Olivenhaine, verborgene Schluchten, Panoramablicke und die schönsten Bergdörfer der Insel: Ein reizvoller Weitwanderweg führt abseits des Massentourismus quer durch Mallorcas wildes Tramuntana-Gebirge. Frisch gepresster Orangensaft, Café con leche und natürlich eine süße Ensaimada, Mallorcas schneckenförmiges Cremegebäck – es fällt nicht leicht, das Frühstück im Hafen von Port d’Andratx zu beenden. Doch es hilft nichts. Ein […]

Olivenhaine, verborgene Schluchten, Panoramablicke und die schönsten Bergdörfer der Insel: Ein reizvoller Weitwanderweg führt abseits des Massentourismus quer durch Mallorcas wildes Tramuntana-Gebirge.

Frisch gepresster Orangensaft, Café con leche und natürlich eine süße Ensaimada, Mallorcas schneckenförmiges Cremegebäck – es fällt nicht leicht, das Frühstück im Hafen von Port d’Andratx zu beenden. Doch es hilft nichts. Ein langer Wandertag steht bevor. Besser gesagt: eine lange Wanderwoche.

Wenn die Sonne im Herbst nicht mehr so stark brennt, dann ist es auf Mallorca Zeit, die Wanderschuhe zu schnüren. Quer durch das Tramuntana-Gebirge führt der malerische Weitwanderweg GR 221. Fast 150 Kilometer sind es von Port d’Andratx im Südwesten bis in den äußersten Nordwesten nach Port de Pollença.

Kurz hinter dem Jachthafen verliert sich der Pfad bereits in hügeligen Pinienwäldern. Die Aussicht ist grandios, sie fällt auf den ehemaligen Fischerort Sant Elm und die davor liegende «Dracheninsel» Sa Dragonera. Der Strand, die niedlichen Läden, der Duft aus den Fischrestaurants – Sant Elm lädt zur ersten Pause ein.

Durch Kiefernwälder geht es dann wieder steil bergauf. An einigen Stellen lassen dicke Felsbrocken den Weg zur Kletterpartie werden. Die Ausblicke auf Sa Dragonera laden immer wieder zum Verschnaufen ein. Beeindruckend ist zum Beispiel die Sicht vom verlassenen Trappistenkloster La Trapa auf die langgezogene Insel.

Die Kunst des Trockensteinmauerns

Aus den Ruinen schallt klassische Musik. Miguel Torres hört beim Mauern gerne Mozart. Der 80 Jahre alte Mallorquiner hilft bei der Restauration der fast 80 Hektar großen Klosteranlage, die französische Trappistenmönche 1810 errichteten.

Torres war früher Trockensteinmaurer und gehört der Naturschutzorganisation GOB an. Die kaufte die Klosterruinen 1980, um damit den Bau eines Hotels zu verhindern.

Bei Trockensteinbauten wie den Gebäuden und Terrassen des Klosters wird komplett auf Mörtel oder Zement verzichtet. Lediglich kantige Steine unterschiedlicher Größe werden zusammengefügt.

«Nirgendwo wurde das Trockensteinmauern so perfektioniert wie auf Mallorca. Die Unesco ernannte es 2018 sogar zum Weltkulturerbe», sagt Torres. Er vergleicht das Handwerk mit einer Komposition: «Jeder Stein ist wie die Note einer Symphonie. Er muss seinen entsprechenden Platz haben, damit eine harmonische Mauer entsteht.»

Miguel Torres versichert: Auf dem Wanderweg werden wir noch unzählige mit dieser Technik gebauten Grenzmauern, Terrassen, Häuser, Wehrtürme und Wegstücke bestaunen können. Deshalb ist der GR 221 auch als Trockenmauerweg bekannt – Ruta de Pedra en Sec.

Immer wieder wilde Küstenblicke

Für Begeisterung sorgen für den Rest des Tages die Panoramablicke auf die schroffe Westküste Mallorcas. Am Aussichtspunkt Mirador d’en Josep Sastre stürzt die Klippe dramatisch 450 Meter ins Meer hinab.

Am Abend ist mit der Finca Ses Fontanelles das Etappenziel erreicht. Das 200 Jahre alte Bauernhaus wurde in ein idyllisches Wanderhotel verwandelt. Es serviert ein erstklassiges Drei-Gänge-Menü mit Gemüse aus dem eigenen Garten. Schafe weiden unter Zitrusbäumen. Der Handyempfang ist hier angenehm schlecht. Ruhe kehrt ein.

Von Ses Fontanelles geht es zunächst durch eine einsame Schlucht 200 Meter steil bergauf. Wilde Ziegen scheinen überrascht zu sein von menschlicher Präsenz. Je höher man steigt, desto schöner wird der Blick über die wilde Küste und das Mittelmeer.

