Berlin, 09. März 2016 Ein Jahr nach seinem Start am neuen Hauptstadtflughafen muss Karsten Mühlenfeld Krisenmanagement betreiben. Der Eröffnungstermin wackelt. Und einer der Eigentümer hält nicht unbedingt zum Chef. Das Gras sprießt wieder. Auf dem Platz vor dem Geister-Terminal des neuen Hauptstadtflughafens lockt der Frühling das Grün aus den Fugen. Es gedeiht gefahrlos, denn Passagiere […]

Berlin, 09. März 2016

Ein Jahr nach seinem Start am neuen Hauptstadtflughafen muss Karsten Mühlenfeld Krisenmanagement betreiben. Der Eröffnungstermin wackelt. Und einer der Eigentümer hält nicht unbedingt zum Chef.

Das Gras sprießt wieder. Auf dem Platz vor dem Geister-Terminal des neuen Hauptstadtflughafens lockt der Frühling das Grün aus den Fugen. Es gedeiht gefahrlos, denn Passagiere und Rollkoffer kommen erst in eineinhalb Jahren. Frühestens. Denn der Eröffnungstermin 2017 wackelt wie lange nicht. Und ein Jahr nach seinem Amtsantritt herrscht Eiszeit zwischen Flughafenchef Karsten Mühlenfeld und dem Bund als Miteigentümer. Das dürfte den viel beschworenen Schlussspurt an Deutschlands berüchtigtstem Flughafen nicht leichter machen.

Mühlenfelds Bilanz nach einem Jahr fällt durchwachsen aus. Große Fehler hat der 52-Jährige selbst sich zwar nicht zuschulden kommen lassen. „Mit Karsten Mühlenfeld hat das Projekt BER deutlich Fahrt aufgenommen“, erkennt etwa Vize-Aufsichtsratschef Rainer Bretschneider an. Man habe immer noch mit den Folgen der Vergangenheit zu kämpfen, und es bleibe viel zu tun.

Aber Mühlenfeld hat sich nicht nur Freunde gemacht. Der bisher größte Konflikt kommt zum ersten Dienstjubiläum (Stichtag 16. März). Im Ringen um den Ort des künftigen Regierungsflughafens hat Mühlenfeld mit einem forsch formulierten Brief den Bund düpiert, jetzt gibt es eine Sondersitzung des Aufsichtsrats.

Das Krisentreffen an diesem Freitag dürfte ungemütlich werden. Zu Mühlenfelds Einjährigem will der Bund sich nicht äußern – aus Zeitgründen, wie es offiziell heißt. Seine Vertreter hatten schon bei der Benennung vor einem Jahr gegen den 52-Jährigen gestimmt.

Sondersitzungen – nach dem Abgang des stets streitlustigen Vorgängers Hartmut Mehdorn schien das eigentlich Vergangenheit zu sein. Doch auch der Ingenieur Mühlenfeld ist kein Diplomat. Wo Mehdorn gezielt die Provokation suchte, verstört Mühlenfeld eher unfreiwillig. Bei öffentlichen Auftritten wirkt er unbekümmert, ja leichtfüßig. „In Berlin ist man immer so hypernervös“, gibt er sich locker. Doch von nonchalant zu nassforsch ist der Weg dabei nicht weit – der Mann ist eben selbst Berliner.

Was hat der Neue erreicht? „Karsten Mühlenfeld hat gemeinsam mit Technikchef (Jörg) Marks seit seinem Amtsantritt sehr viel aufgeräumt und die klare Richtung für den Schlussspurt vorgegeben“, lässt der Aufsichtsratschef ausrichten, Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD). Konkrete Beispiele nennt er nicht. Bretschneider lobt verbessere Strukturen und eine transparentere Kommunikation über Abläufe und Baufortschritt.

Mühlenfeld selbst sieht in einer Landebahn-Sanierung den größten Erfolg des abgelaufenen Jahres, weil diese im Zeit- und Kostenplan blieb – unter Regie einer Fremdfirma. Dass Nachträge zum Bauantrag das Bauamt Monate verspätet erreichen, schreibt der Flughafen der externen Prüfung der entsprechenden Lieferwagen-Ladung von Akten zu.

Womit Mühlenfeld nicht rechnete: Dass das Amt weitere Nachweise verlangen würde, ja sogar zusätzliche Bauarbeiten nötig werden könnten, wie Marks fürchtet. Bislang dachten die Verantwortlichen, dass ein Start Ende Oktober 2017 irgendwie noch zu schaffen ist – doch jetzt? Mühlenfeld hält sich an seine Zusage, keine leeren Versprechungen zu machen. Damit bleibt der konkrete Eröffnungstermin erst einmal in der Schwebe.

„Mühlenfeld hat sich darum verdient gemacht, den Status quo des Projekts zu erhalten“, sagt Martin Delius, der Vorsitzende des BER-Untersuchungsausschusses im Berliner Abgeordnetenhaus – und er meint das durchaus anerkennend. Nichts kaputt gemacht – das ist nach all den Management-Fehlern bei dem Bau eben auch schon was. Delius fordert aber mehr Einblick in Finanz-Unterlagen des Flughafens und kritisiert, dass Mühlenfeld am insolventen Gebäudetechnik-Ausrüster Imtech festhielt.

Auch Aufsichtsratschef Müller ist in diesem ersten Jahr nicht durchweg zufrieden mit Mühlenfeld. Der Manager hat mit recht freimütigen Aussagen über Probleme im neuen Terminal Schlagzeilen provoziert, die von Einsturzgefahr und dem Austausch von Hunderten Wänden handelten – was sich später in Wohlgefallen auflöste.

„Ich bekomme schon genug Prügel“, seufzt Mühlenfeld kurz darauf. Müller tauscht Mühlenfelds Kommunikationschef aus; der Bürgermeister will in diesem Herbst wieder gewählt werden. Und indem der Aufsichtsratschef die Baufirmen zum Rapport ins Rathaus bestellt, macht er seinen Geschäftsführer zum Statisten. Ein Mehdorn wäre da wahrscheinlich im Dreieck gesprungen. Mühlenfeld sagt an anderer Stelle: „Ich bin nicht so der Typ Patriarch.“

Mühlenfeld sei Ingenieur, nicht Politiker, sagt Bretschneider. „Auch das merkt man zuweilen.“ Der Brandenburger Flughafenkoordinator betont aber: „Mit ihm werden wir das Projekt BER zum Erfolg bringen. Und das zählt.“

Burkhard Fraune, dpa