Eine kleine Luftfahrt-Weihnachtsgeschichte
AERO-Redakteur Wolfgang Borgmann erinnert sich an laute Jetliner, legendäre Flugzeugmuster und seine Jugend am Flughafenzaun – und sendet Weihnachtsgrüße.
Hat man zum sechsten Mal „genullt“, dann lässt sich das Alter beim Blick in den Spiegel nicht verleugnen. Erst langsam, dann immer schneller, wechselten einst schwarze Kopfhaare auf wundersame Weise ihre Farbe in ein, wie Loriot sagen würde, „frisches Steingrau“.
Als Luftfahrtfan gibt es aber noch ein weiteres Kriterium, das einem unmissverständlich zu verstehen gibt, dass man sich auf dem eigenen Lebensweg nicht mehr im „Herbst der Jugend“, sondern eher in der „Jugend des Herbstes“ befindet.
Ein Sound, der durch den Magen ging
Vor vielen Jahrzehnten stand ich als kleiner Junge mit großen, staunenden Augen am Zaun des Stuttgarter Flughafens und beobachtete die großen (Donner)-Vögel bei ihren Starts und Landungen. Im Gegensatz zu den leisen Turbofans von heute, brüllten die damaligen Rolls-Royce Spey & Avon sowie Pratt & Whitney JT8D ihren Schub in die Luft der Filderebene vor den Toren der Landeshauptstadt.
Sehr zum Verdruss der nicht so Luftfahrt begeisterten Anwohner – aber zur Freude der Fans am Flughafenzaun, die den Lärm nicht nur hörten, sondern die Schallwellen und Vibrationen in jeder Zelle ihrer Körper spürten.
Frühe Jetliner
Hawker Siddeley Trident, BAC- 1-11, Comet 4B, Douglas DC-9, Boeing 737-100 und Boeing 727 waren jene Jetliner, deren Sound in die Magengrube fuhr und den „Vogelfreunden“ großartige Stunden am Zaun bescherten.
Womit wir wieder beim Alter sind. Schließlich wurde mit der letzten Boeing 727-100 vor Kurzem mal wieder ein Flugzeugmuster endgültig in den Ruhestand verabschiedet, das mich nicht nur in meiner Jugend begleitete. Beruflich war für mich das letzte Highlight der kurzen „Zwo Sieben“ die Umrüstung der UPS-Flotte auf leisere Rolls-Royce „Tay“- Triebwerke.
Was für mich gefühlt „Vorgestern“ war, liegt jedoch – ich kann es kaum glauben – rund dreißig Jahre zurück.
Seit 1978 führe ich ein Logbuch über jeden einzelnen meiner Mitflüge in einem Passagierflugzeug. Je mehr die Erinnerung an einzelne Reisen altersbedingt verblasst, umso hilfreicher ist es diese Gedächtnisstütze an meine Flugreisen zu besitzen.
Fernweh hat Familientradition
Dies hat übrigens in der Familie Tradition, denn bereits mein Urgroßvater führte ein Fahrtenbuch als Matrose an Bord der großen Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unzählige Male pendelte er auf dem Seeweg zwischen Bremen und New York um sein Fernweh zu stillen.
Aber zurück zu meinen Flugreisen: Die Liste der von mir benutzten Flugzeugmuster reicht von A, wie Airbus A300B2 – bis Lockheed L-1011 Tristar. Dazwischen liegen Airbus A300B4, A300-600, A310, BAe HS 748, Boeing 737-100 und -200, 727-100 und -200, Boeing 747-100 und -200, Douglas DC-8, DC-9 und DC-10 in unterschiedlichsten Varianten, ebenso MD-80, Dassault Mercure, Fokker F27 & F28, Lockheed L-188 Electra, Sud Aviation Caravelle III und Super 12. Als Krönung kam noch ein Hovercraft dazu, dass die skandinavische SAS zwischen dem Flughafen Kopenhagen und einem eigens dafür errichteten Terminal im Hafen von Malmö pendeln ließ.
Ausgemusterte Jets und Props
Was einst moderne Jets und Props waren, ist jedoch heute im besten Fall in einem Luftfahrtmuseum noch zu finden
Wenn man nett fragte, durfte man vor den Anschlägen des 11. September 2001 bei der Landung im Cockpit sitzen. Unvergessen der Anflug auf Hamburg am 7. August 1983, als mich Kapitän Walendy, damaliger 727-Flottenchef der Lufthansa, einlud, gemeinsam mit zwei Kopiloten und dem Flugingenieur – also zu fünft im Cockpit der 727-230 D-ABCI – die Landung in Hamburg zu erleben.
Eine neue Spotter-Generation wächst heran
Ich bedaure heutige Generationen, die maximal im Flugsimulator erleben können wie es sich anfühlt einen Start oder eine Landung in einem Verkehrsflugzeug im Cockpit mitzuerleben.
Die Zeiten und Umstände haben sich geändert aber es freut mich, dass beispielsweise das Spotten am Flughafenzaun gerade bei jungen Menschen wieder an Beliebtheit gewinnt. Und das unabhängig vom Geschlecht!
Bleibt mir mit dieser kleinen Weihnachtsgeschichte „anno dazumal“ allen Fans und Followern von AERO INTERNATIONAL ein frohes Fest zu wünschen.
Ihr
Wolfgang Borgmann, Redakteur AERO INTERNATIONAL
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