Internationale Flugverbindungen sollen die Regionalflughäfen Islands erreichbarer machen und die Wirtschaft stärken. Ein Überblick: Airports und Airlines.

Es ist einfach zu früh. Der Morgenflug vom beschaulichen Stadtflughafen Reykjavik in die zweitgrößte Stadt Islands, Akureyri, startet um 7.10 Uhr. Jetzt, um 6.15 Uhr, ist noch niemand in dem kleinen Terminal. Wozu auch. Die Abfertigungsschalter sind verweist, das kleine Café öffnet gerade erst. Nur zögerlich treffen die Passagiere in den Regionalflughäfen Islands ein. Sie wissen, dass die Wege kurz sind und es keine Sicherheitskontrollen auf Inlandsflügen gibt. Jawohl. Keine Sicherheitskontrollen! „Wir brauchen das einfach nicht“, erklärt die charmante Flugbegleiterin an Bord der Q400 der Icelandair beim Boarding.

Das ist nur eine von vielen wundersamen Erfahrungen auf dieser zwischen Europa und Nordamerika gelegen Insel. Umso mehr benötigt Islands Wirtschaft den Luftverkehr. Die im Nordatlantik beheimatete Nation braucht Flugverbindungen. Icelandair, die 2022 ihr 85-jähriges Bestehen feiert, spielt dabei eine große Rolle. Keflavik ist der wichtigste Flughafen in Island. Über ihn wickelt man fast alle internationalen Flüge ab. Den Stadtflughafen von Reykjavik und die Regionalairports Islands nutzen Passagiere lediglich für Flüge innerhalb Islands oder nach Grönland. Doch das soll sich nun, zumindest teilweise, ändern.

Flugverbindungen von und nach Island sollen gefördert werden

Die Anwerbung und Förderung von Flugverbindungen gehören zu den erklärten Zielen der Flughafenbehörde Isavia. Die Kampagne soll helfen, neben Keflavik, in der Nähe der Hauptstadt Reykjavik gelegen, weitere Regionalflughäfen Islands für Nonstopverbindungen attraktiv zu machen. Fluggesellschaften und Reiseunternehmen sollen überzeugt werden, sowohl Sommer- als auch Winterflüge in die noch eher unentdeckten Regionen Islands aufzunehmen.

Denn weniger bekannt ist, dass sowohl der Norden als auch der Osten Islands eine spektakuläre Natur bieten. Wenngleich diese Regionen jedoch infrastrukturell nicht so gut erschlossen und daher nicht so überlaufen sind wie der Süden. Im Rahmen der Kampagne bietet der isländische Streckenentwicklungsfonds eine Reihe von Subventionen für Fluggesellschaften. Die technisch sehr gut ausgestatteten Regionalflughäfen Akureyri im Norden und Egilsstadir im Osten Islands sollen angeflogen werden. Zusätzlich hat Isavia eine dreijährige Ermäßigungsregelung für diese Flughäfen proklamiert. Im ersten Jahr werden 100 Prozent, im zweiten 90 Prozent und im dritten Jahr 75 Prozent Nachlass auf die Passagier- und Landegebühren gewährt.

Startup Niceair: Regionalflughäfen Island

Unsere Q400 ist mittlerweile auf der 1567 Meter langen Piste 01/19 von Reykjavik gestartet. Sie hat die Wolkendecke durchbrochen und ist nach knapp 30 Minuten Flugzeit im Anflug über den Fjord Eyjafjördur auf Akureyri. Im kleinen Terminal wartet Hjördis Thorhallsdottir, ihres Zeichens Airportmanagerin von Akureyri. Als District Manager ist sie auch für fünf kleine Airports in der isländischen Nordregion sowie fünf Airstrips zuständig. Auch sie ist überzeugt von der Kampagne, Tourismus und internationalen Flugverkehr zu promoten.