Das nächste Etappenziel Banyalbufar gehört mit seinen Steinterrassen, steilen Gassen und ockerfarbenen Sandsteinhäusern zu einem der schönsten Dörfer der Tramuntana.

Banyalbufar bedeutet «am Meer gebaut». Der Name stammt von den arabischen Besatzern, die hier schon vor Jahrhunderten die Terrassen für den Anbau des berühmten Malvasier-Weins anlegten.

«Diese Traubenart ist besonders robust gegen Wind und die salzige Meeresluft», erklärt Winzer Toni Darder. So schmeckt auch der Weißwein: trocken, salzig, mit hohem Polyphenolgehalt und rund 14,5 Prozent Alkohol. Die Weinterrassen seiner Bodega Son Vives ziehen sich weit hinunter zur Felsbucht, die nach dem Wandern zum Baden einlädt. Auf der Terrasse des Weinguts können Besucher bei Paella und Wein wunderschöne Sonnenuntergänge genießen.

Dörfer wie aus dem Bilderbuch

Am nächsten Tag schlängelt sich der Weg erneut durch dunkle Steineichenwälder. Einige Stellen des gepflasterten Weges sollen noch von den Arabern stammen. Nach Esporles führt der Pfad bis zum Bergkamm auf fast 600 Meter Höhe. Schon bald ist das wunderschöne Etappenziel im Tal zu sehen: Valldemossa, das nicht umsonst meistbesuchte Dorf der Insel mit dem emblematischen Kloster, engen Gassen und blumengeschmückten Steinhäusern.

Das für viele schönste Dorf ist allerdings Deià. Und die knapp 13 Kilometer lange Etappe bis dorthin gehört zu den schönsten des GR 221. Sie verläuft zunächst auf einem historischen Reitweg. Alte Köhlerplätze aus Stein säumen den Pfad durch die Wälder.

Langsam geht es bergauf bis zum 938 Meter hohen Puig Gros. Auf der einen Seite des schmalen Grats kann man die Nordküste Mallorcas mit der Halbinsel Sa Forada sehen. Auf der anderen Seite hat man fast den gesamten südlichen Teil im Blick – bei gutem Wetter sogar Palmas Kathedrale.

Ein Ort, der Künstler inspirierte

Der Abstieg ins pittoreske Bergdorf Deià ist zwar wunderschön, mit einem Höhenunterschied von fast 800 Metern aber auch nicht ohne. Der Weg führt dramatisch an Steilwänden entlang, bis Olivenhain-Terrassen das Terrain langsam abflachen.

Deià ist Mallorcas Künstlerdorf. Es lockte schon immer Maler, Dichter und Komponisten an. Nicht wenige stiegen im Hotel «La Residencia» ab. Die Herberge ist allein wegen ihres Skulpturengartens und rund 800 Werken vor allem lokaler Künstler einen Besuch wert. Im Café hängen auch 33 Originalwerke von Joan Miró. Die Kunst ist das eine. Nach dem harten Abstieg vom Teix-Massiv genießen Wanderer hier auch gerne die Poolanlage zwischen Oliven- und Zitrusbäumen.

Der Tagesmarsch bis zum Hafen von Port de Sóller verläuft durch endlose Olivenbaum-Plantagen. In den verknorpelten, Jahrhunderte alten Bäumen auf der Muleta-Halbinsel kann man Kobolde, Gesichter und verschiedenste Tiere erkennen. Am 1842 erbauten Leuchtturm vom Cap Gros biegt der Weg abrupt nach rechts ab und führt zum wunderschönen Naturhafen von Sóller. Und damit zum ersehnten Sprung ins Mittelmeer.

Der nächste Morgen beginnt entspannt und nostalgisch: Mit der 1913 eingeweihten, holzvertäfelten Straßenbahn geht es von der Strandpromenade durch Zitrusplantagen bis nach Sóller. In der Markthalle kann man gut Proviant für die lange Tagesetappe bis zur Schutzhütte Tossals Verds einkaufen. Die ersten Kilometer sind ein wahrer Rausch für den Geruchssinn. Riesige Plantagen voll duftender Orangen, Zitronen, Mandeln und Feigen säumen den Weg.

Mallorca geht auch einsam

Kurz nach dem Bergdorf Biniaraix ist Kondition gefordert. Durch eine einsame Schlucht geht es über Trockensteinpfade steil im Zickzack bergauf. Fast 750 Höhenmeter müssen bis zum Coll de L’Ofre erklommen werden. Der Blick zurück ins Orangental von Sóller: umwerfend.

