Airbus-Vorpreschen mit Drohnenprojekt sorgt auf der ILA für Aufregung

21.05.2014 Die Verteidigungsministerin hat kühl auf den Vorstoß von Airbus für ein europäisches Drohnen-Projekt reagiert. Jetzt erhält sie Schützenhilfe von unerwarteter Seite. Schönefeld – Das Vorpreschen von Airbus mit der Vereinbarung für ein europäisches Drohnen-Militärprojekt hat nicht nur im Verteidigungsministerium für Unmut gesorgt, sondern ist auch in der eigenen Branche auf Kritik gestoßen. Der große […]
21.05.2014
Die Verteidigungsministerin hat kühl auf den Vorstoß von Airbus für ein europäisches Drohnen-Projekt reagiert. Jetzt erhält sie Schützenhilfe von unerwarteter Seite.
Schönefeld – Das Vorpreschen von Airbus mit der Vereinbarung für ein europäisches Drohnen-Militärprojekt hat nicht nur im Verteidigungsministerium für Unmut gesorgt, sondern ist auch in der eigenen Branche auf Kritik gestoßen. Der große deutsche Luftfahrt- und Rüstungszulieferer Diehl hält den Zeitpunkt angesichts der offenen Entscheidung zur Drohnenbeschaffung und der hitzigen Debatte über Kampfdrohnen für schlecht gewählt. «Ich halte das für unglücklich», sagte am Mittwoch Claus Günther, der bei Diehl für die Wehrtechnik zuständig ist. Airbus steht nach dpa-Informationen unterdessen kurz vor der Unterzeichnung einer Drohnen-Kooperation mit den Israelis, verschob eine am Mittwoch auf der Luftfahrtmesse ILA (bis 25. Mai) dazu geplante Bekanntgabe aber kurzfristig.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) hatte den Vorstoß der Airbus-Gruppe zusammen mit Dassault Aviation (Frankreich) und Alenia Aermacchi (Italien) Anfang der Woche reserviert aufgenommen. «Es gibt zurzeit keinen Entscheidungsdruck», hatte die CDU-Politikerin gesagt. Zunächst müsse die für den Sommer geplante parlamentarische Debatte über die Drohnenbeschaffung abgewartet werden. «Ich verstehe die Ministerin. Ich wäre auch verschnupft», sagte Diehl-Wehrtechnikchef Günther. Der Drohnen-Vorstoß war am Montag verkündet worden. Auf der ILA bilden die militärische Luftfahrt und speziell die Drohnen einen Schwerpunkt.
Bei ihrem Besuch auf der Messe am Mittwoch machte von der Leyen um jegliche Drohnen einen Bogen. Begleitet wurde sie bei ihrem strammen Programm von Bernhard Gerwert, Präsident des Branchenverbandes der Luft- und Raumfahrindustrie BDLI. Gerwert ist auch Chef der Rüstungs- und Raumfahrtssparte der Airbus Group, der die Drohnen-Zusammenarbeit lanciert hatte. Dass er jetzt ein einträchtiges Bild mit der Ministerin abgab, wollte er nicht kommentieren. Er bemerkt nur kurz: «Wir sind Profis». Aus den Herstellerkreisen verlautete, dass der Zeitpunkt wohl tatsächlich nicht sehr gut gewählt gewesen sei.
Bei dem vorgeschlagenen Drohnenprojekt geht es um ein gemeinsames Drohnenprogramm, das unbemannte Fluggeräte für mittlere Flughöhe und lange Flugdauer (MALE) betrifft. Bereits 2020 will die Industrie eine «kostengünstige und zulassungsfähige» Drohne bereitstellen, die der Aufklärung dient. Derartige Drohnen können auch bewaffnet werden.
Noch während der ILA will die Airbus-Gruppe nach dpa-Informationen einen Kooperationsvertrag mit Israel Aerospace Industries (IAI) für Drohnen des Typs Heron TP treffen. Sie soll als Nachfolgerin der Heron 1 von der Bundeswehr in Afghanistan eingesetzt werden. Die Heron 1 wird im Auftrag der Bundeswehr von der Airbus Wehrtechnik- und Raumfahrtsparte betrieben. Der derzeitige Vertrag läuft 2015 aus.
Zur Frage der Drohnenbeschaffung durch die Bundeswehr will der Bundestag am 30. Juni Experten anhören. Diehl-Wehrtechnikchef Günther erklärte, es wäre besser, die Klärung des Themas in der derzeitig hitzigen Debatte über Drohnen abzuwarten. «Wir brauchen einen breiten Konsens im politischen Umfeld.» Im gesellschaftlichen Umfeld sei dieser angesichts der Stimmungslage nicht zu erwarten.
Spannungen zwischen der schwarz-roten Regierungskoalition und der Rüstungsindustrie verhehlte Günther nicht. «Wir versuchen gerade, wieder in einen vertrauensvollen Dialog zu kommen.» Von der Leyen besuchte auf der ILA auch den Diehl-Messestand und ließ sich das neue Lenkwaffensystem IRIS-T SLM des Unternehmens erklären. Zuletzt hatte Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) Unruhe bei den Herstellern ausgelöst, weil er dafür eintritt, weniger Waffen aus Deutschland zu exportieren. Zudem lässt von der Leyen Großprojekte in der Wehrtechnik überprüfen.
Diehl gehört zu den größten deutschen Zulieferern und Herstellern in der Luftfahrt und Wehrtechnik. Im vergangenen Jahr erzielte der Nürnberger Konzern nach Unternehmensangaben mit 14 400 Beschäftigten fast 3 Milliarden Euro Umsatz. 570 Millionen Euro entfielen auf die Verteidigungssparte, also rund 20 Prozent. Am stärksten wächst der Luftfahrtbereich, für den 2015 rund eine Milliarde Umsatz erwartet wird. Besonderen Schub gibt dabei der neue Langstreckenjet A350 von Airbus, zu dem Diehl wesentliche Teile der Kabinenausstattung zuliefert. Auch bei Boeing-Flugzeugen ist Diehl Zulieferer. (dpa)