem internen Schreiben, das der Nachrichtenagentur dpa vorliegt, begründet Enders die Verhandlungen als «einzigartige Chance». Er will die internationale Präsenz der Gruppe deutlich ausbauen und vor allem eine ausgewogenere Balance zwischen dem dominierenden zivilen Flugzeuggeschäft mit der Tochter Airbus und dem schwächelnden Verteidigungsgeschäft erreichen.

Doch ob der EADS-Chef die politischen Hürden in den drei Ländern Deutschland, Frankreich und Großbritannien nimmt, bezweifeln politische Beobachter. Auch die Börse reagierte skeptisch, EADS werde stärker von Märkten abhängig, die mit schrumpfenden Verteidigungsbudgets zu kämpfen haben, hieß es.

Denn der EADS-Erfolg ist bisher zu einem Großteil der guten Auftragslage bei der Flugzeugbau-Tochter Airbus geschuldet, während die übrigen Sparten eher schwach zum Gruppenumsatz beitragen. In einer bereits vom Enders-Vorgänger Louis Gallois eingeleiteten «Vision 2020»-Strategie soll diese Schieflage bis zum Jahr 2020 geändert werden. Eine Fusion mit den Briten, die bereits langjährige Kooperationspartner in diversen Projekten wie dem Eurofighter sind, wäre daher ein logischer Schritt, schreibt Enders: «Sowohl für die Mitarbeiter als auch für die Anteilseigner wären das sehr gute Neuigkeiten: Das zusammengeschlossene Unternehmen wäre erheblich robuster gegenüber Trend- und Nachfrageveränderungen in den internationalen Märkten.» Der Verwaltungsrat sei umfassend über die Gespräche informiert, eine mögliche Transaktion wird ihm vorgelegt zur Genehmigung, Arbeitnehmervertreter würden rechtzeitig informiert.

In seiner Funktion als scheidender Chef des deutschen Branchenverbands BDLI hatte Enders schon in der Vergangenheit wiederholt davor gewarnt, dass schrumpfende Rüstungsbudgets zum Verlust von deutschem Know-How im Militärtechnikbereich führen könnten. Auch die EADS-Tochter Cassidian leidet wie andere Rüstungs-Unternehmen unter Kürzungen in Europas Verteidigungsbudgets. Eine Konsolidierung der Rüstungs-Branche ist daher zu erwarten.

Die traditionell in den USA stark verankerten Briten wären zudem ein logischer Partner, erklärten Branchenanalysten. Vor der EADS-Gründung waren die Briten bereits in Verhandlungen mit dem deutschen Daimler-Konzern, der später seine Luft- und Raumfahrtaktivitäten in EADS eingebracht hatte.

EADS und BEA sind schon über gemeinsame Militärprojekte wie den Eurofighter oder das Raketengeschäft (MBDA) verbandelt. «Ein solcher Zusammenschluss würde zwei Partner vereinen, die bereits eine lange Geschichte der Zusammenarbeit miteinander verbindet – so arbeiten viele von Ihnen bereits tagtäglich mit BAE Systems-Kollegen zusammen», schrieb Enders den Mitarbeitern und betonte: «Gemeinsam würden wir ein weltweit führendes Unternehmen der Luft- und Raumfahrt sowie Verteidigungs- und Sicherheitsindustrie schaffen – mit leistungsstarken Produktions-, Technologie- und Serviceszentren in Frankreich, Deutschland, Spanien, Großbritannien, den USA und China.»

Erste Akzente hatte er bereits durch die Neuordnung der Führung beim Rüstungstochter Cassidian durch frühere Airbus-Manager gesetzt. Entscheidend sei, dass das Unternehmen sein Geschäft auf Bereiche konzentriere, «die dauerhaft umsatzstark und profitabel sind», hatte Enders die Richtung vorgegeben.

Der Deutsche, der dank seiner Bundeswehrkarriere den Spitznamen «Major Tom» trägt, war am 1. Juni als Nachfolger des Franzosen Louis Gallois ins Konzern-Cockpit gewechselt. Den Grund für die öffentliche Zurückhaltung ließ er ebenfalls durchblicken: «Da BAE Systems an der Börse in Großbritannien notiert ist, müssen wir strikt die rechtlichen Vorgaben des dortigen Übernahmegesetzes (UK Takeover Code) einhalten.» Die gesetzlichen Rahmenbedingungen seien äußerst streng.

Ralf E. Krüger, dpa