AERO-Redakteur Wolfgang Borgmann erinnert sich an laute Jetliner, legendäre Flugzeugmuster und seine Jugend am Flughafenzaun – und sendet Weihnachtsgrüße.

Hat man zum sechsten Mal „genullt“, dann lässt sich das Alter beim Blick in den Spiegel nicht verleugnen. Erst langsam, dann immer schneller, wechselten einst schwarze Kopfhaare auf wundersame Weise ihre Farbe in ein, wie Loriot sagen würde, „frisches Steingrau“.

Als Luftfahrtfan gibt es aber noch ein weiteres Kriterium, das einem unmissverständlich zu verstehen gibt, dass man sich auf dem eigenen Lebensweg nicht mehr im „Herbst der Jugend“, sondern eher in der „Jugend des Herbstes“ befindet.

Boeing 707-430, Lufthansa, Start, Hamburg
Vier Rolls-Royce „Conway“ einer Boeing 707-430 entfalten in den siebziger Jahren ihren Sound beim Start. Zur Freude der Spotter am Zaun – und zum Ärger der Flughafenanrainer. Bild: Flughafen Hamburg

Ein Sound, der durch den Magen ging

Vor vielen Jahrzehnten stand ich als kleiner Junge mit großen, staunenden Augen am Zaun des Stuttgarter Flughafens und beobachtete die großen (Donner)-Vögel bei ihren Starts und Landungen. Im Gegensatz zu den leisen Turbofans von heute, brüllten die damaligen Rolls-Royce Spey & Avon sowie Pratt & Whitney JT8D ihren Schub in die Luft der Filderebene vor den Toren der Landeshauptstadt.

Sehr zum Verdruss der nicht so Luftfahrt begeisterten Anwohner – aber zur Freude der Fans am Flughafenzaun, die den Lärm nicht nur hörten, sondern die Schallwellen und Vibrationen in jeder Zelle ihrer Körper spürten.

Broschüre Flughafen Stuttgart
Ein bis heute vom Autor dieses Beitrags gut gehütetes Andenken an eine Führung auf dem Flughafen Stuttgart in den siebziger Jahren. Bild: Flughafen Stuttgart

Frühe Jetliner

Hawker Siddeley Trident, BAC- 1-11, Comet 4B, Douglas DC-9, Boeing 737-100 und Boeing 727 waren jene Jetliner, deren Sound in die Magengrube fuhr und den „Vogelfreunden“ großartige Stunden am Zaun bescherten.

Womit wir wieder beim Alter sind. Schließlich wurde mit der letzten Boeing 727-100 vor Kurzem mal wieder ein Flugzeugmuster endgültig in den Ruhestand verabschiedet, das mich nicht nur in meiner Jugend begleitete. Beruflich war für mich das letzte Highlight der kurzen „Zwo Sieben“ die Umrüstung der UPS-Flotte auf leisere Rolls-Royce „Tay“- Triebwerke.

Was für mich gefühlt „Vorgestern“ war, liegt jedoch – ich kann es kaum glauben – rund dreißig Jahre zurück.

Seit 1978 führe ich ein Logbuch über jeden einzelnen meiner Mitflüge in einem Passagierflugzeug. Je mehr die Erinnerung an einzelne Reisen altersbedingt verblasst, umso hilfreicher ist es diese Gedächtnisstütze an meine Flugreisen  zu besitzen.

Boeing 727 Quiet Freighter, UPS
Die Umrüstung der Boeing 727-100 des Expressfrachtdienstes UPS auf leise Rolls-Royce-Tay-Triebwerke liegt gefühlt nur wenige Jahre zurück – ist aber drei Jahrzehnte alt. Bild: UPS

Fernweh hat Familientradition

Dies hat übrigens in der Familie Tradition, denn bereits mein Urgroßvater führte ein Fahrtenbuch als Matrose an Bord der großen Schnelldampfer des Norddeutschen Lloyd zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Unzählige Male pendelte er auf dem Seeweg zwischen Bremen und New York um sein Fernweh zu stillen.

Aber zurück zu meinen Flugreisen: Die Liste der von mir benutzten Flugzeugmuster reicht von A, wie Airbus A300B2 – bis Lockheed L-1011 Tristar. Dazwischen liegen Airbus A300B4, A300-600, A310, BAe HS 748, Boeing 737-100 und -200, 727-100 und -200, Boeing 747-100 und -200, Douglas DC-8, DC-9 und DC-10  in unterschiedlichsten Varianten, ebenso MD-80, Dassault Mercure, Fokker F27 & F28, Lockheed L-188 Electra, Sud Aviation Caravelle III und Super 12. Als Krönung kam noch ein Hovercraft dazu, dass die skandinavische SAS zwischen dem Flughafen Kopenhagen und einem eigens dafür errichteten Terminal im Hafen von Malmö pendeln ließ.

Dassault Mercure, Air Inter
Die in zwölf Exemplaren gebaute Dassault Mercure findet sich heute nur noch in Luftfahrtmuseen. Sie ist der bislang sicherste Passagierjet der Welt mit Null fatalen Unfällen. Bild: Air Inter

Ausgemusterte Jets und Props

Was einst moderne Jets und Props waren, ist jedoch heute im besten Fall in einem Luftfahrtmuseum noch zu finden

Wenn man nett fragte, durfte man vor den Anschlägen des 11. September 2001 bei der Landung im Cockpit sitzen. Unvergessen der Anflug auf Hamburg am 7. August 1983, als mich Kapitän Walendy, damaliger 727-Flottenchef der Lufthansa, einlud, gemeinsam mit zwei Kopiloten und dem Flugingenieur – also zu fünft im Cockpit der 727-230 D-ABCI – die Landung in Hamburg zu erleben.

Airbus A300, SAS
Wenn man nett fragte, war man als Luftfahrtenthusiast einst ein gern gesehener Gast in den Cockpits der Passagiermaschinen. Dies änderte sich erst grundlegend mit den Attentaten des 11. September 2001. Bild: SAS Museum

Eine neue Spotter-Generation wächst heran

Ich bedaure heutige Generationen, die maximal im Flugsimulator erleben können wie es sich anfühlt einen Start oder eine Landung in einem Verkehrsflugzeug im Cockpit mitzuerleben.

Die Zeiten und Umstände haben sich geändert aber es freut mich, dass beispielsweise das Spotten am Flughafenzaun gerade bei jungen Menschen wieder an Beliebtheit gewinnt. Und das unabhängig vom Geschlecht!

Bleibt mir mit dieser kleinen Weihnachtsgeschichte „anno dazumal“ allen Fans und Followern von AERO INTERNATIONAL ein frohes Fest zu wünschen.

Ihr

Wolfgang Borgmann, Redakteur AERO INTERNATIONAL