Luftfahrtamt: Wussten nichts von Vorgeschichte des Copiloten
06.04.2015 An der Absturzstelle ist ein Teil der Bergungsarbeiten eingestellt worden. Doch viele Fragen bleiben. Gab es Versäumnisse im Umgang mit dem Germanwings-Copiloten? Das Luftfahrtbundesamt jedenfalls wusste bis zur Katastrophe nichts von einer Depression des 27-Jährigen. Berlin (dpa) – Vor dem Absturz der Germanwings-Maschine mit 150 Toten wusste das Luftfahrtbundesamt (LBA) nach eigener Darstellung nichts […]
06.04.2015
An der Absturzstelle ist ein Teil der Bergungsarbeiten eingestellt worden. Doch viele Fragen bleiben. Gab es Versäumnisse im Umgang mit dem Germanwings-Copiloten? Das Luftfahrtbundesamt jedenfalls wusste bis zur Katastrophe nichts von einer Depression des 27-Jährigen.
Berlin (dpa) – Vor dem Absturz der Germanwings-Maschine mit 150 Toten wusste das Luftfahrtbundesamt (LBA) nach eigener Darstellung nichts über die medizinische Vorgeschichte des Copiloten. Man sei vom Flugmedizinischen Zentrum der Lufthansa nicht «über die abgeklungene schwere Depressionsphase» bei Andreas Lubitz informiert worden, teilte die Aufsichtsbehörde der «Welt am Sonntag» mit. Daraufhin wies die Lufthansa den Verdacht zurück, Informationen zurückgehalten zu haben: Das Unternehmen komme seinen Informationspflichten gegenüber dem LBA nach, betonte ein Sprecher der Germanwings-Mutter.
Die Bergungsarbeiten an der Absturzstelle in den französischen Alpen konzentrieren sich inzwischen auf die Habseligkeiten der Opfer. Andere Arbeiten wurden weitgehend eingestellt.
Das Luftfahrtbundesamt hatte nach eigenen Angaben bis zur Akteneinsicht beim Flugmedizinischen Zentrum der Lufthansa nach dem Absturz «keinerlei Informationen» über die medizinischen Hintergründe bei Lubitz. Wie die «Welt am Sonntag» unter Berufung auf eine EU-Verordnung berichtete, müssen Flugmediziner in Fällen schwerer Krankheiten wie Depressionen das LBA als Aufsichtsbehörde einschalten – allerdings gelte dies erst seit April 2013.
Lubitz hatte 2009 als Flugschüler seine Lufthansa-Verkehrsfliegerschule über eine «abgeklungene schwere depressive Episode» informiert, wie die Germanwings-Mutter vor einer Woche einräumte. Seit Inkrafttreten der neuen Verordnung unterzog sich der Copilot nach Informationen der «Welt am Sonntag» noch zwei Tauglichkeitsprüfungen – im Sommer 2013 und im Jahr 2014.
Die Lufthansa wollte sich auch auf Anfrage der dpa nicht näher zu diesen Prüfungen und dem Zeitungsbericht äußern. «Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir derzeit keine weiteren Erklärungen zu dem konkreten Fall abgeben können, weil wir den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Düsseldorf nicht vorgreifen wollen», teilte ein Sprecher am Sonntag mit.
Wie das Bundesamt mitteilte, wurde in Lubitz‘ Fall das Flugtauglichkeitszeugnis 2009 vom Flugmedizinischen Zentrum (Aeromedical Center, AMC) der Lufthansa in Frankfurt ausgestellt und dem LBA übermittelt. «Dieses Vorgehen entsprach der Rechtslage», erklärte das LBA. Bei der Katastrophe vom 24. März besaß Lubitz nach früheren Lufthansa-Angaben «ein voll gültiges Tauglichkeitszeugnis der Klasse 1».
Nach «Spiegel»-Informationen durchsuchten Ermittler in der vergangenen Woche mehrere Arztpraxen, die der Copilot konsultiert haben soll. «Weiterhin wurden heute 5 Arztpraxen, die von dem Kopiloten aufgesucht wurden, durchsucht und die Krankenakten des Kopiloten sichergestellt», zitiert das Magazin aus einer Zusammenfassung der Ergebnisse. Lubitz suchte demnach sowohl Fachärzte für Neurologie als auch Fachärzte für Psychiatrie auf.
Der 27-Jährige wird verdächtigt, den Kapitän des Fluges 4U9525 ausgesperrt und die Maschine auf dem Weg von Barcelona nach Düsseldorf absichtlich zum Absturz gebracht zu haben. Am Osterwochenende trafen erneut Angehörige der Opfer in der Unglücksregion ein. Die Präfektur berichtete von rund 50 Verwandten und Bekannten. Die meisten der 150 Getöteten stammten aus Deutschland und Spanien.
Polizei und Gendarmerie sicherten weiter die Absturzstelle. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft in Marseille wurden zahlreiche Handys gefunden. Die Auswertung der Daten ist aber wegen des Zustands der Telefone nicht gesichert. In Kürze soll damit begonnen werden, große Wrackteile von der Unglücksstelle abzutransportieren.
Die Katastrophe beschäftigte auch Kirchenvertreter in ihren Osterpredigten. Der Mainzer Bischof Kardinal Karl Lehmann rief dazu auf, den Glauben im Alltag trotz Unglücken und Krisen nicht zu verlieren. Oft sei es schwer, daran festzuhalten, etwa im Hinblick auf den Absturz des Germanwings-Flugzeugs. Der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, sagte: «Trotz allem bleiben uns nur hilflos wirkende Worte, Taten, Gesten – und fragend klagende Gebete.»
Nachdem es bei einer anderen Germanwings-Maschine auf der Flugroute Köln-Venedig zu einem Zwischenfall gekommen war, beschäftigten sich Experten weiter mit der Fehlersuche. Die Inspektion der Maschine, die am Samstag außerplanmäßig auf dem Stuttgarter Flughafen landete, dauerte nach Germanwings-Angaben vom Montag noch an. Die Instrumente im Cockpit des Airbus vom Typ A319 hatten einen Ölverlust angezeigt, ein Triebwerk wurde abgeschaltet. Der Kapitän entschied daraufhin, die Maschine in Stuttgart aufzusetzen und die Warnung überprüfen zu lassen. Die 123 Passagiere blieben unverletzt und konnten ihre Reise in einem Ersatzflugzeug fortsetzen.