Von Singapur nach New York führt der längste Linienflug der Welt – und mit nur zwei weiteren Flügen bringt Singapore Airlines Passagiere in weniger als drei Tagen um den Globus. Aero International hat’s ausprobiert

Eigentlich bin ich nach sieben Stunden Ruhe ausgeschlafen – so sehr das an Bord eines Flugzeugs möglich ist. Immerhin hat mir der vollkommen flache Business-Class-Sitz im Flugzeug bequemes Liegen ermöglicht. Doch so wach und bereit fürs Ankommen ich nach zehn Stunden Flugzeit auch bin: Es bleiben immer noch sieben übrig bis zum Ziel! Immerhin: Es gibt etwas Leckeres zu essen.
 Seit Oktober ist Singapore Airlines Inhaber eines Weltrekords: Die Fluggesellschaft betreibt den derzeit längsten Linienflug der Welt. Ohne Stopp führt Flug SQ 22 über etwa 16 650 Kilometer von Singapur nach New York.

In 70 Stunden um die Welt

Je nach Windverhältnissen kann die Reise mehr als 18 Stunden dauern – ich werde am Ende nach 16 Stunden und 57 Minuten am Flughafen Newark (EWR) gleich südlich der US-Metropole an der amerikanischen Ostküste ankommen. 
Von 2004 bis 2014 hatte Singapore Airlines diese Strecke schon einmal bedient: mit dem vierstrahligen Airbus A340-500. Am Ende wurde das Flugzeug bei relativ hohen Treibstoffkosten unwirtschaftlich. Jetzt kommt das neueste und effizienteste Flugzeug zum Einsatz, dass Airbus für Ultralangstrecken zu bieten hat: Kein anderer Airliner fliegt weiter als die A350-900ULR. Das Kürzel steht für Ultra Long Range – die Maschine hat einige Modifikationen, die eine Flugdauer von mehr als 20 Stunden ermöglichen.

Aero-International-
Chefredakteur 
Thomas Borchert nach 
fast 17 Stunden Flug (Foto: Archiv)

Sieben Exemplare dieses Musters hat Singapore Airlines bestellt, dazu 60 reguläre A350-900. Mit der ULR soll nicht nur die New-York-Strecke bedient werden, sondern auch Destinationen an der amerikanischen Westküste. 
Nachts um 00.40 Uhr starten wir mit 9V-SGD, der vierten ULR der asiatischen Airline. Schon von Haus aus erscheint die A350 optimal für lange Strecken: Kabinendruck und Luftfeuchte sind höher als in älteren Passagierflugzeugen, was den Aufenthalt angenehmer macht. Die im Vergleich wenig gekrümmten Seitenwände und der Verzicht auf die mittleren Gepäckfächer zumindest in der Business Class geben ein besseres Raumgefühl; die LED-Beleuchtung lässt sich farblich so anpassen, dass die Lichtstimmung zu Abendessen, Einschlafen oder Aufwachen passt.

Kann ich mal zur Toilette?

Einige der Modifikationen an der ULR sind für alle A350-900 übernommen worden, etwa die aerodynamischen Verbesserungen an den Winglets und das auf 280 Tonnen erhöhte maximale Abfluggewicht. Die ULR kann 24 000 Liter Kerosin mehr mitnehmen als eine normale -900, insgesamt 165 000 Liter. Das hat Airbus ohne Einbau von Zusatztanks erreicht: Allein durch Veränderung der Leitungssysteme und Füllstandssensoren können die existierenden Tanks mehr fassen.

Das hat auch damit zu tun, dass das Leergewicht verringert wurde: Der vordere Laderaum wird nicht benutzt, sodass dort Ausrüstung ausgebaut werden konnte; einige Notrutschen haben nicht zwei „Spuren“, sondern nur eine; einer von je zwei Frisch- und Abwassertanks wurde ausgebaut. All das spart eine Tonne Gewicht.

Krieg’ ich ein Eis?