Inzwischen haben am Flughafen Akureyri die Arbeiten zur Erweiterung der Terminalanlage um weitere 1100 Quadratmeter begonnen. Diese sollen bis August 2023 abgeschlossen sein. Derzeit führt Transavia aus den Niederlanden mehrere Charterflüge nach Akureyri, der mit etwa 20 000 Einwohnern zweitgrößten Stadt Islands, durch. Es ist die Heimatbasis der kleinen Regionalfluggesellschaft Norlandair. Diese fliegt mit ihren Twin Otter nach Porshöfn, Vopnafjördur und Grimsey– und sogar nach Grönland. Akureyri ist zudem seit 2. Juni Homebase des Startups Niceair. Doch dazu gleich mehr.

Island ist im Winter besonders beliebt

Der Flughafen wurde 1954 eröffnet und fertigte 2021 135 564 Passagiere ab. Aber auch in Island waren die Auswirkungen von Covid- 19 spürbar, denn 2017 waren es weit mehr Fluggäste (199 000). Der Flughafen bietet eine 2400 Meter lange Start- und Landebahn und ist auch Ausweichflughafen für Keflavik. Thorvaldur Ludvik Sigurjonsson, CEO von Niceair, empfängt uns in seinem Büro. Der isländische Newcomer hat eine A319 vom portugiesischen Wetlease-Spezialisten HiFly in Betrieb. Seit Juni gibt es Linienflüge nach London-Stansted, Kopenhagen und Teneriffa. Da aber der Winter in diesem Teil Islands eine starke touristische Jahreszeit ist, sollen Flüge von und nach Manchester ab Oktober im Angebot stehen. Im Sommer 2023 dann auch nach Deutschland.

In der Startphase wird die virtuelle Airline Piloten sowohl von HiFly als auch isländische Crews eingesetzen. Niceair, (N steht für „North“ und Ice für „Iceland“) beschäftigt zudem zehn isländische Flugbegleiter. „Wir wollen nicht zu schnell wachsen, aber wir möchten bis 2024 möglichst drei Flugzeuge betreiben, zum Beispiel A320neo oder A321“, so der CEO. Er fügt hinzu, dass das beste Flugzeug für Niceair die A220-300 wäre. „Aber man bekommt sie nicht, und sie sind zu teuer“, seufzt Sigurjonsson.

Eine Millionen Inlandflüge ab den Regionalflughäfen Islands

Niceair brauche einen Ladefaktor von 60 Prozent, um die Gewinnschwelle zu erreichen. Sie versuche, den wachsenden Markt für jene Touristen zu erschließen, die für einen zweiten oder einen weiteren Urlaub nach Island zurückkehren. „Akureyri ist ein unterversorgter Markt“, sagt er. Aber die Aussichten seien nicht so schlecht. Der Umsatz liege 37 Prozent über der Prognose. „Wir sehen sehr starkes Interesse vom lokalen Markt, fast 40 Prozent unseres Sommerflugplans sind bereits verkauft. Und wir prüfen den Einstieg in den deutschen Markt für das kommende Jahr. Ich glaube, es könnte unser stärkster Sommermarkt werden“. Zusätzlich könne auch noch Cargo in Form von frischem Fisch im A319-Frachtraum den Umsatz verbessern.

Nicht weit vom Niceair-Headoffice entfernt befindet sich das Icelandic Aviation Museum. Es befindet sich in einem großen Hangar am Flughafen Akureyri. Dort empfängt uns Maria, die Frau von Thorvaldur. Sie kümmert sich um das Museum, das Islands Luftfahrtgeschichte – festgehalten auf Fotografien, in Videos, dank Modellen und historischen Flugzeugen – beherbergt. Das Museum ist fabelhaft für alle Luftfahrtbegeisterten. Etwa der Besuch des Originalcockpits der ersten Boeing 727 der Icelandair. Aber: Die Zeit drängt. Es gilt, den Standort zu wechseln und in das rund 250 Kilometer im Osten entfernte Egilsstadir zu fliegen.

Herausforderungen durch das Wetter

In einem normalen Jahr reisen fast eine Million Passagiere mit dem Flugzeug innerhalb Islands. In einem Land mit nur 375 000 Einwohnern. Die Hauptrouten sind von Reykjavik nach Akureyri, dann folgen Egilsstadir, Isafjördur und Husavik sowie die kleineren Flughäfen in den Westfjorden. Mit dem Auto dauert es von Reykjavik nach Akureyri rund vier Stunden. Es dauert bis zu acht Stunden von der Hauptstadt nach Egilsstadir. Somit ist Fliegen immer eine Option.

