Luftfahrtexperte Schellenberg: Fliegen ist sicherer als Autofahren
24.07.2014 Mehrere Flugzeuge sind weltweit innerhalb weniger Tage verunglückt, zahlreiche Menschen starben. Wie sicher ist Fliegen? Berlin – Erst der Crash von Flug MH17 in der Ostukraine, dann die missglückte Landung von GE222 in Taiwan und nun AH5017 der Air Algérie. Innerhalb einer Woche sind Hunderte Flugpassagiere ums Leben gekommen. Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sprach […]
24.07.2014
Mehrere Flugzeuge sind weltweit innerhalb weniger Tage verunglückt, zahlreiche Menschen starben. Wie sicher ist Fliegen?
Berlin – Erst der Crash von Flug MH17 in der Ostukraine, dann die missglückte Landung von GE222 in Taiwan und nun AH5017 der Air Algérie. Innerhalb einer Woche sind Hunderte Flugpassagiere ums Leben gekommen. Der Luftfahrtexperte Cord Schellenberg sprach mit der Nachrichtenagentur dpa über die Sicherheit im Luftverkehr.
Frage: Mehrere schwere Flugunfälle innerhalb einer Woche – ist das Zufall oder nehmen wir Flugunfälle gerade nur stärker wahr?
Antwort: Es ist ein bekanntes Phänomen, dass Menschen nach spektakulären Unfällen sehr viel sensibler sind. Normalerweise würde man sich mit dem Unfall eines kleineren Flugzeugs, wie gerade in Taiwan, überhaupt nicht beschäftigen – das wäre nur eine Randnotiz. Nach einem spektakulären Unfall, wie dem Abschuss des Flugzeugs über der Ukraine, werden diese Dinge sehr viel stärker wahrgenommen. In den vergangenen Jahren hat es im Durchschnitt jedes Jahr 500 Tote im Flugverkehr gegeben. Das ist traurig, zeigt aber auch bei der Menge der Flüge weltweit, wie wenig passiert.
Frage: Nach der Statistik ist das Fliegen in Afrika nicht so sicher wie in Europa oder Nordamerika. Vieles ist im Fall von Air Algérie noch unklar. Können Sie etwas zu der Fluggesellschaft und dem Flugzeug sagen?
Antwort: Die Fluggesellschaft gibt es seit vielen Jahren, sie ist auch beim Thema Sicherheit ordentlich unterwegs. Die Air Algérie hat sich hier eines Unter-Auftragnehmers bedient, einer Fluggesellschaft aus Spanien, insofern ist das ein Unfall auf afrikanischem Gebiet, aber mit einer europäischen Fluggesellschaft. Man muss nun sehr genau untersuchen, was passiert ist: Ist etwas im Cockpit passiert, etwas Technisches mit dem Flugzeug, oder ist etwas am Boden passiert, beispielsweise militärisch auf das Flugzeug eingewirkt worden? Diese Dinge kann man nur durch eine Unfalluntersuchung herausfinden.
Frage: Die MD83 war knapp 18 Jahre alt. Ist ein älteres Flugzeug unsicherer als ein neues?
Antwort: Für Flugzeuge gilt ganz generell: Ein älteres Flugzeug, das sehr gut gewartet worden ist, wo alles gemacht worden ist, was Fluggesellschaft, Hersteller und Behörden verlangen, ist dann in einem hervorragenden Zustand. Wenn man das Alter kennt, kann man eine Maschine etwas einordnen, es sagt aber über den Zustand eigentlich nichts aus.
Frage: Was zeichnet die Maschine McDonnell Douglas vom Typ MD83 aus?
Antwort: Es ist ein Flugzeug, das auf allen Kontinenten intensiv eingesetzt wurde. In Europa wird es jetzt sehr viel weniger eingesetzt, weil es doch ein lauteres Fluggerät ist. Es kann also nicht überall zu jeder Tages- und Nachtzeit starten und landen – aufgrund der Lärmvorschriften. Das sagt aber nichts über die technische Seite aus.
Frage: Viele Menschen fragen sich, ob sie Angst haben müssen, wenn sie jetzt an Bord eines Flugzeugs gehen.
Antwort: Ich persönlich fliege mit einem guten Gefühl und bin ganz beruhigt, denn über die Jahrzehnte ist der Luftverkehr nicht nur immer sicherer geworden, sondern es zeigt sich auch, dass das Gefährlichste an der ganzen Reise die Anfahrt zum Flughafen ist. Im Straßenverkehr verunglücken ungleich mehr Menschen als im Luftverkehr.
Frage: Vielleicht glauben viele Menschen, dass sie beim Auto mehr die Kontrolle haben?
Antwort: Ein Pilot muss regelmäßige Prüfungen im Simulator machen, wo er die schwierigsten Flugmanöver beherrschen muss, nur dann wird seine Lizenz verlängert. Das ist ja etwas, was wir im Straßenverkehr überhaupt nicht kennen. Autofahrer machen einmal in ihrem Leben den Führerschein und werden nie wieder geprüft.
ZUR PERSON: Cord Schellenberg wurde 1968 geboren. Er lebt und arbeitet in Hamburg. Er tritt als Wirtschafts- und Luftfahrtexperte im Fernsehen auf und moderiert Tagungen, Diskussionsforen und Events im In- und Ausland, wie er auf seiner Homepage mitteilt. Von 1995 bis 1997 war er parteiloser Senatssprecher der Freien und Hansestadt Hamburg.
Interview: Dirk Steinmetz, dpa