Flughafen München will seine Stärken nutzen

Im Interview bezieht Münchens Flughafenchef Jost Lammers Stellung zur starken Präsenz der Lufthansa im Erdinger Moos im Allgemeinen und den aktuellen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen im Besonderen.
AERO INTERNATIONAL: Die Lufthansa Group betreibt sechs Drehkreuze. Wie intensiv ist der Wettbewerb untereinander?
Jost Lammers: Wettbewerb belebt das Geschäft, man muss sich ständig neu beweisen, um vorne mit dabei und attraktiv zu sein. Da sind wir für den Flughafen München zuversichtlich. Wir haben zudem ein enges Joint Venture mit der Lufthansa durch unser Terminal-2-System. Lufthansa verdient mit bei den Entgelten und dem Non-Aviation-Geschäft, beteiligt sich dafür aber auch an den Investitionen. Zudem sind alle AOCs der Lufthansa-Gruppe in München vor Ort präsent – inklusive Discover Airlines.
Aber welche Gefahren birgt es, wenn ein Airport mehr als 70 Prozent seines Geschäftes mit nur einer Airline-Gruppe erzielt?
Man ist natürlich wechselseitig in einer Abhängigkeit. Für den Flughafen München hat sich dies über Jahrzehnte sehr positiv im Hinblick auf das Netzwerk und das Interkont-Geschäft ausgewirkt. Es ist eine starke Struktur für beide Seiten. Bei diesem Joint Venture haben wir 60 Prozent der Anteile, Lufthansa 40 Prozent.
Im vergangenen Jahr war Lufthansa mit der Performance des Hubs München nicht so zufrieden …
Es hat wechselseitig geknirscht, aber wir haben uns zusammengerauft. Gegenwärtig haben wir eine exzellente Performance. Jens Ritter (CEO der Lufthansa Airlines, Anmerk. d. R.) hat kürzlich öffentlich geäußert, dass Lufthansa 2025 den besten Start seit zehn Jahren in München bei Pünktlichkeit, Stabilität und anderen Schlüsselkennzahlen hingelegt habe. Aktuell läuft es operativ sehr gut.
Welche Rolle wird das neue Mitglied in der Lufthansa-Familie, die ITA Airways, am Hub München spielen?
Ich glaube, für Lufthansa wird ITA Möglichkeiten für das Afrika- und Südamerika-Geschäft bieten. Wir beobachten aber auch, dass gerade eine zusätzliche Verbindung von München nach Mailand aufgenommen wurde. Auch Air Dolomiti bleibt ein wichtiger Zubringer nach München. Somit sehen wir, dass es in beide Richtungen gute Wachstumsimpulse geben wird.
Und wie läuft es mit Fluggesellschaften anderer Luftfahrt-Gruppierungen?
Die Konsolidierung geht voran, somit gibt es auch immer weniger Airlines. Aber wir haben die letzten Jahre immer auch auf eine vielfältige Präsenz in München geschaut. Jetzt haben wir einen schönen Erfolg Richtung Asien und freuen uns auf Cathay Pacific, darauf haben wir viele Jahre hingearbeitet. Auch EVA Air ist da, ebenso Vietnam Airlines. Ich würde gerne wieder eine Anbindung nach Südamerika in München sehen. Und auch in Afrika gibt es das eine oder andere Thema, wie etwa Ethiopian Airlines (das scheitert gegenwärtig an den Verkehrsrechten, Anmerk. d. R.).
Der Verkehr über den Nordatlantik ist mit Unsicherheiten durch die Regierung von Donald Trump behaftet. Wie wirkt sich das aus?
Allgemeine Unsicherheit ist nie gut für das Geschäft. Aktuell können wir sagen, dass die Zahlen stimmen. Wenn man mit Kunden und Airlines spricht, geht man von einer kleineren Wachstumsdelle aus. Entscheidend werden die kommenden Wochen und das Buchungsverhalten für den Sommer sein.
Sehen Sie das Drehkreuz Frankfurt als Konkurrenten an?
