Der „Dreamliner“ polarisiert

Hannover Bei Airbus steht der Erstflug seines neuen Hightech-Fliegers A350 an – sein direkter Boeing-Rivale beschäftigt derweil die Pilotenausbilder. Für die gilt es, nach dem Flugverbot des „Dreamliner“ knapp vier Monate Zwangspause aufzuholen. In Japan gibt es Negativ-Schlagzeilen. John Murphy steht die Begeisterung ins Gesicht geschrieben. Seit anderthalb Wochen hat der britische Flugkapitän seine ersten […]
Hannover
Bei Airbus steht der Erstflug seines neuen Hightech-Fliegers A350 an – sein direkter Boeing-Rivale beschäftigt derweil die Pilotenausbilder. Für die gilt es, nach dem Flugverbot des „Dreamliner“ knapp vier Monate Zwangspause aufzuholen. In Japan gibt es Negativ-Schlagzeilen.
John Murphy steht die Begeisterung ins Gesicht geschrieben. Seit anderthalb Wochen hat der britische Flugkapitän seine ersten 20 Flugstunden Erfahrung im Cockpit von Boeings Hightech-Jet „Dreamliner“ gesammelt. Die zweistrahlige Boeing 787 mit dem Rufzeichen G-TUIB gehört der britischen Thomson Airways. Die Tui Travel-Tochter ist nach der polnischen Fluggesellschaft Lot Polish Airlines der zweite Betreiber des zweistrahligen Jets in Europa.
Ende Mai hatten die Briten ihre erste Boeing 787 im Boeing-Werk Everett feierlich übernommen – eigentlich war die Auslieferung schon für Anfang März geplant. Doch dann kamen die Probleme durch überhitzte Batterien – alle bis dahin ausgelieferten 50 Maschinen dieses Typs hatten daraufhin eine weltweit verordnete monatelange Zwangspause. „Unser großes Problem war, dass niemand vorhersagen konnte, wie lange das Flugverbot dauern würde; es hat unsere Planungen für die Pilotenschulung ganz schön über den Haufen geworfen“, sagt Kapitän Dan McGookin, der die ersten zehn Flugstunden auf dem neuen Stolz der Thomson-Flotte schon im Flugbuch stehen hat.
Nach einer Änderung des Batteriedesigns darf der aus leichten Verbundwerkstoffen bestehende spritsparende Hightech-Jet seit kurzem wieder fliegen. Er hat damit einen zeitlichen Vorsprung vor Boeings Konkurrenzmodell, dem europäischen Airbus A350. Der soll nach diversen Anlaufproblemen morgen zum Erstflug abheben und eventuell bei der Luftfahrtmesse in Le Bourget dem US-Rivalen die Schau stehlen. Für dessen Betreiber gilt es nun, die Verzögerungen durch das weltweite Flugverbot wieder aufzuholen.
Die britische Thomson bemühte sich während des Flugverbots, die Piloten des neuen Jets im Simulator zu schulen – nun steht endlich die Schulung im „echten“ Flieger an. Ein Landeanflug auf den Flughafen Hannover gehörte dazu – immerhin hat die Konzernmutter dort ihren Sitz. Bis gestern abend drängten sich die neugierigen Besucher vor und in dem Flieger, der auch nach seinem Neustart wieder erste Negativ-Schlagzeilen provoziert. Sie kommen aus Japan, dem bisher größten Betreiberland der Boeing 787. Zwei nationale Airlines – die All Nippon Airways sowie die Japan Airlines – verfügen über gut die Hälfte der bisher ausgelieferten „Dreamliner“.
Toshikazu Nagasawa von der Verkehrspiloten-Vereinigung Japans hatte vor kurzem geklagt, einige der japanischen Piloten säßen mit flauem Gefühl im Cockpit. Der „New York Times“ erklärte er, ihnen fehle es im Falle eines Überhitzens der brandgefährdeten Lithium-Ionen-Batterien an Warnhinweisen im Cockpit. Es ist eine Kritik, die der Airbus-Konkurrent Boeing angesichts der vorgenommenen Verbesserungen bei der Batterietechnik so nicht akzeptieren will.
Auch Flugkapitän Murphy hält sie für ungerechtfertigt. „Ich habe volles Vertrauen in dieses Flugzeug“, meint der Thomson-Flottenchef, während er einem deutschen Kollegen das Cockpit erklärt. Am meisten beeindruckt ihn neben den elektronisch gedimmten Passagierfenstern und der farblich wechselnden Kabinenbeleuchtung das Head-up-Display im Cockpit. Es ist eine Art transparente Sonnenblende, in die alle wichtigen Flugdaten für den Landeanflug eingespielt werden. „Sowas gibt es sonst nur in Militärjets“, sagt der frühere Tornado-Pilot.
Auch der Flugbetriebsleiter der TuiFly, Flugkapitän Jörg Schönfeld, gerät beim Cockpit-Besuch ins Schwärmen. Obwohl die Tui ab November mit eigenen Karibikflügen in den Bereich der Langstreckenflüge vorstößt, hält Schönfeld seine Aussichten auf einen Platz im Pilotensitz eines „Dreamliners“ vorerst aber für gering. „Der Einsatz eines solchen Flugzeugs würde bei unserem jetzigen Streckennetz rund ums Mittelmeer keinen Sinn machen“, sagt er. Langfristig liebäugelt jedoch auch die TuiFly mit Fernstrecken.
Quelle: dpa