12.06.2014 Eine Megabestellung für den neuen Airbus A350 fällt weg – doch die Enttäuschung bei Airbus hält sich in Grenzen. Denn die Fluggesellschaften müssen wegen hoher Kosten auf größere spritsparende Flugzeuge umsatteln. Toulouse/Dubai – Bislang schien alles rund zu laufen beim neuen Airbus A350. Keine Pannen, kein Produktionschaos, keine Horrorschlagzeilen wie beim jüngsten Boeing-Modell 787 […]

12.06.2014

Eine Megabestellung für den neuen Airbus A350 fällt weg – doch die Enttäuschung bei Airbus hält sich in Grenzen. Denn die Fluggesellschaften müssen wegen hoher Kosten auf größere spritsparende Flugzeuge umsatteln.

Toulouse/Dubai – Bislang schien alles rund zu laufen beim neuen Airbus A350. Keine Pannen, kein Produktionschaos, keine Horrorschlagzeilen wie beim jüngsten Boeing-Modell 787 «Dreamliner». Selbst der Zeitplan bis zur Erstauslieferung ist seit einiger Zeit stabil. Der arabischen Großkundin Emirates ist das offenbar nicht genug: Während der Jet kurz vor seiner Zulassung steht, storniert die Fluglinie aus Dubai kurzerhand alle 70 Bestellungen und setzt lieber auf die bereits georderten 150 Boeing 777-X von ähnlicher Größe.

Auf die Frage nach den Gründen geben sich Airbus wie Emirates einsilbig. «Wir überprüfen unseren Flottenbedarf», lässt eine Emirates-Sprecherin wissen. Ob Emirates-Chef Tim Clark die modernisierte Version von Boeings Kassenschlager 777 für besser hält als den Airbus-Flieger? Verfehlt die von ihm kritisierte Langversion der A350 seine Erwartungen? Keine Antwort.

«Tim überlegt es sich von Zeit zu Zeit mal anders», gibt sich Airbus-Verkaufschef John Leahy locker. «Es hat sich heute morgen eine Schlange von Fluggesellschaften gebildet, die fragen, ob sie die Auslieferungsslots von Emirates übernehmen können.» Spritsparende Flugzeuge wie der neue A350 sind von den Airlines stark gefragt.

Leahy kennt seinen Großkunden aus Dubai gut. Emirates hat ihm beim doppelstöckigen Airbus-Flaggschiff A380 schon mehrfach aus der Klemme geholfen. 140 Exemplare des weltgrößten Passagierfliegers hat Emirates bestellt, alleine 50 davon Ende vergangenen Jahres. Damit stellt die Gesellschaft den größten Brocken von 192 bestellten A380, die Airbus in den Büchern hat.

Experten halten den Einschlag bei der A350 zwar nicht für dramatisch, aber für spürbar. Durch die Stornierung brach der Auftragsbestand um knapp neun Prozent auf noch 742 Maschinen des Typs ein. Finanziell belaste das Airbus nicht, sagt Leahy. Die Produktion sei nicht betroffen. Schließlich sollte die erste A350 für Emirates erst 2019 ausgeliefert werden. Auf die Arbeitsplätze in den deutschen Werken Hamburg, Bremen und Stade sowie in Frankreich und Großbritannien, wo zumindest Teile der A350 gefertigt werden, habe die Stornierung keine Auswirkungen, sagte eine Airbus-Sprecherin.

Ohnehin will Leahy die Lücken im Produktionsplan möglichst bald wieder füllen. Dann könnte sich die Emirates-Kündigung sogar als einen Vorteil herausstellen: So verlangt Airbus für den Flieger heute deutlich mehr als für das Modell vom Reißbrett, anhand dessen sich Emirates 2007 entschieden hatte. Die 70 Maschinen standen damals für zusammen für 16 Milliarden Dollar im Katalog, heute wären gut 21 Milliarden Dollar fällig. Zudem sollte Emirates damals mehr Rabatt herausgeschlagen haben, schätzt Branchenexperte Markus Turnwald von der DZ Bank. Außerdem sind bei Stornierungen Vertragsstrafen üblich.

Airbus will Boeing mit der A350 weitere Marktanteile beim lukrativen Geschäft mit Langstreckenjets abjagen. Die komplette Neuentwicklung mit einem Rumpf aus Kohlenstofffaser und sparsameren Triebwerken soll ihre betagtere Vorgängerin A330 erst schrittweise ablösen. Mehr Platz und Komfort für – je nach Variante – 276 bis 369 Passagiere, weniger Treibstoffverbrauch und geringere Wartungskosten für die Fluglinien, so das Versprechen.

In der Standardversion A350-900 soll der Jet nun Ende 2014 bei der Emirates-Konkurrentin Qatar Airways aus dem Emirat Katar in den Liniendienst gehen. Konkurrent Boeing hat längst reagiert: Der Langstreckenjet «Dreamliner», der nach Brandproblemen an seinen Batterien Anfang 2013 drei Monate lang nicht abheben durfte, wird mit der 787-10 ebenfalls in einer größeren Variante gebaut. Und der langjährige Boeing-Kassenschlager 777 bekommt mit der 777-X eine sparsamere Neuauflage, die 2020 fertig sein soll. Da will Airbus die Langversion der A350 unter dem Namen A350-1000 schon drei Jahre lang am Start haben.

Überlegungen über die passende Flugzeugflotte treiben Fluggesellschaften immer wieder um. So baut die Lufthansa ihre Mittelstreckenflotte komplett auf Airbus-Jets um. Ihre Bestellung für 59 Großraumjets teilte sie im vergangenen Jahr jedoch auf: Boeing bekam 34 Bestellungen für die 777-X , Airbus 25 für die A350. Ob es dabei bleibt, steht seit Mittwoch zumindest grundsätzlich in Frage. Der neue Lufthansa-Chef Carsten Spohr erwartet für 2014 und 2015 deutlich weniger Gewinn, als sein Vorgänger Christoph Franz als Ziel ausgegeben hatte. Damit kämen auch sämtliche Flugzeugbestellungen auf den Prüfstand, ließ Finanzchefin Simone Menne wissen. Bei Airbus und Boeing könnte diese Aussage für weitere Anspannung sorgen. (Steffen Weyer, dpa-AFX)