Lufthansa weiter auf Streik- und Schrumpfkurs Von Christian Ebner, dpa
Wird die Lufthansa endgültig zur «Streikhansa»? Nach den Piloten haben nun erstmals die Flugbegleiter ihre Arbeit niedergelegt. Die Führung hat einen Konzernumbau ohne die Beschäftigten durchgezogen. Frankfurt/Düsseldorf (dpa) – Schon wieder Streik bei der Lufthansa – und dann auch noch der längste in der Firmengeschichte. Nach zwei Jahren ergebnisloser Verhandlungen tun es die Flugbegleiter den […]
Wird die Lufthansa endgültig zur «Streikhansa»? Nach den Piloten haben nun erstmals die Flugbegleiter ihre Arbeit niedergelegt. Die Führung hat einen Konzernumbau ohne die Beschäftigten durchgezogen.
Frankfurt/Düsseldorf (dpa) – Schon wieder Streik bei der Lufthansa – und dann auch noch der längste in der Firmengeschichte. Nach zwei Jahren ergebnisloser Verhandlungen tun es die Flugbegleiter den Piloten, die bereits 13 Mal im Ausstand waren, gleich.
Sie wollen die Lufthansa-Kerngesellschaft bis zum kommenden Freitag (13. November) für ganze acht Tage lahmlegen, um das heutige Niveau ihrer Betriebsrenten und Versorgung beim Übergang in den Ruhestand zu retten. Das Vorgehen der eigentlich konsensorientierten Gewerkschaft Ufo zeigt, wie gestört das Verhältnis zwischen Belegschaft und Management bei Europas größter Fluglinie inzwischen ist.
Mit drei Gewerkschaften gleichzeitig liegt der Konzern im Dauerclinch: mit der Vereinigung Cockpit (VC) für die Piloten, der Ufo für Stewards und Stewardessen sowie Verdi für das Bodenpersonal. Schwierigstes Thema ist überall der geplante Umbau des Rentensystems.
Bislang konnten sich Lufthanseaten im (Vor-)Ruhestand auf in der Höhe fest zugesagte Betriebsrenten verlassen. Künftig will das Unternehmen nur noch seine Beiträge, nicht aber die Rendite des angesparten Kapitals garantieren. Als bislang einzige Gewerkschaft hat sich Ufo zum Systemwechsel bereiterklärt – bekommt aber keine Einigung hin.
Immer stärker ins Zentrum der Auseinandersetzung ist zuletzt die Lufthansa-Arbeitsdirektorin Bettina Volkens gerückt. Die vor drei Jahren von der Bahn geholte Personal-Managerin wird von den Gewerkschaften inzwischen öffentlich und persönlich angegriffen.
Ufo-Chef Nicoley Baublies hält ihr vor, das Arbeitsklima in der trotz Dauerbelastung deutlich geschrumpften Tarifabteilung des Konzerns massiv verschlechtert zu haben. Dort gelte inzwischen der Grundsatz: «Wer kritisiert, fliegt raus.»
Für die Tarifverhandlungen interessiere sich Volkens nicht ausreichend und sei in ihren Äußerungen auch nicht greifbar. «Wir wissen überhaupt nicht mehr, worauf wir uns verlassen können», lautet die wiederholte Klage aus dem Ufo-Verhandlungsteam.
Das ist wohl der eigentliche Grund des Scheiterns: Es sind in den Gesprächen zur «Agenda Kabine» so viele Einzelthemen aufgelaufen und in immer neuen Kombinationen miteinander verknüpft worden, dass inzwischen niemand mehr genau weiß, wer wann was zugesagt oder abgelehnt hat. Ufo streikt daher auch für eine verlässliche Verhandlungsatmosphäre und klagt gegenseitiges Vertrauen ein.
Die breite Themenpalette taugt auch als Arsenal für Nebenschauplätze. Lufthansa wirft der Gewerkschaft vor, uneinlösbare Nebenforderungen aufgestellt zu haben, für die nun eigentlich gestreikt werde. So habe Ufo unter anderem verlangt, dass die Lufthansa Flugbegleiter anderer deutscher Gesellschaften unter Anrechnung vorheriger Dienstzeiten und ohne Überprüfung einstelle, wenn diese etwa bei Condor oder Air Berlin ihren Job verlieren.
Baublies hat dies strikt abgestritten. Klar ist auf der anderen Seite, dass Ufo Rahmenvereinbarungen für Jobs beim österreichischen Billigableger Eurowings Europe verlangt hat. Lufthansa will sich hingegen mit der österreichischen Gewerkschaft Vida absprechen.
Anders als die Piloten hat Ufo den Streikaufruf auf das tarifliche Thema Betriebs- und Übergangsrenten beschränkt. Die Angriffsfläche, den Streik gerichtlich verbieten zu lassen, ist damit geringer als bei der vorerst letzten Piloten-Streikrunde im September, die auf Lufthansa-Klage vom Landesarbeitsgericht Hessen gestoppt worden war.
Dass auch zwei Jahre nach Beginn der Verhandlungen noch mit keiner Gewerkschaft ein Abschluss auch nur greifbar erscheint, ist für die Lufthansa kein kleines Problem. Die Streikkosten in dreistelliger Millionenhöhe kann der Dax-Konzern auch wegen der günstigen Kerosinpreise zwar durchaus verkraften, er peilt ein operatives Rekordergebnis von knapp 2 Milliarden Euro an.
Doch langfristig muss der Kranich seine überalterte Flotte erneuern und die Kosten in den Griff bekommen, um die dafür notwendigen Mittel zu erwirtschaften. Gegen das Personal scheint das kaum möglich.
Derzeit verliert die Lufthansa laufend Geschäft, weil sie auf vielen Strecken nicht konkurrenzfähig ist. Aktuell habe man 25 Maschinen weniger im Einsatz als noch 2012 geplant, hatte Vorstandschef Carsten Spohr bei der Vorstellung der jüngsten Zahlen gesagt. Der Aufbau des europäischen Billigarms Eurowings liege voll im Zeitplan, nun müsse auch das Drehkreuz-Modell wachstumsfähig gemacht werden.
Fast wie Hohn müssen da die neuesten Zahlen des gewerkschaftsfreien Konkurrenten Emirates wirken. Die Airline vom Drehkreuz Dubai meldete am Freitag trotz starker Währungsverluste zum US-Dollar einen Halbjahres-Nettogewinn von umgerechnet rund 780 Millionen Euro.
Die Flotte der Araber ist in den vergangenen sechs Monaten um neun Großraumflieger gewachsen, zu denen bis 31. März 2016 noch 16 Jets hinzukommen sollen. Die stolze Lufthansa schrumpft bis auf weiteres.