Die Risiko-Analyse für das Jahr 2024 ist da: Wie sicher ist das Fliegen? Wie viele Fluggäste starben bei Flugunfällen? Die Ergebnisse in der Übersicht!

Ein Jahr ist erst nach 365 Tagen zu Ende. Diese Erkenntnis ruft einmal mehr das Hamburger Flugunfallbüro JACDEC für 2024 in Erinnerung. In 51 der 52 Wochen des vergangenen Jahres lag die Zahl der globalen Flugunfallopfer leicht unter dem bereits sehr guten Vorjahresniveau. Doch innerhalb von nur vier Tagen wurde die Hoffnung auf eine noch positivere Bilanz durch zwei katastrophale Unfälle zunichte gemacht. 2024 rutsche schlagartig vom zweitbesten zum achtbesten Jahr in der Geschichte der Zivilluftfahrt ab.  

Ist das ein Grund zur Sorge? Nein, meinen die Hamburger Flugsicherheitsanalysten. Flugunfälle sind zwar selten, aber eben nicht komplett zu verhindern. Die Luftfahrt muss nur ihre Lehren daraus ziehen. Einer insgesamt exzellenten Gesamtentwicklung der Sicherheit der Zivilluftfahrt, der sich jedes Jahr laut Branchenverband ICAO rund 4,5 Milliarden Menschen anvertrauen, stehen diese tragischen Ereignisse jedoch nicht im Wege. Denn Flugsicherheitsanalytik ist nur über einen längeren Zeitraum möglich. 

Wie viele Menschen starben 2024 bei Flugzeugabstürzen?

Von Januar bis Dezember 2024 starben 340 Menschen bei 18 Flugzeug-Totalverlusten. Damit kamen im vergangenen Jahr fast doppelt so viele Menschen ums Leben wie im Vorjahreszeitraum. Gezählt wurden nur Personen, die sich zum Unfallzeitpunkt innerhalb des Flugzeugs aufgehalten haben. In die Auswertung flossen sämtliche Unfälle mit Maschinen ein, die mehr als 19 Sitze haben oder schwerer als 5,7 Tonnen sind. Zusätzlich nahmen die Hamburger Experten einige kleinere Flugzeugtypen, die bei vielen Regionalfluglinien im Einsatz stehen, in ihre Datenbank auf, um einen möglichst umfassenden Sicherheitsüberblick der kommerziellen Luftfahrt zu gewinnen. Obwohl sich das Ergebnis verschlechtert hat, liegt es immer noch deutlich unterhalb des Zehn-Jahre-Durchschnitts der 2010er-Jahre. 

Flugsicherheitsbilanz 2024: Weltkarte der Totalverluste und schweren Zwischenfälle.
Flugsicherheitsbilanz 2024: Weltkarte der Totalverluste und schweren Zwischenfälle. Bild: Grafik

Mit Blick auf die vergangenen zehn Jahre waren es durchschnittlich 492 Tote pro Jahr. Somit kann 2024 nicht als negativer Ausreißer gelten. Vielmehr bewies sich, wie gut die Sicherheitsvorkehrungen an Bord geworden sind.  

Januar 2024: A350 kollidiert mit Dash 8

Kaum ein Unfall demonstriert besser, wie effektiv heutzutage das Leben aller Menschen an Bord durch moderne Technik und Crewausbildung geschützt wird, als die Kollision einer japanischen A350 mit einer Propellermaschine der Küstenwache in Tokio Anfang Januar. Der Airbus wurde zerstört, und es kam zusätzlich zu einem starken Feuer. Doch alle 379 Menschen des Airbus‘ gelangten über Notrutschen ins Freie, bevor der zwei Jahre alte Langstreckenjet ein Raub der Flammen wurde. Von den fünf Insassen der Turboprop überlebte nur der Flugkapitän. Luftfahrtkenner sind sich einig, dass derselbe Unfall einige Jahrzehnten zuvor mit deutlich mehr Opfern geendet hätte.  

Die Hamburger Analysten, die nach dem Prinzip „Sicherheit ist die Abwesenheit von Unfällen“ arbeiten, bewerten 2024 als ein Weder-noch-Jahr. Weder muss man sich als Passagier Sorgen machen, das das Fliegen in irgendeiner Weise riskanter geworden wäre, noch darf man sich der Illusion hingeben, man würde einer perfekten Welt ohne Unfälle entgegengehen, oder besser: -fliegen. 

Dezember 2024: 179 Todesopfer in Südkorea

Das Unglück in Südkorea ist mit 179 Todesopfern das schlimmste der vergangenen sechs Jahre. Damit gingen 53 Prozent aller Unfalltoten des gesamten Jahres auf das Konto dieses einzelnen Ereignisses. Dennoch muss man diesen Crash als einen Einzelfall betrachten, der nicht repräsentativ für das hervorragende Sicherheitsniveau ist, mit dem wir es zu tun haben. Da ist eine auf zwölf Monate begrenzte Betrachtung der Flugsicherheit ein willkürlicher und zu geringer Zeitraum. Hätte sich das Unglück von Südkorea nur drei Tage später ereignet, wäre diese Jahresanalyse vollkommen anders ausgefallen. 

