Aufsichtsratschef Weber verlässt sein Unternehmen

Frankfurt/Main Die anstehende Hauptversammlung der Lufthansa in Köln wird zum Hochamt für den scheidenden Aufsichtsratschef Jürgen Weber. Der einflussreiche Manager hinterlässt ein Unternehmen im Umbruch. Eine Lufthansa ohne Jürgen Weber können sich im Unternehmen nur wenige vorstellen. Über Jahrzehnte hat der in Schwaben geborene Ingenieur der Luftfahrttechnik die Geschicke der einstmals staatlichen deutschen Fluggesellschaft geprägt. […]
Frankfurt/Main
Die anstehende Hauptversammlung der Lufthansa in Köln wird zum Hochamt für den scheidenden Aufsichtsratschef Jürgen Weber. Der einflussreiche Manager hinterlässt ein Unternehmen im Umbruch.
Eine Lufthansa ohne Jürgen Weber können sich im Unternehmen nur wenige vorstellen. Über Jahrzehnte hat der in Schwaben geborene Ingenieur der Luftfahrttechnik die Geschicke der einstmals staatlichen deutschen Fluggesellschaft geprägt. 46 Jahre nach seinem Eintritt bei Lufthansa übergibt der Aufsichtsratschef und frühere Vorstandsvorsitzende (1991-2003) Europas umsatzstärkstes Luftverkehrsunternehmen, das sich trotz vieler Erfolge in der Vergangenheit gerade neu erfinden muss. Dabei ist das Management auf einen riskanten Kollisionskurs mit der eigenen Mannschaft eingeschwenkt.
Rund um den Abschied des 71 Jahre alten «Mr. Lufthansa» bei der Hauptversammlung am 7. Mai sind die Tarifverhandlungen mit den vielen verschiedenen Gewerkschaften im Haus immer konfrontativer geworden. In Webers letztem Amtsjahr als Chefaufseher haben nicht nur die Flugbegleiter ihren ersten regulären Streik veranstaltet, auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi ging für die Interessen des Bodenpersonals mit ungewohnter Härte vor. 1700 Flugausfälle an einem Tag wie am 22. April, so einen Warnstreik hat die arbeitskampfgeprüfte Lufthansa noch nicht erlebt, auch wenn jetzt am 1. Mai ein Kompromiss erzielt worden ist. Nun haben noch die kampfstarken Piloten ultimativ ein Angebot eingefordert.
Die rund 117 000 Lufthanseaten sind nicht ohne weiteres bereit, den strammen Sparkurs des 2011 von Weber berufenen Lufthansa-Chefs Christoph Franz allein auf ihre Kosten mitzufliegen. In jeder Tarifrunde fordern die Manager von den Beschäftigtengruppen «Beiträge» zu dem Riesen-Sparprogramm «Score», mit dem Lufthansa bis zum Ende kommenden Jahres wieder flott gemacht werden soll. Unbezahlte Mehrarbeit, flexiblere Einsatzzeiten ohne Zuschläge, Nullmonate, verschobene Gehaltserhöhungen und Beförderungen: Solche Dinge verlangt die Lufthansa derzeit regelmäßig von ihren wechselnden Tarifpartnern.
Franz ist wie der zweitwichtigste Vorstandsmann Carsten Spohr ein von Weber entdeckter und konsequent geförderter Manager. Wie kein anderer Dax-Konzern setzt der Luftverkehrsriese auf Leute aus den eigenen Reihen. Auch die neu für Finanzen berufene Vorstandsfrau Simone Menne kommt aus dem eigenen Haus. Der verheiratete Familienvater und zweifache Vater Weber hat seinen Nachfolgern geraten, dem Druck der Gewerkschaften nicht nachzugeben. «Besser man lässt es zum großen Knall kommen, bevor sich das Unternehmen aus dem Wettbewerb katapultiert.»
Franz kennt beim Sparen keine Sentimentalitäten mehr – mit Webers ausdrücklicher Billigung. Lufthansa streicht weltweit rund 3500 Stellen und den traditionsreichen Unternehmenssitz in Köln gleich mit. Hintergrund ist ein gewaltiges Investitionsprogramm, mit dem die veraltete Flotte auf einen modernen und damit auch energieeffizienteren Standard gebracht werden soll. Denn die alte Tante Lufthansa wird von lauter jungen Unternehmen gejagt, wie den europäischen Billigfliegern Ryanair und Co. sowie auf der Langstrecke von den Gesellschaften vom arabischen Golf.
Ob Lufthansa mit dem passionierten Skifahrer Weber an der Spitze die Gefahren früher hätte erkennen können oder sogar müssen, ist umstritten. Dieser Konflikt entzündet sich vordergründig an dem Österreicher Wolfgang Mayrhuber, der einst Weber als Lufthansa-Vorstandschef folgte und der nun auch nach zweijähriger «Abkühlzeit» sein Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats werden soll. Weber hat seinen Nachfolger gegen öffentliche und anonyme Kritik stets in Schutz genommen, wohl auch, weil er selbst letztlich immer mitgemeint war.
Der vielfach ausgezeichnete, hervorragend vernetzte und in der Branche hoch geachtete Manager, der viele weitere Aufsichtsmandate innehat, hat nicht nur die Lufthansa Anfang der 90er-Jahre vor der Pleite gerettet. Er gilt auch als geistiger Vater des Airline-Bündnisses «Star Alliance», die mögliche Plattform weiterer Lufthansa-Zukäufe oder engster Kooperationen. In den vergangenen Jahren haben die Zukäufe mit Ausnahme der von Franz sanierten Swiss dem Konzern allerdings wenig Freude gemacht, die britische bmi musste sogar wieder abgestoßen werden. Auch für diese Verluste wollen die Beschäftigten nicht bluten.
Quelle: Christian Ebner, dpa