Lufthansa-Chef Jens Ritter warnt: Ohne politische Entlastung droht der Rückzug von sieben Regionalflughäfen.

Der wachsende Kostendruck im deutschen Luftverkehr zwingt auch große Netzwerkairlines wie Lufthansa zum strategischen Umdenken. Im Gespräch mit der Funke Mediengruppe kündigte Lufthansa-Airlines-Chef Jens Ritter an, dass kleinere Flughäfen zunehmend auf den Prüfstand gestellt würden. Mögliche Konsequenz: Streichung unrentabler Verbindungen und Verlagerung von Flugzeugen an wirtschaftlich attraktivere Standorte.

Standort Deutschland: „Spitzenreiter in den falschen Disziplinen“

Die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen am Luftverkehrsstandort Deutschland bewertet der Konzern inzwischen als ernüchternd – nicht nur öffentlich, sondern auch intern.

In einem aktuellen Politikbrief der Lufthansa heißt es:

„Die luftverkehrsspezifischen Steuern, Gebühren und Abgaben wollen wir reduzieren und die Erhöhung der Luftverkehrsteuer zurücknehmen“, so das Regierungsprogramm der schwarz-roten Koalition. Doch das Fazit der Lufthansa nach gut fünf Monaten:
Der Rückenwind für den Luftverkehr bleibt bisher aus.

Kritik übt der Konzern auch an der unausgewogenen Klimapolitik in Brüssel und der Untätigkeit der Bundesregierung. Besonders brisant: Seit 2019 haben sich die Steuern und Gebühren an deutschen Flughäfen nahezu verdoppelt, gleichzeitig ist die Zahl der Flugbewegungen im europäischen Vergleich eingebrochen. Bei der Erholung des Luftverkehrs nach Corona liegt Deutschland laut Lufthansa nur auf Rang 28 von 31 Ländern. Das innerdeutsche Flugangebot liegt bei nur 20 Prozent des Vorkrisenniveaus.

Lufthansa nennt betroffene Flughäfen

Im Fokus möglicher Einschnitte stehen laut Jens Ritter aktuell sieben deutsche Regionalflughäfen:

  • Bremen

  • Dresden

  • Köln/Bonn

  • Leipzig/Halle

  • Münster/Osnabrück

  • Nürnberg

  • Stuttgart

Diese müssten „aus betriebswirtschaftlicher Sicht in den Blick genommen werden“, so Ritter. Schon heute zeigt sich: Das Angebot an Zubringerflügen zu den Drehkreuzen Frankfurt und München wurde seit 2019 halbiert.

Folgen: Regionen verlieren internationale Anbindung

Lufthansa betont die Bedeutung des Zubringernetzes für die Anbindung der Regionen an das internationale Streckennetz. Doch Ritter warnt:

Ganze Wirtschaftsräume könnten ihre globale Anbindung verlieren, wenn unrentable Verbindungen eingestellt werden.“

Der Politikbrief nennt zudem konkrete Regionen, in denen die Alarmglocken schrillen müssten. Genannt werden:
Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Bremen, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen.
Der Konzern mahnt:

Wenn sich politisch nichts tut, stehen weitere Einschnitte im deutschen Luftverkehr bevor.

Strategiewechsel bei Lufthansa

Die Töne der Lufthansa-Führung ähneln zunehmend denen der Low-Cost-Carrier: Statt Netzabdeckung steht Profitabilität im Fokus. Strategien wie die Verlagerung von Flugzeugen und die Reduktion schwacher Strecken erinnern an das Vorgehen von Ryanair oder Wizz Air.

Doch Lufthansa unterscheidet sich durch ihr klassisches Hub-and-Spoke-Modell von Punkt-zu-Punkt-Anbietern. Der Wegfall regionaler Zubringer kann damit auch das Gesamtsystem schwächen.

Fazit: Wirtschaftlicher Realismus trifft politische Realität

Lufthansa macht deutlich: Ohne politische Kurskorrektur werden sich wirtschaftlich motivierte Rückzüge nicht vermeiden lassen. Die Kritik an der Bundesregierung und der EU ist ungewöhnlich deutlich – sowohl im Interview als auch im internen Politikbrief.

Für die betroffenen Flughäfen bedeutet das: Nicht nur einzelne Verbindungen, sondern ihre gesamte Zukunft als Luftverkehrsstandort steht zur Disposition.