Die neue Reisewelt des Teilens – Social Media und Sharing-Dienste Von Philipp Laage, dpa
Teilen ist ein neuer Trend unserer Zeit. Bewertungen anderer beeinflussen die eigene Reise, passgenaue Infos gibt es an Ort und Stelle per App, Privatunterkünfte boomen. Und was hat der Urlauber davon? Berlin (dpa/tmn) – Viele Schlagworte aus dem Internet haben heute eine große Bedeutung für die Urlaubswelt. «Mobile» ist so ein Begriff – die Menschen suchen und buchen […]
Teilen ist ein neuer Trend unserer Zeit. Bewertungen anderer beeinflussen die eigene Reise, passgenaue Infos gibt es an Ort und Stelle per App, Privatunterkünfte boomen. Und was hat der Urlauber davon?
Berlin (dpa/tmn) – Viele Schlagworte aus dem Internet haben heute eine große Bedeutung für die Urlaubswelt. «Mobile» ist so ein Begriff – die Menschen suchen und buchen zunehmend über mobile Geräte, wie die jüngste FUR-Reiseanalyse zeigt. Social Media ist ein anderes Phänomen – die Menschen teilen ihre Urlaubsfotos und Erlebnisse mit anderen. Das Modewort auf der diesjährigen Reisemesse ITB ist nun Share Economy: Damit ist vor allem gemeint, dass Menschen ihre Privatwohnungen über das Netz an Urlauber vermitteln. Schon wieder ein neuer Trend? Vielleicht.
Wichtiger ist: Allen Entwicklungen, die durch die Digitalisierung getrieben sind, ist eines gemein – der Aspekt des Teilens, ob von Informationen, Erfahrungen oder dem eigenen Bett. Soziale Medien und Sharing-Dienste verändern den Reiseprozess von der Informationssuche über die Durchführung bis zur Nachbereitung, sagt Prof. Torsten Kirstges von der Jade Hochschule Wilhelmshaven. Wie sieht das im Einzelnen aus?
– Vor der Reise: In dieser Phase geht es vor allem um Inspiration, um die Entscheidungsfindung: In welches Land und welches Hotel soll es gehen? Hier setzen Buchungsportale und Reise-Communitys an – die weltweit größte ist Tripadvisor. Kürzlich knackte das Portal die Marke von 200 Millionen Berichten und Meinungen. Nutzer können Hotels und Sehenswürdigkeiten bewerten und sich durch die Bewertungen anderer eine Meinung bilden. Erfahrungen werden geteilt und damit in der Summe zu einer wichtigen Planungshilfe für Reisende – die dann womöglich gar nicht mehr ins Reisebüro gehen.
«Wir schätzen die Meinung anderer als sehr wertvoll ein, wenn wir entscheiden, wofür wir unser hart erarbeitetes Geld ausgeben wollen», so beschreibt Tripadvisor-Geschäftsführer Stephen Kaufer den Grund, Bewertungsportale zu nutzen. Er spricht von einer Demokratisierung des Reisens: Das Meinungsmonopol liegt nicht mehr beim Veranstalter oder Reisebüro. Ist das Hotel gut? Wenn 1000 Menschen dazu ihre Meinung teilen, entsteht ein verlässliches Urteil – so die These.
Die mitgeteilte Meinung wirkt nicht nur als Auswahlhilfe, sie hilft sogar den Hoteliers. Expedia zum Beispiel hat auf seiner Webseite eine Art Echtzeit-Feedback eingeführt. «Die Hotelbetreiber haben gesagt, wenn wir nur von dem Problem gewusst hätten, als der Gast noch bei uns im Hotel war, hätten wir es beheben können», erklärt Cyril Ranque, Marketing-Stratege von Expedia. Durch das Live-Feedback ihrer Gäste können sie ihr Produkt für den Gast verbessern.
Wenn die Buchung abgeschlossen ist, geht es darum, den Reisenden weiter mit Informationen zu füttern. Denn dann sei die Vorfreude am größten, erklärt Marco Ryan, Chief Digital Officer bei Thomas Cook. Passgenaue Infos teilt der Veranstalter über die App Travel Guide mit dem Urlauber, etwa Empfehlungen für Restaurants und Angebote vor Ort. «Sharing ist nicht nur etwas für die Kunden», begründet Ryan diesen Schritt. Das Schlimmste sei, wenn der Gast nach dem Urlaub sagt «Hätte ich das nur vorher gewusst». So teilt Thomas Cook möglichst viele wertvolle Informationen – bevor andere Anbieter außerhalb der klassischen Tourismusbranche das tun.
