Viele Arbeitsplätze in Ägypten hängen am Tourismus. Die Urlauber bestimmen die Entwicklung des gesamten Landes mit. Vor allem für viele Russen und Briten war Scharm el Scheich bisher ein Paradies. Doch nach dem Flugzeugunglück schwindet das Vertrauen. Kairo (dpa) – Ägypten ist das Land der Tempel und Pharaos, der Pyramiden und des türkisblauen Meers mit ganzjährigen Badetemperaturen. […]

Viele Arbeitsplätze in Ägypten hängen am Tourismus. Die Urlauber bestimmen die Entwicklung des gesamten Landes mit. Vor allem für viele Russen und Briten war Scharm el Scheich bisher ein Paradies. Doch nach dem Flugzeugunglück schwindet das Vertrauen.

Kairo (dpa) – Ägypten ist das Land der Tempel und Pharaos, der Pyramiden und des türkisblauen Meers mit ganzjährigen Badetemperaturen. Seit der Revolution 2011 ist es aber auch der Staat der Unruhen, Attentate und der fehlenden Stabilität. Kaum ein Urlaubsziel ist so reizvoll und gleichzeitig so unberechenbar wie das Land am Nil.

Der Absturz des russischen Ferienfliegers, bei dem 224 Menschen starben, war eine Katastrophe. Sollte es eine Bombe gewesen sein, träfe diese auch den Tourismus und mit ihm die Wirtschaft ganz Ägyptens ins Mark.

Denn die ökonomische Entwicklung des Landes ist maßgeblich von Urlaubern abhängig. Der Tourismus macht mindestens elf Prozent des Bruttoinlandsprodukts aus, fast 2,9 Millionen Arbeitsplätze waren nach jüngsten Angaben direkt oder indirekt vom Tourismus abhängig – und damit etwa jeder neunte Beschäftigte. Dabei war 2013 die Zahl der Gäste bereits eingebrochen: Es kamen 9,2 Millionen Menschen. 2010 waren es noch mehr als 14 Millionen.

Daniele Pagliacci streckt die Hand flach aus, lässt sie wie ein Flugzeug steil in die Luft steigen – um dann plötzlich wieder rasant Richtung Boden zu schießen. Es ist nicht Flug KGL 9268, den der Römer imitiert, sondern die Entwicklung des Tourismus in Ägypten. Pagliacci sitzt beim Frühstück in einem Hotel in Scharm el Scheich. In der Stadt an der Südspitze der Sinai-Halbinsel am Rotem Meer war die Unglücksmaschine am Samstag gestartet.

«Immer, wenn man gerade glaubt, es geht bergauf, geht es wieder bergab», sagt der Italiener, der schon seit Jahren herkommt und auch schon hier gearbeitet hat. Nur einige hundert Meter entfernt kreuzen die weißen Jachten vor der warmen Novemberküste, tauchen Touristen im klaren Wasser und freuen sich auf den abendlichen Bummel durch die künstliche Glitzerwelt der Hafenstadt.

Für viele Menschen, vor allem Russen und Briten, ist dieser Ort ein Paradies. Eine Oase der Sicherheit in einem Land, dessen Stabilität mit den arabischen Aufständen 2011 ins Wanken geriet. Nun behauptet ein Ableger der Terrormiliz Islamischer Staat (IS), das Flugzeug vom Himmel über dem Sinai geholt zu haben.

Westliche Geheimdienste halten eine Bombe an Bord für immer wahrscheinlicher. Großbritannien setzte als erstes Land seine Flüge aus. Ägyptens Tourismus dürfte einmal mehr in den Sinkflug gehen.

«Das Problem für Ägypten ist jetzt, dass das ganze Land ein unsicheres Image hat», erklärt Stephan Roll, Ägypten-Experte der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP). Bei anderen, punktuellen Anschlägen, stelle sich nach dem ersten Schock bald das Vergessen ein. Nach dem blutigen Terroranschlag im tunesischen Djerba 2002 kamen die Urlauber auch wieder. Doch bei Ägypten sei mittlerweile ein anderes Level erreicht.

Auch wenn viele Urlauber, die in Scharm el Scheich über akkurate Grünanlagen spazieren, betonen, wiederkommen zu wollen: Menschen aus dem Westen, die sich zwischen Ägypten und einem anderen Urlaubsland entscheiden müssen, könnten nun nachhaltig abgeschreckt sein, befürchtet Roll. «Das ist ein sehr gefährliches Pflaster», sagt der Fachmann über den Staat am Nil.

Die Hoteliers in Scharm el Scheich geben nicht mangelnder Sicherheit die Schuld, sondern fremden Mächten: Das Telefon klingelt, die europäische Sprecherin eines Fünf-Sterne-Resorts ist dran. Für sie sei Scharm el Scheich der sicherste Ort der Welt. «Das letzte Mal war es Angela Merkel, die uns den Tourismus kaputt gemacht hat, jetzt sind es die Briten», schäumt sie und spielt auf eine verschärfte Reisewarnung des Auswärtigen Amtes von 2014 an.

Doch an einen völligen Tourismus-Kollaps wie in Luxor 1997, als islamistische Terroristen 58 Urlauber in der südägyptischen Touristenstadt erschossen, glauben die Geschäftsleute am Roten Meer nicht. Zumindest die Russen würden wiederkommen, sagt Ahmed, der hinter der Rezeption eines Mittelklasse-Hotels nahe der Kneipenmeile steht: «Sie werden keinen anderen so günstigen Platz finden wie Scharm el Scheich.»