Sauer, gesund, lecker: Zur Cranberry-Ernte nach Wisconsin
Wisconsin ist der größte Produzent von Cranberrys in den USA. Wer zur Erntezeit im September und Oktober in den Mittleren Westen kommt, erlebt zugleich einen farbenfrohen Indian Summer. Warrens (dpa/tmn) – Der Indian Summer im US-Bundesstaat Wisconsin ist spektakulär. Doch nicht nur die Wälder färben sich in sattem Rot, Orange und Gelb, sondern auch die Früchte der […]
Warrens (dpa/tmn) – Der Indian Summer im US-Bundesstaat Wisconsin ist spektakulär. Doch nicht nur die Wälder färben sich in sattem Rot, Orange und Gelb, sondern auch die Früchte der unspektakulären Büsche, die etwa auf Knöchelhöhe wachsen: die Cranberrys.
Der Staat an den Großen Seen unmittelbar an der Grenze zu Kanada ist in den USA der größte Produzent der gesunden Beere, um deren Nutzen schon die Ureinwohner wussten – und die inzwischen weltweit bekannt und beliebt ist. Neben Wisconsin wachsen die tiefroten Beeren in größeren Mengen in Massachusetts und im pazifischen Nordwesten der USA, etwa in den Staaten Washington und Oregon.
Mit der in Deutschland heimischen Preiselbeere, die auf Englisch Lingonberry heißt, hat die Cranberry nicht viel zu tun – weder vom Aussehen her noch vom Geschmack.
Ihren Namen bekam sie von einem der zahlreichen tierischen Besucher in den Marschen, in denen sie wuchsen: Weil der Busch eine lange Blüte hat, die aussieht wie der Hals eines Kranichs, nannten vor allem die deutschen und niederländischen Einwanderer die Frucht «crane berry». Im Laufe der Zeit wurde daraus die Cranberry.
Mit dem Traktor über geflutete Felder
Für die tonnenweise Produktion wächst sie inzwischen nicht mehr wild, sondern wird von rund 250 Farmern auf akkurat rechteckigen Feldern kultiviert. Bevor der Herbst richtig einzieht und mit ihm die bittere Kälte nach Wisconsin kommt, müssen die Beeren geerntet sein.
«Wenn sich das Laub färbt, dann sind auch die Beeren reif», sagt Phil Brown, dem die Glacial Lake Farm bei Wisconsin Rapids gehört.
Dann ist viel los auf den Feldern, die gleichmäßig im Rechteck angeordnet sind – drei Acres etwa seien seine groß, sagt Phil, das sind rund 12 000 Quadratmeter. Die Anordnung hat weniger damit zu tun, dass der Farmer es gern ordentlich hat. Die Beeren sind so am einfachsten zu ernten.
Etwa ein Gramm wiegt so eine Beere, die von innen hohl ist, vier Kammern hat und an eine kleine rote Weintraube erinnert. Mühsam ist sie zu ernten, wenn sie als Frucht verkauft werden soll. Dann fahren die Farmer mit schwerem Gerät über die gefluteten Felder und müssen vorsichtig mit der Beere sein, damit diese nicht zu Schaden kommt.
Doch nur maximal fünf Prozent der Ernte kommen laut Wisconsin State Cranberry Growers Association als Obst auf den Markt – der größte Teil wird zu einem von rund 700 verschiedenen Produkten verarbeitet.
Warum die Cranberry in Wisconsin so gut gedeiht
Die großen Traktoren für die Ernte haben statt der Räder kleine Läufe unter ihren Reifen – und vorne und hinten Aufsätze, die aussehen wie überdimensionierte Gabeln. Zunächst werden die Felder jedoch unter Wasser gesetzt. Im Landesinneren von Wisconsin gibt es viel Wasser, und die Böden sind sandig oder torfig. Beste Voraussetzungen.
Ganz eng und flach wachsen die Cranberrys in ihren geradlinigen Begrenzungen. Wenn man nicht weiß, wonach man schauen muss, sieht man sie auf den ersten Blick nicht.
Zur Erntezeit fahren auch Phil und seine Crew mit den Traktoren durch die Felder, die zuvor etwa knietief unter Wasser gesetzt wurden. Die langen Gabeln trennen die Beeren vom Busch. «Sie hängen nur an einem ganz dünnen Faden daran und sind daher leicht abzuziehen», erklärt Phil. Jetzt kommt der Trick: Weil die Beeren hohl sind, schwimmen sie sofort auf der Wasseroberfläche. Dann fahren zwei weitere Traktoren rechts und links des gewässerten Feldes mit einer Art breitem Seil an der Böschung entlang und sammeln die Ernte ein.
«Unsere Beeren werden alle weiterverarbeitet», sagt Phil. «Darum können wir sie mit schwerem Gerät ernten.» Und wann genau ist die Beere reif? «Wir messen keinen Zuckergehalt oder Ähnliches, wie die Winzer es bei Trauben machen. Wir wissen einfach, wann der richtige Zeitpunkt zur Ernte ist.» Cranberrys sind ohnehin sauer. Und fest.
Cranberrys sind gut für den Körper
Die Beeren sind gesund, weil sie voller Antioxidantien sind. Diese sollen Alterungsprozesse im Körper verlangsamen und Harnwege sowie Herz-Kreislauf-System fit halten. «Die Cranberry ist zudem die einzige Frucht, die nicht schimmelt», sagt Mary Brown, Phils Frau.
