Paris/München Der Machtpoker um die zukünftige Aktionärsstruktur bei EADS ist entschieden. Um auf Augenhöhe mit Frankreich zu bleiben, wird Deutschland dritter staatlicher Großaktionär beim Luftfahrt- und Rüstungskonzern. Alle Beteiligten feiern sich als Sieger. Nationalstaatliche Interessen gegen wirtschaftliche Vernunft: In diesem schwierigen Spannungsfeld wurde in den vergangen Wochen um die zukünftige Staatsbeteiligung an Europas Luftfahrt- und […]

Paris/München

Der Machtpoker um die zukünftige Aktionärsstruktur bei EADS ist entschieden. Um auf Augenhöhe mit Frankreich zu bleiben, wird Deutschland dritter staatlicher Großaktionär beim Luftfahrt- und Rüstungskonzern. Alle Beteiligten feiern sich als Sieger.

Nationalstaatliche Interessen gegen wirtschaftliche Vernunft: In diesem schwierigen Spannungsfeld wurde in den vergangen Wochen um die zukünftige Staatsbeteiligung an Europas Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS verhandelt. Ob die am Mittwoch präsentierte Einigung ein guter Kompromiss ist, muss die Zukunft zeigen. Fest steht nur, dass vieles anders wird in dem Konzern mit rund 133 000 Mitarbeitern. EADS-Chef Tom Enders hofft am Ende eines turbulenten Jahres vor allem darauf, dass sein Konzern nun einfacher und normaler wird. Nagelproben dafür gibt es reichlich.

Alle Parteien feierten sich am Mittwoch als Sieger. Enders sprach von einem guten Tag für das Unternehmen, obwohl es künftig mit Deutschland einen dritten staatlichen Großaktionär geben wird und er als erbitterter Gegner staatlicher Anteilseigner gilt. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bezeichnete die Neuordnung als zukunftsweisend, nachdem zumindest ihr Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) für sinkenden Staatseinfluss plädiert hatte. Doch der Konzernlenker setzt große Hoffnungen in die neuen Vereinbarungen. «Ich bin überhaupt nicht nervös. Wir wissen genau, was wir für eine Vereinbarung unterzeichnet haben.»

Frankreichs Präsident François Hollande freute sich über ein Abkommen, dass den Schutz nationaler Interessen garantiert, obwohl er durch den Wegfall von Vetorechten de facto an Macht verliert. «Niemand kann ganz zufrieden sein», hieß es bereits kurz vor Veröffentlichung der Einigung aus Verhandlungskreisen. Dennoch ist Enders in Feierlaune. Auf die Frage, ob nach den Unterschriften Champagner floss, sagte der Ex-Soldat knapp und klar: «Ja».

Ganz freiwillig kam die komplizierte Neuordnung nicht. Der EADS-Konzern war im Jahr 2000 aus der Fusion der deutschen Daimler Aerospace AG (DASA), der französischen Aerospatiale Matra und der spanischen Casa entstanden. Im Zuge der Gründung hatten sich die beteiligten Parteien auf ein Gleichgewicht der Stimmrechte zwischen deutschen und französischen Anteilseignern geeinigt. Im Alltag hieß das: geteilte Standorte, eine gleichmäßige nationale Verteilung von Führungskräften, viel Rücksicht und komplizierte Entscheidungen.

Weil nun aber sowohl der deutsche Großaktionär Daimler als auch der französische Großaktionär Lagardère ihre Beteiligungen verkaufen wollen, musste schleunigst eine neue Lösung gefunden werden. Neben dem Flugzeughersteller Airbus ist EADS auch in der Rüstung aktiv, ein sensibles Feld, das die staatlichen Besitzer besonders umtreibt.

Der Einstieg des deutschen Staates ist dabei vor allem dem Misstrauen gegenüber den Franzosen geschuldet. Sie wären der mit Abstand größter Einzelaktionär geworden, wenn der deutsche Autokonzern Daimler seine Anteile verkauft hätte. «Aus nachvollziehbaren Gründen kommt deshalb ein einseitiger Verzicht Deutschlands nicht in Betracht. Ein solcher Schritt ginge zulasten unserer Interessen», betonte Rösler vor kurzem in einem Interview. Es gehe darum, «die Augenhöhe» mit den französischen Partnern sicherzustellen.

Was diese «Augenhöhe» bedeuten kann, hatte bereits im Frühjahr der Koordinator der Bundesregierung für die Luft- und Raumfahrt, Peter Hintze, deutlich gemacht. In einem Brief an Enders stellte er unmissverständlich klar, dass Berlin als künftiger Großaktionär strategische Standort- und Personalentscheidungen beeinflussen wolle. Der EADS-Chef sieht sich durch das neue Konzernführungsmodell allerdings besser gewappnet als je zuvor.

Sebastian Raabe und Ansgar Haase, dpa