Bei einem Landeversuch auf dem Muan International Airport in Südkorea sind 179 Personen an Bord gestorben.
Bei einem Landeversuch auf dem Muan International Airport in Südkorea sind 179 Personen an Bord gestorben. Bild: picture alliance / Xinhua News Agency | NEWSIS

2024 gab es aber auch einige Flugunfälle, bei denen tatsächlich von „Glück im Unglück“ gesprochen werden kann. Nur drei Tage nach dem Vorfall in Japan löste sich eine deaktivierte Nottür einer Boeing 737 MAX 9 der Alaska Airlines im Steigflug. Keiner der 180 Insassen wurde ins Freie gesogen, und den Piloten gelang eine sichere Rückkehr zum Flughafen. Dieser Unfall schürte erneut Zweifel an der Fertigungsqualität des Flugzeugherstellers Boeing 

Februar 2024: Piloten kalkulieren Startstrecke zu optimistisch

Noch knapper entkamen Mitte Februar 106 Menschen an Bord einer Embraer 190 der Marathon Airlines dem Tod, weil die Piloten ihre Startstrecke zu optimistisch kalkuliert hatten. Die Maschine hob erst weit hinter dem Pistenende ab und kollidierte mit einem Hindernis. Obwohl massiv beschädigt, konnte das Flugzeug sicher landen. Kurz vor Jahresende traf es in Kasachstan erneut eine Embraer 190, dieses Mal der Aserbaijan Airlines, die vermutlich in russischen Raketenbeschuss geraten war. 67 Menschen an Bord überlebten, 38 Insassen kamen ums Leben. 

Am 25. Dezember ist diese Embraer 190 der Azerbaijan Airlines in Kasachstan abgestürzt.
Am 25. Dezember ist diese Embraer 190 der Azerbaijan Airlines in Kasachstan abgestürzt. Bild: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Azamat Sarsenbayev

Natürlich hat das Thema Sicherheit für alle Fluggesellschaften oberste Priorität. Doch Turbulenzen können immer wieder auftreten und sind nicht immer planbar. Das Hamburger Flugunfallbüro erfasst sie in der Statistik, wenn sie zu mehreren Schwerverletzten führen oder mehr als zwei Crew-Mitglieder der Kabine verletzungsbedingt ausfallen. Im vergangenen Jahr wurden 22 Meldungen dieser Art in die Datenbank aufgenommen. Und: Turbulenzen und Extremwetterereignisse werden immer häufiger. Laut einer Studie der University of Reading stieg in den vergangenen 40 Jahren die Anzahl und die Dauer von Turbulenzwarnungen allein über dem Nordatlantik um 55 Prozent.  

Viele tödliche Unfälle auf regionalen Strecken

2024 zeigte sich erneut eine klare Zweiteilung in der Luftfahrt. Abgesehen vom Unglück in Südkorea ereigneten sich alle tödlichen Unfälle auf regionalen Strecken unter 800 Kilometern – ein Bereich, der seit Jahren für die Mehrheit der weltweiten Unfalltoten verantwortlich ist. 

In der Opferverteilung nach Regionen schlagen sich die schwereren Unfälle sehr deutlich nieder:

Flugunfallopfer: Anteile nach Regionen 2024.
Flugunfallopfer: Anteile nach Regionen 2024. Bild: JACDEC

Europa verzeichnete im vergangenen Jahr die weltweit besten Werte in der Flugsicherheit, mit nur einem Todesfall bei einem Frachtflug und einem globalen Opferanteil von lediglich 0,3 Prozent. Angesichts der mehr als 800 Millionen Passagiere, die 2024 mit dem Flugzeug reisten, ist dies ein positives Ergebnis. Afrika zeigte ebenfalls Fortschritte und registrierte trotz bestehender Herausforderungen deutlich weniger Flugunfälle als noch vor zehn oder 20 Jahren. Am unteren Ende der Statistik rangiert die Region Asien-Pazifik, unter anderem aufgrund des Unglücks in Südkorea, gefolgt von Lateinamerika, wo der zweitfolgenschwerste Flugunfall stattfand. 

Flugsicherheitsbilanz: Wie werden die größten Airlines bewertet?

Im großen Sicherheitsranking des Hamburger Büros für Flugsicherheit JACDEC in Zusammenarbeit mit AERO INTERNATIONAL werden die jeweils größten Airlines weltweit sowie in den drei Regionen Europa, Nord-/Mittel- und Lateinamerika und Afrika/Asien/Naher Osten mit einem Risikoindex bewertet. Dessen nur theoretisch erreichbarer Maximalwert liegt bei 100 Prozent – je höher der Wert, desto sicherer die Airline. Die Zahlen liegen oft so eng beisammen, dass für die Bewertung der Sicherheit einer Airline der Wertebereich wichtiger ist als der absolute Rang.

Aufgeführt sind in den jeweiligen Ranglisten immer nur die größten Airlines. Sie werden an den Revenue Passenger Kilometers (RPK), also den kommerziell geflogenen Passagierkilometern, gemessen.

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Die ausführliche Flugsicherheitsanalyse lesen Sie in AERO INTERNATIONAL 3/2025. Die Ausgabe ist ab 7. Februar 2025 online oder im Zeitschriftenhandel erhältlich.

Text: Jan-Arwed Richter