Seattle/Toulouse Airbus und Boeing sind Erzrivalen. Doch nach dem Desaster um den «Dreamliner» des US-Konkurrenten halten sich die europäischen Flugzeugbauer auffallend zurück. Airbus hat genug eigene Probleme. Airbus-Chef Fabrice Brégier will sich nicht recht freuen über die Pannen der Konkurrenz. Erzrivale Boeing musste zwar gerade seinen «Dreamliner» aus dem Verkehr ziehen. Doch Brégier vermeidet jede […]

Seattle/Toulouse

Airbus und Boeing sind Erzrivalen. Doch nach dem Desaster um den «Dreamliner» des US-Konkurrenten halten sich die europäischen Flugzeugbauer auffallend zurück. Airbus hat genug eigene Probleme.

Airbus-Chef Fabrice Brégier will sich nicht recht freuen über die Pannen der Konkurrenz. Erzrivale Boeing musste zwar gerade seinen «Dreamliner» aus dem Verkehr ziehen. Doch Brégier vermeidet jede Häme. «Wir haben exzellente Leute», sagt er über Airbus. Allerdings fügt er später noch hinzu: «Boeing ist nicht weit davon entfernt.»

Die Zurückhaltung des Airbus-Chefs liegt auch im eigenen Haus begründet: Der europäische Flugzeugbauer hat selbst genug Probleme. Der Militärtransporter A400M soll nach langen Verzögerungen nun «im zweiten Quartal» 2013 ausgeliefert werden. Konkreteres vermeiden die Airbus-Chefs am Donnerstag nach kurzem Zunicken auf dem Podium in Toulouse. Beim doppelstöckigen A380 gab es nach Haarrissen in den Tragflächen und herbem Imageverlust 2012 gerade neunmal Bestellungen. Der direkte «Dreamliner»-Rivale A350 kommt auch nur mit Verzögerung zum Jungfernflug. Der Termin dafür Mitte 2013 steht. Noch.

Brégier hat für all das eine Erklärung: «Flugzeuge bauen ist ein schwieriges Geschäft.» Bei den Verkehrsjets wird die Technik immer komplexer: Leichte Verbundmaterialien verdrängen das über Jahrzehnte benutzte Aluminium. Elektronik ersetzt Mechanik. Wo früher Seilzüge oder Hydraulikschläuche lagen, übertragen heute Kupferkabel die Steuerbefehle. Überdies sind moderne Flieger vollgestopft mit Unterhaltungsangeboten wie Monitoren an jedem Platz. Entsprechend robust muss die Stromversorgung sein.

Boeing-Chef Jim McNerney mühte sich um Schadensbegrenzung, nachdem die Behörden den «Dreamliner» erst einmal aus dem Verkehr gezogen hatten: «Die Sicherheit von Passagieren und Besatzungsmitgliedern in Boeing-Flugzeugen hat für uns absoluten Vorrang.» Zuletzt hatten sich die eingebauten Batterien als buchstäblich brandgefährlich erwiesen. McNerney entschuldigte sich und versicherte gleichzeitig: «Wir sind überzeugt, dass die 787 sicher ist.»

Beim «Dreamliner» kam erschwerend hinzu, dass Boeing nach dem Vorbild der Autoindustrie viel Arbeit an Zulieferer ausgelagert hatte. Viele Firmen waren überfordert und lieferten Pfusch am laufenden Band. Der erste «Dreamliner» wurde mit mehr als drei Jahren Verzögerung ausgeliefert. Stornierungen waren die Folge. Von mehr als 1000 Bestellungen blieben rund 850 übrig.

50 Maschinen sind inzwischen ausgeliefert. Damit hat Boeing aber immer noch einen Vorsprung vor Airbus. Das erste Exemplar der A350 wird derzeit immer noch in Toulouse gebaut.

Dabei könnte Airbus Auftrieb gut gebrauchen. Zwar läuft das Geschäft nicht schlecht seitdem die Fluggesellschaften rund um den Globus ihre Flotten erneuern und auf sparsamere Jets setzen. Doch im direkten Vergleich konnte Boeing bei den Auslieferungen im vergangenen Jahr besser abschneiden – und ist nun erstmals seit neun Jahren wieder die Nummer eins am Himmel.

Während Airbus 588 Maschinen an die Kunden übergab, waren es bei Boeing 601 Jets. Während Airbus netto 833 Bestellungen in die Bücher schrieb, konnte sich Boeing über 1203 freuen.

Airbus verwies in Toulouse auf 4682 Bestellungen in den Büchern – das sei Branchenspitze. Doch auch dieser Vorsprung ist im vergangenen Jahr geschrumpft. Gleichzeitig wird Verkaufschef John Leahy nicht müde, den trotz aller Krisen seit 2003 stetigen Anstieg bei den Auslieferungen zu preisen. Auch Brégier wirkt entspannt: «Wir können auch mal ein paar Jahre die Nummer zwei sein.»

Doch da sind noch andere Zahlen: Während die Airbus-Mutter EADS 2012 nach neun Monaten auf einen Gewinn 903 Millionen Euro kommt, schaffte Boeing im gleichen Zeitraum 2,2 Milliarden Euro.

Verkaufsschlager sind die Mittelstrecken-Jets A320 sowie 737. Nicht ohne Grund haben sich beide Hersteller entschieden, in dieser Klasse keine komplett neuen Jets zu entwickeln, sondern die Erfolgsmodelle zu modernisieren, etwa mit neuen Triebwerken. Denn bei diesen Standardmodellen hätte eine Pannenserie wie beim «Dreamliner» noch verheerendere Folgen: Chinesische und russische Rivalen drängen mit aller Macht in diesen Markt. Das Duopol von Airbus und Boeing könnte schon bald aufgebrochen werden.

 Gerd Roth und Daniel Schnettler, dpa