Es ist immer beides. Frankfurt hat als Großflughafen und Drehkreuz 50 Jahre Vorsprung. Heute nehme ich wahr, dass wir die modernere Flotte mit A350 und A380 in München haben. Frankfurt hat natürlich eine weltumfassende Reichweite. Wir leben in einer dynamischen Kollegialität und Wettbewerbslage und müssen einfach sehen, dass wir unsere Stärken nutzen.
Wie steht es im globalen Wettbewerb um die Hubs in Europa generell?
Ich glaube, dass alle hier dieselbe Herausforderung haben. Du kannst nur gemeinsam gewinnen, wenn Du als Airline und Airport einen engen Schulterschluss erreichst. Air France-KLM verfolgt eine Dual-Hub-Strategie in Amsterdam und Paris, wir mit Lufthansa in München und Frankfurt. Diese europäischen Hub-Gruppen stehen insbesondere im Wettbewerb zu Istanbul und den Airports am Golf. Es wird viel davon abhängen, wann es uns wieder gelingt, ein Level Playing Field durch die Europa-Politik zurückzuholen. Es kann ja nicht sein, dass systematisch alle diese Airlines und Hubs in Westeuropa benachteiligt sind und die aktuelle Green-Deal-Situation, SAF oder Sonderquoten, also die Rahmenbedingungen, die uns auferlegt sind, andere Airlines nicht betreffen. Und das wird spielentscheidend sein für Hubs wie München.
Wie lange können dann Europas Drehscheiben noch Paroli bieten?
Es ist ein schleichender Prozess. Die Wettbewerbsfähigkeit geht stückweise verloren. Es müssen ganz schnell regulatorische Veränderungen kommen und die Zusatzlasten von unseren Schultern genommen werden. Die nächsten drei bis fünf Jahre sind für mich richtungsweisend. Anfang der 2030er-Jahre werden wir dann sehen, ob wir noch eine intakte eigene Luftfahrt in Europa haben oder nicht.
Und wie könnte das Szenario dann aussehen?
Wenn es nicht gelingt, dass sich die Netzwerk-Carrier behaupten können, dann hat man in einem Worst-Case-Szenario nur mehr Low-Cost-Carrier im Punkt-zu-Punkt-Verkehr. Und im Interkont-Bereich wird dann über den Golf und den Bosporus oder andere Hubs außerhalb der EU geflogen. Und die Wertschöpfung entsteht dann an diesen Airports und bei den außereuropäischen Airlines. Wir sind dann nur mehr deren Abholstationen ohne eigene Drehkreuze.
Nun sind ja auch die Standortkosten in Deutschland alles andere als förderlich …
Wir erwarten dringend, dass die letzte Erhöhung der Luftverkehrsteuer zurückgenommen wird. Wir haben Luftsicherheitskosten, Sicherheitsgebühren, staatlich initiierte Kosten, die sind einfach nicht tragbar. Sie müssen abgebaut werden. Gerade in Deutschland sind diese Zusatzkosten gravierend. Ich hoffe, dass die neue deutsche Regierung versteht, wie wichtig unser Luftverkehr für die Gesamtwirtschaft ist.
Wo steht München im europäischen Vergleich?
Wir sind unter den Top Ten in Europa. 2024 hatten wir 41,6 Millionen Passagiere. Dieses Jahr peilen wird sechs Prozent Wachstum an, bis zu 44 Millionen Fluggäste. Aber gerade dieses Wachstum entsteht nicht innerdeutsch, sondern vor allem im Europaverkehr und auf interkontinentalen Verbindungen. 42 Prozent unserer Passagiere sind Umsteiger. Wir haben aktuell so viele Langstreckenflugzeuge der Lufthansa Group wie noch nie in München stationiert, nämlich 35, darunter alle acht A380. Zusätzlich sind noch 100 bis 120 Narrowbodies vor Ort. Es ist auch gut, dass Lufthansa mit Jens Ritter wieder einen eigenen Hub-Manager vor Ort hat.
Das Interview führte Kurt Hofmann