Auf den Tag genau zehn Jahre nach dem ersten Motorflug wurde die erste Fluglinie begründet. Was da in Florida vor sich ging, war klein und gefährlich – aber der Anfang einer Weltrevolution. New York (dpa) – Das Flugticket war teuer, einen Film gab es ebenso wenig wie Essen an Bord und eine Stewardess war auch […]

Auf den Tag genau zehn Jahre nach dem ersten Motorflug wurde die erste Fluglinie begründet. Was da in Florida vor sich ging, war klein und gefährlich – aber der Anfang einer Weltrevolution.

New York (dpa) – Das Flugticket war teuer, einen Film gab es ebenso wenig wie Essen an Bord und eine Stewardess war auch nicht zu sehen. Und trotzdem waren selbst die begeistert, die gar nicht mitgeflogen waren. Vor 100 Jahren wurde der erste Linienflugbetrieb der Luftfahrtgeschichte aufgenommen. Es war der Beginn einer Revolution des Verkehrs, die schneller war als alle zuvor.

Es war gerade zehn Jahre her, dass die Gebrüder Wright den ersten anerkannten Motorflug der Geschichte unternommen hatten. Wobei «Motorflug» vielleicht etwas zu viel gesagt ist für den 37-Meter-Hopser. Aber es war der Start einer rasenden Entwicklung. Innerhalb von zehn Jahren gab es nicht nur Hunderte Nachahmer, sondern einen Start von einem Schiff, den ersten Fallschirmsprung und auch den ersten Bombenangriff. Nur Passagierverkehr, den gab es noch nicht.

Das änderte sich auf den Tag genau zehn Jahre nach dem ersten Flug. In Florida beschlossen einige Geschäftsleute, einen Linienverkehr zwischen Tampa und St. Petersburg einzurichten. «Das sind nicht einmal 35 Kilometer, aber um die Old Tampa Bay herum brauchte man damals über Land den ganzen Tag», erzählt der Luftfahrthistoriker Will Michaels. «Plötzlich sollte das in 20 Minuten gehen.»

Das Flugzeug stellte Thomas Benoist, der sich großartige Werbung für seine Flugzeugwerft versprach. Als Pilot wurde Tony Jannus gefunden, Benoists Testpilot. Der 24-Jährige flog erst seit vier Jahren, war aber schon ein Star mit mehreren Rekorden. Sein Bruder Roger war auch dabei, anfangs als Mechaniker, später als Pilot.

«Die erste Fluggesellschaft der Welt war die St. Petersburg-Tampa Airboat Line», sagt Michaels. «Und Flugboote mussten es sein, weil es einfach keine Flugplätze gab.» Nur vier Monate vergingen von der Idee bis zum Erstflug. «Zweimal am Tag flog das Flugzeug hin und wieder zurück, jeder Flug kostete fünf Dollar.» Der Zug kostete zwar nur einen Dollar – brauchte aber Stunden.

Der erste Passagier war St.Petersburgs Ex-Bürgermeister Abe Pheil, der für sein Ticket bei einer Wohltätigkeitsauktion satte 400 Dollar bezahlt hatte – fast der Gegenwert eines Autos. Dafür wurden er und Jannus am ersten Tag des Jahres 1914 aber auch von 3000 begeisterten Zuschauern verabschiedet. Der Gründer der Fluggesellschaft, Percy Fansler, rief der Menge zu: «Die Flugbootlinie nach Tampa wird nur der Vorläufer großer Aktivität solcher Linien in naher Zukunft sein.»

Er hatte recht! Bald schossen Luftpost- und Passagierlinien aus dem Boden. Nur gut zehn Jahren nach dem ersten Soloflug über den Atlantik von Charles Lindbergh 1927 gab es einen Liniendienst über den rauen Ozean und nach dem Zweiten Weltkrieg waren Flugreisen kaum noch etwas besonderes. In den letzten 20 Jahren des alten Jahrhunderts hat sich der Luftverkehr verdoppelt und heute werden über Deutschland jedes Jahr drei Millionen Flüge registriert. Aufregend ist nur noch die Frage, ob der eigene Koffer mitgekommen ist oder nicht.

Passagier Nummer 1 Pheil hatte gar kein Gepäck dabei. Obwohl der Flug nur 23 Minuten ging, musste Jannus auf dem Wasser zwischenlanden und den Propeller nachstellen. Letztlich wurden beide von 3500 Menschen frenetisch begrüßt. Jannus flog wenig später zurück, diesmal in 20 Minuten. Flughöhe: Gerade einmal 15 Meter.

Die erste Fluglinie der Welt gab es nur vier Monate, dann war die Touristensaison vorbei. Geld wurde nicht verdient. «Aber die Beteiligten wollten das auch gar nicht. Sie wollten zeigen, das es geht. Und es ging!», sagt Michaels. Unter seiner Leitung wird am 1. Januar ein exakter Nachbau des Flugzeugs die Strecke wieder fliegen.

Glück hatte keiner der Beteiligten. Flugzeugbauer Benoist schlug drei Jahre später beim Aussteigen aus einer Straßenbahn mit dem Kopf gegen einen Mast. Er starb wenig später mit 42. Das Flugzeug von Roger Jannus explodierte 1918 über den Schlachtfeldern Frankreichs. Und Tony Jannus selbst stürzte 1916 bei der Ausbildung russischer Piloten ins Schwarze Meer. Seine Leiche wurde nie gefunden.