Friedrichshafen, 24. Dezember 2014 Prestigeträchtige Passagierschiffe und unheilvolle Kriegsmaschinen: Die Zeppeline aus Friedrichshafen am Bodensee haben eine wechselvolle Geschichte. Heute sind sie hauptsächlich als Panoramaflieger und Werbeträger im Einsatz. Nur nicht im Winter. Ausgerüstet wie ein Höhlenforscher klettert Stefan Schnell von einer Hebebühne ins Innere des Zeppelins. Mit Stirnlampe und Spezialschuhen tastet sich der Mechaniker […]

Friedrichshafen, 24. Dezember 2014

Prestigeträchtige Passagierschiffe und unheilvolle Kriegsmaschinen: Die Zeppeline aus Friedrichshafen am Bodensee haben eine wechselvolle Geschichte. Heute sind sie hauptsächlich als Panoramaflieger und Werbeträger im Einsatz. Nur nicht im Winter.

Ausgerüstet wie ein Höhlenforscher klettert Stefan Schnell von einer Hebebühne ins Innere des Zeppelins. Mit Stirnlampe und Spezialschuhen tastet sich der Mechaniker im Halbdunkel an Spannseilen entlang, über luftgefüllte Ballons und einen eigens gebauten Laufsteg. Schnell hat zurzeit alle Hände voll zu tun: Wenn der Flugbetrieb von November bis März in die Winterpause geht, starten etwa 15 Mechaniker in der Deutschen Zeppelin Reederei in Friedrichshafen am Bodensee die große Jahresinspektion.

Am Dach des Hangars aufgehängt, werden zwei Zeppeline auf Herz und Nieren geprüft. „Zunächst wird das Helium herausgepumpt und in drei Luftsäcken mit 6000 Kubikmeter Fassungsvermögen gelagert“, erläutert Schnell. „Dann muss im Inneren der Luftschiffe der Catwalk gebaut werden, um auch in 14 Metern Höhe an die Struktur zu kommen.“

Das dreiecksförmige Skelett der 75 Meter langen Giganten wird auf Risse untersucht: Dazu werden die Querträger aus Kohlefasern durchleuchtet. In die hohlen Längsträger aus Aluminium wird Stickstoff eingeleitet, um eventuelle Lecks orten zu können. Der Arbeitsplatz der Männer ist eher unbequem: Wie in einem Walfischbauch hangelt sich Schnell an der steilen Hüllenwand zu Tanks, Ventilen oder Trägern.

„Wir haben jeden Winter eine Checkliste, die wir abarbeiten und dann beim Luftfahrtbundesamt hinterlegen“, sagt der 36-Jährige. Die außen weiße und innen schwarze Hülle aus drei Schichten Spezialkunststoff untersuchen die Mechaniker auf Löcher, die von Vögeln hineingehackt wurden. Ein paar Dutzend werden im Laufe eines Winters geflickt. Auch die ballonartigen Luftkammern, die sich wie riesiges Gedärm im Zeppelinbauch wölben und während des Flugbetriebs der Höhensteuerung dienen, müssen auf undichte Stellen inspiziert werden. Pünktlich zum Saisonbeginn Mitte März werden jeweils rund 7400 Kubikmeter Helium gereinigt und wieder in die Luftschiffe gepumpt.

2014 flogen nach Angaben der Reederei etwa 16 000 Passagiere in einem Zeppelin über Bodensee, Oberschwaben und die Alpen. Auch Forschungsflüge absolvierten die Luftschiffe – wie etwa im Mai für das Geoforschungszentrum Potsdam. Echte Zeppeline gibt es nur wenige weltweit: Der Name ist markenrechtlich geschützt für Luftschiffe aus Friedrichshafener Produktion. Andere – wie etwa die Blimps des US-Herstellers Goodyear – haben kein starres Gerüst.

Zeppeline gab es schon vor mehr als hundert Jahren: Im Juli 1900 schwebte der erste über dem Bodensee in den Himmel. Der Absturz des LZ4 acht Jahre später bei Echterdingen löste eine Welle der Solidarität aus und sorgte für so viele Spenden, dass Ferdinand Graf von Zeppelin eine Luftschiffbau-GmbH gründen konnte, um die sich allmählich ein Konzern formierte.

In den folgenden Jahren brummte die zivile Luftschifffahrt mit fast 35000 Passagieren bis zu Beginn des Ersten Weltkriegs. Dann übernahm das Militär: Mehr als 90 Zeppeline kamen im Krieg zum Einsatz, wie Barbara Waibel vom Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH erzählt. Zwischen 1914 und 1918 absolvierten sie Tausende Flüge für Marine und Heer. „Sie wurden als Bombenträger eingesetzt, als Aufklärer und Geleitschutz für die Flottenverbände“, sagt Waibel.

In den Glanzzeiten Ende der 1920er Jahre flogen die majestätischen Luftschiffe nach Afrika, in die USA und die Arktis. Jahrelang gab es sogar einen Liniendienst zwischen Friedrichshafen und Rio de Janeiro. 1937 explodierte die 245 Meter lange „Hindenburg“ über Lakehurst in den USA, nachdem sich ihre Wasserstoffladung entzündet hatte. Das war das vorläufige Ende der Luftschifffahrt. Es sollte 60 Jahre dauern, bis 1997 erstmals wieder ein Luftschiff über Friedrichshafen aufstieg.

Anette Le Riche, dpa