– Während der Reise: Hier geht das Teilen im Prinzip nahtlos weiter. Informationen und Meinungen etwa zu Lokalen oder Sehenswürdigkeiten besorgen sich immer mehr Urlauber direkt vor Ort, ob vom Veranstalter oder aus Reise-Communitys. Hier setzt zum Beispiel die App Getyourguide an, die den Urlauber unterwegs über Angebote in seinem nahen Umfeld informiert. «Die große Frage ist, machen sich die Reisenden heute überhaupt vorab Gedanken darüber, was sie vor Ort machen wollen?», sagt Geschäftsführer Johannes Reck.
Dass darauf auch die Reiseveranstalter reagieren müssen, gibt auch der Präsident des Deutschen Reiseverbands (DRV), Norbert Fiebig, zu: «In Zukunft geht es darum, den Urlauber mit passgenauen Angeboten während der Reise zu erreichen. Das kann der Standort eines Restaurants sein, aber auch die Möglichkeit für Reklamationen.»
Die Veranstalter machen sich auch zunehmend den Mitteilungsdrang ihrer Kunden zunutze, die auch im Urlaub fast nicht mehr von Tablet und Smartphone lassen können. Bei Tui sollen Hotelgäste in Zukunft vermehrt Bilder, Kommentare und Urlaubstipps mit einem bestimmten Hashtag auf sogenannten Social Walls teilen können. Und in der Travel-Guide-App von Thomas Cook kann auch der einfache Urlauber seine «Points of interest», seine Lieblingsorte teilen. «Veranstalter versuchen die soziale Medien während der Reise zu nutzen», bestätigt Prof. Kirstges diese Entwicklung.
Doch die neue Dynamik des Teilens auf Reisen zeigt sich vor allem im Bereich der Übernachtungen: Wer über Share Economy spricht, kommt an Airbnb, Wimdu oder 9flats nicht vorbei, Portale für die Vermietung von Privatwohnungen als Alternative zum Hotel. Das Wachstum ist rasant: 2014 reisten durchschnittlich eine Million Gäste pro Monat mit Airbnb – 2009 waren es im ganzen Jahr 21 000. Airbnb zählt bislang nach eigenen Angaben schon mehr als 1 Million deutsche Gäste, vor einem Jahr waren es 250 000.
Interessant sind Übernachtungen in den Privaträumen von Fremden wohl vor allem für jüngere Reisende – jedenfalls noch. In einer repräsentativen Umfrage von Insa Consulere im Auftrag von Travelzoo gab fast die Hälfte der Befragten (47 Prozent) an, Angebote wie Airbnb seien nicht nur etwas für junge Leute.
Privatunterkünfte bieten Kirstges zufolge oft mehr Authentizität als viele Hotels – und das wird Reisenden immer wichtiger. Viele Menschen vermieten – man könnte auch sagen: teilen ihre eigene Wohnung gegen Geld -, wenn sie unterwegs sind. Das führt in vielen Städten zu großen Auseinandersetzungen mit der Hotellerie. Das Portal Wimdu etwa wirbt damit, mindestens 50 Prozent günstiger zu sein als ein Hotel – eine Kampfansage. So dient die Share Economy hier nicht nur dem persönlichen Reiseerlebnis, sondern reduziert auch Kosten für Mieter und Vermieter: Der eine übernachtet günstig, der andere macht seine ungenutzte Wohnung zu Geld.
Kirstges schränkt den Boom um Privatunterkünfte aber ein: «Gemessen an der traditionellen Reiseindustrie ist das ein kleines Marktsegment.» Roman Bach, Geschäftsführer von 9flats, sieht das anders: «Das ist kein Trend mehr, das ist etwas, was Konsumenten heute fordern.» Die etablierte Reiseindustrie nimmt die Konkurrenz in jedem Fall ernst. Beim DRV spricht man diplomatisch von «Impulsgebern von außen».
– Nach der Reise: Hier schließt sich der Kreis. Der Erfahrungsbericht über die zurückliegende Reise wird zur Inspiration für die nächste. Auch hier wollen die Veranstalter mitspielen: «Nach der Reise wird es darum gehen, sich mit Gleichgesinnten weiter auszutauschen», sagt Norbert Fiebig. Bleibt die Frage, wo die Urlauber dies in Zukunft verstärkt tun, ob auf Facebook, Instagram, Tripadvisor oder eben in der Reise-Community eines klassischen Veranstalters.
Auch Lufthansa arbeitet an seiner Digitalstrategie und ist stolz auf 1,8 Millionen Facebook-Fans. Vorstandsmitglied Jens Bischof formulierte den Mehrwert für das Unternehmen auf der ITB so: «In einer digitalen Welt kann das Lufthansa-Erlebnis besser ins Schaufenster gestellt werden.» Ich teile, also bin ich – das gilt mehr denn je auch für den Urlaub.