Helikopter-Streit: Wie Polen die Geduld seiner EU-Partner strapaziert
22.11.2016 Seit einem Jahr läuft gegen Polen ein Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission in Brüssel. Nun verärgerte das Land auch Paris und Berlin. Bringt der Regierungskurs der PiS Polen um seine Freunde in der EU? Warschau (dpa) – Für Polens mächtigen Mann Jaroslaw Kaczynski gibt es keinen Zweifel: Der Platz des Landes ist in der EU. Wer […]
22.11.2016
Seit einem Jahr läuft gegen Polen ein Rechtsstaatsverfahren der EU-Kommission in Brüssel. Nun verärgerte das Land auch Paris und Berlin. Bringt der Regierungskurs der PiS Polen um seine Freunde in der EU?
Warschau (dpa) – Für Polens mächtigen Mann Jaroslaw Kaczynski gibt es keinen Zweifel: Der Platz des Landes ist in der EU. Wer dies infrage stelle, sei ein «politischer Schädling», mahnte der Chef der regierenden Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS). Obwohl er keinen Regierungsposten innehat, gibt Kaczynski den Kurs im Land an. Doch mit diesem sorgt seine Partei bei den EU-Partnern für Irritation.
Zunächst handelte sich Kaczynskis PiS-Partei mit der Entmachtung des Verfassungsgerichts Ärger mit der EU-Kommission ein: Seit fast einem Jahr schon prüft Brüssel in Polen die Rechtsstaatlichkeit. Nun hat Warschau nach einem geplatzten Rüstungsdeal mit dem europäischen Luftfahrtkonzern Airbus auch noch Ärger mit Paris und Berlin, seinen Partnern im außenpolitischen Gesprächsforum Weimarer Dreieck.
«Polen hat ein weiteres Mal das Vertrauen seiner Partner verletzt. Dieses wiederaufzubauen ist sehr schwer», sagt Agnieszka Lada vom Warschauer Institut für öffentliche Angelegenheiten (ISP). Gemeint sind rund einjährige Verhandlungen über den Kauf von 50 Caracal-Hubschraubern für Polens Armee. Überraschenderweise zog sich die PiS jedoch im Oktober von dem drei Milliarden Euro schweren Deal zurück. Airbus habe nicht die vereinbarten Investitionen in Polen vornehmen wollen, verteidigte Präsident Andrzej Duda die seit 2015 regierende PiS, die damit eine Entscheidung ihrer Vorgänger rückgängig machte.
Die Version des Luftfahrtkonzerns lautete anders: «Polens Regierung hat uns die Tür vor der Nase zugeschlagen!», erzürnte sich Airbus-Chef Tom Enders. Der Konflikt verschärfte sich, als Polens Verteidigungsminister Antoni Macierewicz kurz darauf Anstalten machte, statt der französischen US-Hubschrauber für das Militär zu kaufen. Inzwischen dementierte er dies wieder, doch die Verstimmung in Paris und Berlin blieb.
Denn eigentlich will die EU im Bereich Verteidigung und Sicherheit enger zusammenarbeiten. Dafür wäre die Ausstattung der Armeen mit dem gleichen Gerät von Vorteil, sagt Politikwissenschaftlerin Lada. «Angesichts des Brexits und des Wahlsiegs von Donald Trump ist es unerlässlich, in puncto Sicherheit und Außenpolitik mit einer Stimme zu sprechen», betont die Expertin.
Doch der Streit um die Militärhubschrauber treibt einen Keil zwischen die Länder. Zunächst sagte der französische Präsident François Hollande im Oktober Regierungskonsultationen in Warschau ab, Anfang November ließ Paris auch ein Treffen des Weimarer Dreiecks ins Wasser fallen. Die deutschen und polnischen Verteidigungsminister Ursula von der Leyen und Jean-Yves Le Drian schrieben an ihren Amtskollegen Macierewicz sogar einen mahnenden Brief.
Das Vertrauen der Partner sei strapaziert worden, stellt Lada fest. «Polens Regierung hat sich in der Angelegenheit unprofessionell verhalten», erklärt sie. Dies sei in Verteidigungsfragen besonders schädlich. Doch Polen will von einem Abkühlen der Beziehungen nichts wissen. «Wir haben uns mit Frankreich nicht wegen ein paar Dutzend Hubschraubern gestritten und werden es auch nicht tun», betonte Außenminister Witold Waszczykowski im Gespräch mit dem Sender TVN24.
Tatsächlich könnten die EU-Länder, um den Zusammenhalt der Union nicht weiter zu belasten, ihren Ärger bald zurückstecken. «Größe und Bedeutung Polens in der EU geben dem Land einen gewissen Spielraum», sagt Lada. Trotz aller Schwierigkeiten würden die Partner deswegen hartnäckig weiterversuchen, mit Polen zusammenzuarbeiten. Dies habe der Brexit nur verstärkt. «Doch auch diese Geduld hat ihre Grenzen», prophezeit Lada. Denn sowohl in Frankreich als auch Deutschland stehen im kommenden Jahr Wahlen an. Dann bleibe für eine nachsichtige Außenpolitik weniger Zeit.
Deswegen müsste sich auch Warschau um einen guten Draht zu Berlin bemühen. «Deutschland ist und muss für uns ein Schlüsselpartner bleiben», sagt die Expertin. Die Länder würden viele gemeinsame Standpunkte in der EU vertreten. Ob eine erfolgreiche und konstruktive Zusammenarbeit möglich sein wird, bereitet Berlin derzeit Sorge, wie Lada sagt. Denn eigentlich könnten Partner, um gemeinsamer Interessen willen wie derzeit dem Zusammenhalt der EU, auch mal ein Auge zudrücken. Unstimmigkeiten würden dann nicht öffentlich, sondern vertraulich geklärt. «Dieses Vertrauensverhältnis ist derzeit nicht vorhanden», sagt Lada.
Natalie Skrzypczak, dpa