15.09.2017 Ein Ex-Rennfahrer, ein Buchautor und eine Reihe von Konkurrenten – im Bieterkampf um Air Berlin greift eine bunte Schar nach dem Wühltisch, nach Flugzeugen und Flugrechten. Nun muss entschieden werden. Berlin (dpa) – Der derzeit begehrteste Schatz im deutschen Luftverkehr liegt recht gut versteckt. Wer Berlins Innenstadt nach Nordwesten verlässt, passiert ein Gefängnis und Autowerkstätten, bis […]

15.09.2017

Ein Ex-Rennfahrer, ein Buchautor und eine Reihe von Konkurrenten – im Bieterkampf um Air Berlin greift eine bunte Schar nach dem Wühltisch, nach Flugzeugen und Flugrechten. Nun muss entschieden werden.

Berlin (dpa) – Der derzeit begehrteste Schatz im deutschen Luftverkehr liegt recht gut versteckt. Wer Berlins Innenstadt nach Nordwesten verlässt, passiert ein Gefängnis und Autowerkstätten, bis sich hinter Kleingärten ein Achtgeschosser aus Backstein und Glas erhebt, das enge Marmor-Foyer ist in die Jahre gekommen.

Dort sitzt Air Berlin, die chronisch klamme, inzwischen insolvente Fluggesellschaft, und verwaltet doch ein ansehnliches Kapital: ihre Start- und Landerechte. Auf sie hat es die Konkurrenz abgesehen, mindestens fünf Angebote sind bis zum Freitag zusammengekommen.

LUFTHANSA

Dem Marktführer werden gute Chancen auf ein großes Stück vom Kuchen nachgesagt – weil schon lange Gespräche mit Air-Berlin-Chef Thomas Winkelmann laufen, der aus dem Lufthansa-Konzern zu Air Berlin kam. Und weil man in der Bundesregierung den Dax-Konzern päppeln will, zum «deutschen Champion im internationalen Luftverkehr».

Der Bund hält Air Berlin mit einem Kredit überhaupt noch in der Luft, sonst hätte die Airline ihre Start- und Landrechte längst zurückgeben müssen. Konkurrenten wie Ryanair wittern daher ein «abgekartetes Spiel» zugunsten der Lufthansa.

Der Konzern wolle 90 der 144 Flugzeuge übernehmen, wollten Beobachter zwischenzeitlich erfahren haben. 38 Maschinen davon hat Lufthansa schon seit einem Jahr geleast. Jetzt besonders im Fokus: die Touristik-Tochter Niki und ein Teil der Langstreckenflugzeuge. Sie sollen für die Lufthansa-Tochter Eurowings an den Start gehen.

CONDOR UND NIKI LAUDA

Der frühere Rennfahrer Lauda hat einst Niki gegründet, nun scheint er sein Baby zurück zu wollen. Kurz vor Ende der Bieterfrist hat er sich mit dem Ferienflieger Condor zusammengetan und nach eigenen Angaben 100 Millionen Euro geboten – nach Medienberichten für 38 Flugzeuge und die Tochter Niki. Der Plan: Es werden nur noch Urlauber geflogen und die holt die Condor-Mutter Thomas Cook in die Flieger.

EASYJET

Gleich nach der Insolvenz im August hieß es, Lufthansa und Easyjet könnten sich Air Berlin teilen – schon weil das Kartellamt eine Komplettübernahme durch Lufthansa blockieren würde. Dem britischen Billigflieger wird Interesse an etwa 40 Flugzeugen nachgesagt und der Ehrgeiz, damit am bisherigen Air-Berlin-Drehkreuz Düsseldorf einen Fuß in die Tür zu bekommen. Easyjet aber hält sich bedeckt – nur so viel gaben die Briten am Freitag zu erkennen: Man biete für einen Teil des Kurzstrecken-Angebots. Das könnte zu mehr Billigflieger-Angeboten auf innerdeutschen Strecken führen.

UTZ CLAASSEN

Eine «Komplettübernahme und expansive Sanierung der Air Berlin» stellt Utz Claassen in Aussicht, zu einem Kaufpreis von 100 Millionen Euro. Zusammen mit nicht näher genannten Investoren stellt Claassen zusätzliche Liquidität in Aussicht. Die Tarife für die Beschäftigten will er senken. Claassen war Vorstandschef beim Medizintechnikunternehmen Sartorius, beim Energiekonzern EnBW und dem Solarunternehmen Solar Millennium. Auch er ist Buchautor, mit Titeln wie «Unbequem» und «Mut zur Wahrheit».

ZEITFRACHT

Die 800 Mitarbeiter des Berliner Systemlogistikers erfuhren am Freitag die Details des Angebots. Zeitfracht will Teile der Air Berlin übernehmen, an denen die übrigen Bieter wenig Interesse haben: den Frachtraum-Vermittler Leisure Cargo, die 20 Propellermaschinen der Tochter LGW und die Air-Berlin-Technik. «Wir gehen fest davon aus, dass wir damit rund 1000 Arbeitsplätze der insolventen Air Berlin Gruppe sichern und unsere Zeitfracht-Gruppe zu einem gut etablierten Luftfracht-Carrier ausbauen können», sagt Geschäftsführer Wolfram Simon.

HANS RUDOLF WÖHRL

Der Unternehmer wollte schon mal bei Air Berlin einsteigen – der damalige Chef Hartmut Mehdorn entschied sich jedoch für Geld vom Golf und machte die Staatsairline Etihad zum Großaktionär. Als die Araber im August den Geldhahn zudrehten, war Air Berlin insolvent.

Wöhrl hat gerade ein Buch geschrieben: «Wie meine Träume fliegen lernten». Er zeigt sich an Air Berlin als Ganzem interessiert und bot an, mit Partnern 50 bis 500 Millionen Euro zu bezahlen, die Bücher im Datenraum bei Air Berlin sah er nicht ein und nach massenhaften Krankmeldungen von Piloten warnte Wöhrl vor dem Scheitern der Gespräche. Die Frage, ob sein Angebot weiter gilt, ließ Wöhrls Intro Verwaltungsgesellschaft am Freitag zunächst unbeantwortet.

JONATHAN PANG

Dem chinesischen Investor gehört seit zehn Jahren der Flugplatz Parchim in Mecklenburg-Vorpommern. Es wurde spekuliert, dass er Air Berlin dorthin verlegen könnte. Doch Pangs Angebot steht noch aus. Über seinen Anwalt bat er am Freitag um eine Woche mehr Zeit. Air Berlin lässt sich darauf jedoch nicht ein.

Burkhard Fraune, dpa