Möglich wird diese Reduktion, weil viel weniger Passagiere an Bord sind: Singapore Airlines hat ihre ULR mit 67 Plätzen in der Business Class und 94 Premium-Economy-Sitzen ausgestattet. Es können also maximal 161 Passagiere an Bord sein. Die normale -900 fasst doppelt so viele Fluggäste. 

Die Beschränkung auf zwei Klassen sorgt für Effizienz beim Service: Die 13 Mitglieder der Kabinencrew servieren in der Premium Eco auf dem langen Flug zu drei festen Zeiten ein Essen.

Der Service von 
Singapore Airlines ist auch auf der Ultralangstrecke vorbildlich (Foto: SIA)

In der Business Class gibt es zwei feste Services sowie eine Auswahl an jederzeit individuell verfügbaren Gerichten. 
Eigentlich ist für die Crews kein besonderes Training für die Ultralangstrecke erforderlich, erklärt Singapore Airlines. Allerdings ist die Einsatzplanung anders als bei kürzeren A350-Flügen: Jeder Flugbegleiter macht während der Reise in den Betten des Crew Rest Compartments mindestens vier Stunden Pause. Im Cockpit wechseln sich zwei Besatzung mit jeweils einem Kapitän und einem First Officer ab.

Sieht man schon das Meer?

Je nach Jahreszeit und Windverhältnissen wird an beiden Seiten der Arktis entlang geflogen – oder auch mitten über den Nordpol. Auf meinem Flug geht es an der japanischen Pazifikküste entlang zu den Aleuten, dann von dort auf die Atlantikseite und hinunter nach Newark. Die Entscheidung für den Flughafen in New Jersey fiel wegen der guten Erfahrungen auf der früheren SIN-EWR-Verbindung und dem durch Unternehmensansiedlungen in der Umgebung guten Kundenpotenzial.

Der 17-Stunden-Flug ist eine einzige lange Nacht: Weil wir die Datumsgrenze überqueren, landen wir morgens um etwa 5 Uhr noch im Dunkeln in Newark – am gleichen Tag, an dem es in Singapur los ging. So verlieren Geschäftsreisende nicht mal einen Arbeitstag, was in Gegenrichtung natürlich anders ist. Ich komme erfrischt in New York an. Auch die Reisenden in der Premium Eco sind, so versichern etliche Befragte, zufrieden mit Sitzabstand und -komfort, vor allem dank Fußstützen. Alle sind sich einig, dass die Zeit schneller verging als erwartet.
Weiter bestehen wird die zweite New-York-Verbindung, die Singapore Airlines mit dem A380 anbietet: Sie führt von Singapur erst nach Frankfurt und dann weiter zum John F. Kennedy Airport (JFK).

Darf ich noch etwas länger?

Diese Verbindung ist es, die mir eine Weltumrundung in 70 Stunden ermöglicht: Ich bin am Montagmittag in Frankfurt nach Singapur gestartet. Dort kommt man nach zwölf Stunden am frühen Dienstagmorgen Ortszeit an. Nach einem Tag in der asiatischen Metropole bringt mich in der darauffolgenden Nacht SQ 22 nach New York, wo ich den Mittwoch verbringe. Um 20.15 Uhr Ortszeit geht es dann von JFK aus zurück nach Frankfurt: Landung am Donnerstagmorgen nach 69 Stunden und 32 Minuten.

Die Route auf dem längsten 
Flug der Welt wird je nach 
Wind und Wetter gewählt (Foto: Thomas Borchert)

Für Jetlag gibt es auf so einer kurzen Reise gar keine Zeit, man bleibt gefühlt in der heimatlichen Zeitzone. Nur ein wenig müde bin ich: Durch die Geräuschkulisse im Flugzeug ist der Schlaf auch im bequemen Business-Class-Sitz nicht so tief und lang wie zu Hause im Bett. Zurück bleibt der Eindruck, dass die Welt durch die neue Ultralangstrecke von Singapore Airlines wieder ein bisschen näher zusammengerückt ist.

Links zu Videos sowie Einträgen 
bei Facebook und Instagram zur 
Reise um die Welt finden Sie hier.

Text: Thomas Borchert, AERO INTERNATIONAL 1/2019