Oben im Hochtal glitzern die zwei Stauseen in der Sonne. Es riecht nach Salbei und Kräutern. Imposant überragt Mallorcas höchster Berg, der 1436 Meter hohe Puig Major, die Landschaft.

Auf der Berghütte Tossals Verds ist man fernab der Zivilisation. «Keine Dörfer, kein Handyempfang, keine Straßen. Einsam in der Natur, einfach umwerfend», sagt Angelika Greis aus Berlin. Es sei beeindruckend, wie viel unberührte und vollkommen abgelegene Gebirgslandschaften es noch auf Mallorca gebe. «Der Trockenmauerweg ist eine Chance, Mallorca mal ganz anders kennenzulernen», sagt sie. «Er hat meine Vorurteile über Insel vollkommen aufgeräumt.»

Die Stille des Klosters genießen

Durch eine Landschaft aus Felsen und Geröll geht es wieder hinab. Das Kloster von Lluc unten im Talkessel ist schon von weitem zu sehen. Der bedeutendste Wallfahrtsort Mallorcas wurde im 13. Jahrhundert gegründet. Im Klostermuseum erfährt man viel über die Geschichte der Insel, in den ehemaligen Mönchszellen kann man übernachten. Sobald die Tagestouristen verschwinden, wird es wunderbar still.

Aufbruch in der Frühe. Das Vogelgezwitscher im Steineichenwald ist beruhigend. Doch plötzlich hört man aus der Ferne kräftiges Klopfen und Hämmern. Trockensteinmaurer Damià González und sein Team restaurieren ein Wegstück, das im Winter von der Erosion zerstört wurde. In den 1980er Jahren war die Zunft der Trockenmaurer vom Aussterben bedroht. Und damit auch der Erhalt der alten Bergwege, erklärt González.

Auf Initiative des Inselrats werden heute wieder Fachleute im traditionellen Trockenmauerbau ausgebildet. Die Wanderstrecke Ruta de Pedra en Sec ist ein Projekt, das den Wandertourismus in den abgelegensten Bergregionen der Insel fördern soll.

«Es ging nicht nur darum, eine Jahrhunderte alte Tradition vor dem Aussterben zu bewahren. Mithilfe der Trockensteinwege und Stützmauern wurde das Tramuntana-Gebirge überhaupt erst bewohnbar und für die Landwirtschaft nutzbar gemacht», erklärt Philippe Alvaro Frotté vom Inselrat. Er ist für die Instandhaltung des Trockenmauerwegs verantwortlich. Die Restaurierung läuft schon seit 14 Jahren.

Langsam führt der Waldweg aus dem Tramuntana-Gebirge hinab in die Bucht von Pollença. Orangen, Feigen, Mandeln, Birnen und Aprikosen prägen das Tal. Über eine alte Römerbrücke geht es in den Ortskern mit seinen prächtigen Herrenhäusern, Palästen und der Pfarrkirche.

Wer noch Kraft hat, sollte den Kalvarienberg besichtigen. Doch die von Zypressen flankierte Treppe zählt 365 Stufen, und bis zum Port de Pollença sind es noch etwa sechs Kilometer. Die letzte Etappe entlang der Straße kann man sich dafür sparen. Hier tut es auch der Bus, wenn die Sehnsucht nach dem Sprung ins Meer zu groß wird.

In den kommenden Jahren soll der Trockenmauerweg übrigens erweitert werden – und dann am mystischen Kap von Formentor enden.

Info-Kasten: Trockenmauerweg GR 221

Reisezeit: Der GR 221 ist ganzjährig machbar. Frühjahr und Herbst sind aufgrund der milden Temperaturen am besten geeignet.

Anreise: Direktflüge nach Palma de Mallorca gibt es mehrmals täglich von vielen deutschen Flughäfen aus.

Einreise und Corona-Lage: Reisende ab zwölf Jahren müssen einen Impf- oder Genesenennachweis oder einen negativen PCR- oder Antigentest vorlegen. Nötig ist auch eine Einreiseanmeldung. Die Corona-Zahlen in Spanien sind derzeit niedriger als in Deutschland, die meisten Einschränkungen wurden aufgehoben.

Wanderung: Für den 150 Kilometer langen Fernwanderweg sollte man zwischen neun und zwölf Tagestouren einplanen. Wer eher zügig unterwegs sein möchte, sollte sich wegen der Höhenunterschiede auf teils anspruchsvolle Etappen einstellen.

Informationen: Consell de Mallorca, Calle del General Riera 111, 07010 Palma (https://caminsdepedra.conselldemallorca.cat/de).

dpa