Unser Auto bahnt sich durch immer wiederkehrende Schneestürme den Weg nach Egilsstadir. Uns wird klar, dass der Flugbetrieb in Island unter extremen Wetterbedingungen herausfordernd ist. Ebenso seine Finanzierung. Die Isavia-Flughäfen sind mehrheitlich von der Regierung finanziert, 75 Prozent der Einnahmen kommen vom Verkehrsministerium. Es ist hier teuer, einen Flughafen zu betreiben. Man braucht zuverlässige Ausrüstung, aufwendige Wartung. Deshalb versucht Isavia, die Zahl der Passagiere und somit der Einnahmen zu erhöhen. Und Islands Flughäfen sind zweifellos die wichtigste Infrastruktur für die Nation.

Regionalflughäfen Island: Airport Egilsstadir

Am nächsten Tag, nach einem Abstecher in den Ort Eskilfjördur, besuchen wir den internationalen Flughafen Egilsstadir. Der Chef Ásgeir Rúnar Hardarson begrüßt uns persönlich. Hardarson ist außerdem District Manager in Ostisland für Isavia Airports. Der Flughafen hat gemeinsam mit Akureyri Verhandlungen aufgenommen, um in Zukunft internationale Flugverbindungen zu erhalten. Der Airport kann Flugzeuge bis zur Größe von Boeing 767 abfertigen. 2021 zählte Egilsstadir 75 000 Passagiere, 2018 waren es dann 160 000. Hardarson glaubt, dass der Flughafen zusätzlich großes Potenzial für Fracht bietet, insbesondere für Fisch.

Das Terminal wurde ursprünglich in der Zeit von 1963 bis 1968 errichtet. In den Jahren 1987 bis 1999 wurde es dann umgebaut und erweitert. Eine neue Ankunftshalle wurde im April 2007 in Betrieb genommen. Egilsstadir ist einer von vier Flughäfen in Island, der die Anforderungen für internationale Flüge erfüllt. Außerdem ist er rund um die Uhr geöffnet.Wie Akureyri ist auch Egilsstadir ein Alternativ-Airport für Keflavik. Und hier kommt es zu einem Treffen mit Tura Gardarsdóttir. Tura, ehemalige A320-Pilotin der WOW Air, arbeitet jetzt im Tower des Flughafens. Sie ist es, die uns auf „einen der spannendsten Airports Islands“ vorbereitet. Anschließend geht es zurück nach Reykjavik und am nächsten Morgen mit einer Dash 8-200 nach Isafjördur.

Spannender Anflug: Fjord und Berge

Tatsächlich: Der Flughafen Isafjördur bietet einen der landschaftlich reizvollsten Anflüge. „Was den Airport ziemlich herausfordernd macht, ist, dass er am Meer in einem schmalen Fjord liegt“, hatte uns Tura noch beim Abschied erklärt. Zusätzlich sei er umgeben von hohen und steilen Bergen. Beim Anflug auf die Landebahn 08 muss der Pilot zuerst am Berghang vorbei über die Stadt Isafjördur fliegen. Dann muss er einen 180-Grad- Turn nach links zur Landebahn machen. „Denn die befindet sich am Fuß eines anderen Bergs, auf der anderen Seite des Fjords“, so die Pilotin. Nach der Landung in Isafjördur hallt Turas Resümee nach: „Es ist einfach fabelhaft, hier zu fliegen.“ Fabelhaft – wie so vieles im Norden und Osten Islands.

 

Interview mit Sigrun Björk Jakobsdottir, CEO Isavia Regional Airport: „Zugang zum Norden“

AERO INTERNATIONAL: Wie wollen Sie Island künftig für Touristen noch attraktiver machen?

