Gedruckte Flugzeugteile – Projekte für Deutschen Zukunftspreis
Allein die Nominierung gilt als Prädikat. Neuerungen, die für den renommierten Zukunftspreis infrage kommen, müssen innovativ, zukunftsweisend und vor allem marktreif sein. Dieses Jahr geht es um rettende Medizin, 3-D-gedruckte Flugzeugteile und sichere Autos. München (dpa) – Ein Auto schert aus – bremsen, Lenkrad herumreißen. Wolfgang Heckl hat das gerade selbst erlebt – aber erstmals […]
Allein die Nominierung gilt als Prädikat. Neuerungen, die für den renommierten Zukunftspreis infrage kommen, müssen innovativ, zukunftsweisend und vor allem marktreif sein. Dieses Jahr geht es um rettende Medizin, 3-D-gedruckte Flugzeugteile und sichere Autos.
München (dpa) – Ein Auto schert aus – bremsen, Lenkrad herumreißen. Wolfgang Heckl hat das gerade selbst erlebt – aber erstmals ganz anders als je vorher: «Da hat schon einer gebremst und das Lenkrad rübergezogen.» Der Direktor des Deutschen Museums hat in seinem Wagen ein Radarsystem, das mehr Sicherheit bringen und Unfälle verhindern soll. Es kann eine automatische Notbremsung auslösen – und es reagiert schneller als der Mensch. Bei Heckl schaltete es sich kürzlich auf der Autobahn erstmals ein.
Die Technologie ist mit zwei weiteren marktreifen Innovationen im Bereich Flugzeugbau und Medizin nominiert für den Deutschen Zukunftspreis. Am Mittwoch stellten die Forscher ihre Projekte im Deutschen Museum vor. Der mit 250 000 Euro dotierte Preis gehört zu den bedeutendsten Wissenschaftspreisen in Deutschland, er wird am 2. Dezember vergeben. Schon die Nominierung gilt als hohe Auszeichnung.
Für das Radarsystem entwickelten Forscher von Infineon Technologies in München und Regensburg kostengünstige Mikrochips auf Basis von Silizium und Silizium-Germanium, die im Frequenzbereich von 77 Gigahertz senden, sowie ein für diese hohe Frequenz geeignetes Gehäuse. Radar funktioniert auch bei Dunkelheit und im Regen.
Ein paar hundert Euro je nach Modell kostet das Extra, so viel wie ein Satz neuer Reifen und weniger als eine Metalliclackierung. «Damit ist dieser Lebensretter wirklich für jedermann bezahlbar», sagte Teamsprecher Ralf Bornefeld. «Und nicht für einige Besserverdienende, die sich teure Fahrzeuge leisten können.» Rund fünf Millionen Fahrzeuge sind mit der Technik unterwegs, ebenso viele sollen in den nächsten zwölf Monaten damit ausgerüstet werden, auch Lastwagen. Zudem bedeute es einen weiteren Schritt auf dem Weg zu autonomen Fahrzeugen.
Auch ein anderes Projekt betrifft den Verkehr – aber in der Luft. Wissenschaftler aus Hamburg und Oberfranken (Airbus Operations und Laser Zentrum Nord in Hamburg; Concept Laser in Lichtenfels), drucken erstmals Bauteile für Flugzeuge im 3-D-Verfahren. Die Technik ist damit auch für hohen Belastungen und Hitze ausgesetzte Metallteile nutzbar, die für den Flugzeugbau zugelassen wurden. Derzeit wird ein Halter aus Titan für tonnenschwere Flugzeug-Kabinen produziert. Demnächst sollen Bremsklappen folgen. Und neben Titan soll in Kürze auch in Edelstahl und Aluminium gedruckt werden.
Die Produktion ist kostengünstiger, weil sie wenig Energie braucht, kein Metallrest bleibt – und Ersatzteile wie auch Einzelstücke oder Prototypen rasch nach Bedarf «gedruckt» werden können. «Hier entsteht eine Technologie, die ganz besonders die Umwelt schont», sagte Teamsprecher Peter Sander. Entwicklungszyklen reduzierten sich von Monaten auf Wochen. Das Verfahren dürfte über den Flugzeugbau hinaus interessant sein, etwa für Maschinen, Anlagen und Fahrzeuge. «Wenn man ein Flugzeugteil machen kann, kann man auch ein Autoteil machen.»
Die dritte Innovation kann Leben retten. Forscher von Bayer Pharma in Wuppertal und das Lungenforschungszentrum der Justus-Liebig-Universität in Gießen entwickelten und prüften einen neuen Wirkstoff gegen Lungenhochdruck. Die Patienten bilden zu wenig Stickstoffmonoxid, das ein gefäßerweiterndes Enzym stimuliert. Fehlt dieses, so verengen sich die Lungenarterien, in denen damit der Druck steigt. Für die Betroffenen wird jede Anstrengung schwierig, schon Treppensteigen bringt sie in Atemnot. Werden Patienten nicht therapiert, droht der Herztod. «An Lungenhochdruck kann jeder erkranken, auch Kinder. Es ist eine progressive lebensbedrohliche Erkrankung», sagte Teamleiter Johannes-Peter Stasch.
Den Wissenschaftlern gelang es nun, das gefäßerweiternde Enzym lösliche Guanylatcyclase unabhängig vom Stickstoffmonoxid anzuregen. Für die Forscher eine bahnbrechende Erkenntnis – sie fanden einen molekularen Ansatzpunkt zur Stimulation des Enzyms, der in der Natur nicht genutzt wird. Das sei ein komplett neuer Mechanismus in der Pharmakologie, sagte Stasch. Das Medikament mit dem Wirkstoff Riociguat ist in 50 Ländern zugelassen. Es kann bestimmten Patienten helfen, für die es bisher keine medikamentöse Therapie gab. Hoffnung auf Heilung machte Stasch ihnen allerdings nicht. Das Medikament muss auf Dauer genommen werden, um die Krankheit im Griff zu halten.
Mit ihren Projekten sind die nominierten Forscher besonders weit, oft arbeiten andere in ähnlichen Bereichen. Heckl ist mit Studenten dabei, ein Warnsystem ähnlich dem Radar im Auto für Radler zu entwickeln, ein Schutz, wenn sie etwa beim Autofahrer in den toten Winkel geraten. «Das könnte helfen, schwere Unfälle zu verhindern.»
Am 2. Dezember entscheidet die Jury, welches Projekt das Rennen macht. Einen Favoriten gebe es nicht, sagt Vorsitzender Ferdi Schüth.