Die erste Werbung für Cranberrys in den USA gab es 1952. In den 1960er Jahren kam jemand auf die Idee, die Beeren zu zuckern und zu trocknen. Craisin heißt diese Kreation, die bis heute in zahlreichen Geschmacksrichtungen in den Supermarktregalen zu finden ist.
Auch der Cranberry Juice, der Saft, erfreut sich großer Beliebtheit – und wird sogar von Medizinern empfohlen. Phils Frau Mary hat indes einen eigenen Weg gefunden, die Cranberrys zu trocknen – und zwar ohne den vielen Zucker, der in den Craisins enthalten ist. «Sauer sind sie, aber viel gesünder», sagt sie über ihr Produkt, das eher aussieht wie getrocknete Goji-Beeren.
Zum Cranberry Festival aufs Land
Weil die Cranberry in den USA so bekannt und beliebt ist und man dort nicht ohne Superlative auskommt, ist die Beere nicht nur die offizielle Frucht des Staates Wisconsin – das Cranberry Festival in Warrens ist auch das größte der Welt. Sagen jedenfalls die Veranstalter. 1973 kamen sie zum ersten Mal zusammen in dem kleinen, verschlafenen Dorf auf dem Land.
Schon damals hatte June Potter die Zügel in der Hand. Die inzwischen betagte Dame ist bis heute leicht zu erkennen. Sie ist nicht nur komplett in leuchtendem Rot gekleidet, sondern trägt auch allerlei Memorabilien an die Kleidung gepinnt – ein lebendes Kunstwerk. Sie hat eingeheiratet in eine Farmer-Familie, die inzwischen in achter Generation Cranberrys anbaut. «Das ist oft ein Familienbetrieb, der von den Eltern auf die Kinder vererbt wird», erzählt sie.
Einst war das Cranberry Festival ein kleines Fest am letzten September-Wochenende, an dem die Landwirte zusammenkamen um die erfolgreiche Ernte zu feiern. Inzwischen sieht das Dorf, in dem rund ums Jahr nur knapp 600 Menschen leben, bis zu 140 000 Besucher an den drei Festival-Tagen – wenn nicht gerade Corona herrscht.
Hier gibt es dann nichts, was es nicht gibt – von der Miss Cranberry mit ihrem Hofstaat über eine Parade und sämtliche Produkte, die mit Cranberrys gemacht werden. Der Ausnahmezustand ist im kleinen Dorf gewiss. «Wir hätten nie gedacht, dass das Festival einmal so groß werden wird», sagt June. Damals, beim ersten Fest, wollten sie einfach nur die gute Ernte feiern und ein bisschen Geld für die örtliche Schule sammeln. Nun kommen Besucher aus dem ganzen Land in das kleine Örtchen, in dem es sogar ein Cranberry Museum gibt.
Wisconsin im Herbst erleben
Nicht nur zum Festival lohnt sich ein Besuch im Herzen Wisconsins, sondern generell im September und Oktober. Der «Cranberry Highway» dreht eine Schleife von rund 50 Meilen von Wisconsin Rapids nach Westen, bis nach Babcock und dann über Pittsville und Nekoosa wieder zurück. Zu sehen sind meilenweite Felder und bunte Wälder. Regelmäßig bieten die Farmer Touren über die Felder an, bei denen sie Spannendes über die Superfrucht und deren Anbau erzählen.
Die Farmhäuser mit ihren Shops laden zum Einkehren ein, dort gibt es vielfach selbst hergestellte Produkte aus den Beeren – von Keksen und Kuchen über Soßen und Chutneys bis hin zu Wein.
Wer früher in der Erntesaison dran ist, fährt statt nach Westen Richtung Norden, zur kanadischen Grenze. Denn auch dort werden die Beeren kultiviert. Am Lake Nokomis etwa sind sie meist früher reif zur Ernte, denn hier ziehen auch Frost und Winter früher ein. Dann müssen die Felder abgeerntet und geflutet sein.
Info-Kasten: Wisconsin
Reiseziel: Wisconsin liegt im mittleren Westen der USA und grenzt an zwei der Großen Seen, den Oberen See und den Michigansee. Cranberrys wachsen vor allem im Norden und in der Mitte des Bundesstaates, in dem zahlreiche deutsche Einwanderer leben.
Reisezeit: Im Winter kann es in Wisconsin bitterkalt werden, die Sommer sind recht warm. Cranberrys werden von Ende September an bis in den Oktober hinein geerntet, bevor der erste Frost kommt. In den Nächten können die Temperaturen dann schon Richtung Gefrierpunkt sinken, an den Tagen ist es meist noch angenehm.
Anreise: Von Chicago aus fährt man rund vier Stunden mit dem Auto nach Wisconsin Rapids. Zwar gibt es Anschlussflüge vom Flughafen O’Hare nach Wisconsin, doch unkomplizierter ist die Tour mit dem Auto. Der Flughafen in Chicago wird von Deutschland aus täglich von verschiedenen Fluggesellschaften angeflogen.
Übernachtung: Hotels gibt es in den größeren Städten, im ländlichen Raum finden sich eher kleine Gasthäuser und Bed-and-Breakfasts.
Corona-Lage (24.9.): Die USA sind von Corona besonders stark betroffen, die Pandemie grassiert in dem Land weiter. Die Einreise ist deutschen Reisenden derzeit nicht erlaubt, zudem gilt weiterhin die Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die USA.
Informationen: www.travelwisconsin.com
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