SIGRUN BJÖRK JAKOBSDOTTIR: Derzeit bietet der wichtigste internationale Flughafen, Keflavik, keine Inlandsflüge an. Die starten vom 50 Kilometer entfernten Stadtflughafen Reykjavik. Mit internationalen Flügen nonstop nach Akureyri und Egilsstadir soll sich das dann bessern. Die isländische Regierung hat mit einem Entwicklungsfonds finanzielle Anreize geschaffen. Isavia bietet Rabatte auf Lande- und Passagiergebühren. Wir zeigen den Fluglinien Möglichkeiten auf, diese anderen Regionen Islands zu erreichen. Grundsätzlich bieten wir Zugang zum Norden, der arktischen Region. Unserer Meinung nach ist dieser Teil Islands ein sehr interessantes Reiseziel. Etwas abseits der ausgetretenen Pfade im Vergleich zu Islands Südküste. Bis zu 90 Prozent aller Touristen, die Island besuchen, geben an, dass sie das Land erneut besuchen würden. Wir wollen diesen wiederkehrenden Touristen mehr Möglichkeiten für eine einfachere Anreise bieten.

AERO INTERNATIONAL: Wie viele internationale Flüge nach Akureyri und Egilsstadir sind realistisch?

SIGRUN BJÖRK JAKOBSDOTTIR: Vier oder fünf Flüge pro Woche, etwa nach Kontinentaleuropa oder England. Transavia aus den Niederlanden bietet Flüge nach Akureyri an. Die meisten Fluggesellschaften planen ja bereits für den Sommer 2023.

AERO INTERNATIONAL: Benötigt Island mehr Flughäfen?

SIGRUN BJÖRK JAKOBSDOTTIR: Aufgrund von Verbesserungen beim Straßen- und Tunnelbau brauchen wir keine neuen Flughäfen. Ziel der Regierung ist es, dass alle Isländer die Hauptstadt Reykjavik in 2,5 Stunden erreichen können. Unser nächstes Projekt ist ein Terminalanbau in Akureyri. Die Coronakrise führte dazu, dass der Verkehr innerhalb Islands um 53 Prozent zurückging. Dennoch war Isavia verpflichtet, die Flughäfen offen zu halten.

Interview mit Bogi Bogason, CEO der Icelandair: „Island ist reich an Energie“

AERO INTERNATIONAL: Icelandair möchte auf kurzen Inlandsflugrouten Islands umfassenden Zugang zu grüner Energie nutzen. Wie genau?

BOGI BOGASON: Wir sind optimistisch, dass elektrische oder wasserstoffbetriebene Flugzeuge realistische Optionen bereits in diesem Jahrzehnt sind. Island ist in einer idealen Position, um diese neuen Technologien im Inland zu implementieren. Und ich glaube, dass dies die Art und Weise, wie wir in Zukunft durch das Land reisen, komplett verändern könnte. Wir haben 2021 zwei Absichtserklärungen unterzeichnet. Eine mit Universal Hydrogen, das Geräte entwickelt hat, um die De Havilland Canada Dash 8 in wasserstoffbetriebene Flugzeuge umzuwandeln. Die zweite Absichtserklärung besteht mit dem schwedischen Hersteller Heart Aerospace, der an der Entwicklung von elektrisch angetriebenen Passagierflugzeugen arbeitet. Das erste elektrische Verkehrsflugzeug, die ES-19, soll bis 2026 für den kommerziellen Flugverkehr zugelassen werden.

AERO INTERNATIONAL: Was kann das in Zukunft bewirken?

BOGI BOGASON: Die Zukunftsvision des elektrischen Fliegens könnte neue Chancen für Verbindungen zwischen kleineren isländischen Zielen eröffnen. Dies würde es uns ermöglichen, mehr Frequenzen anzubieten. Das könnte wiederum zu mehr Nachfrage und somit besserer Dienstleistung führen. Eine weitere Chance besteht auch darin, Ziele in Island direkt mit dem internationalen Drehkreuz Keflavik zu verbinden.

AERO INTERNATIONAL: Bis dahin bleiben die Dash 8 im Einsatz?

BOGI BOGASON: Wir haben drei Dash 8-200 und zwei Q400 für Inlandsstrecken und Flüge nach Grönland. Diese Flugzeuge leisten in unserem Netzwerk gute Dienste. Daher steht ein Umflottungsprozess derzeit nicht sehr weit oben auf unserer Agenda. Abgesehen von unseren Überlegungen im Bereich der ökologischen Nachhaltigkeit.

Text (Stand 2022): Kurt Hofmann