Samoa war einst Kolonie des Kaiserreichs. Eine Reise in das entlegene Land im Pazifik führt tief hinein in die deutsche Geschichte. Die Inseln lockten auch einen berühmten Schriftsteller in die Südsee. Apia (dpa/tmn) – Waren Sie schon mal in Deutschland? Am anderen Ende der Welt, auf einer kleinen Insel im Pazifik, ist diese Frage an […]

Samoa war einst Kolonie des Kaiserreichs. Eine Reise in das entlegene Land im Pazifik führt tief hinein in die deutsche Geschichte. Die Inseln lockten auch einen berühmten Schriftsteller in die Südsee.

Apia (dpa/tmn) – Waren Sie schon mal in Deutschland? Am anderen Ende der Welt, auf einer kleinen Insel im Pazifik, ist diese Frage an den Taxifahrer mehr eine Höflichkeit. Die Antwort scheint klar.

Ja, sagt der Mann am Steuer zum Erstaunen der Fahrgäste. Für einige Wochen habe er im Tropical Islands in einer polynesischen Band gespielt. Eine gute Zeit sei das gewesen, sagt der Samoaner über seinen Aufenthalt in dem Freizeitpark in Brandenburg. Auch wenn die Leute nicht immer auf sein freundliches Grüßen reagiert hätten.

Den Besuch eines Samoaners in der Bundesrepublik könnte man als kuriose Anekdote abtun. Ebenso, dass das lokale Vailima-Bier ein Lager deutscher Art ist. Doch der Inselstaat Samoa und Deutschland teilen Geschichte. Vor dem Ersten Weltkrieg war das Pazifikreich 14 Jahre lang eine deutsche Kolonie.

Die Kolonialzeit ist es auch, die das Bild der Südsee bis heute prägt. Wer die lange Reise nach Samoa auf sich nimmt, hat womöglich das Klischee von exotischen Menschen vor tropischer Kulisse verinnerlicht. Doch Apia, die Hauptstadt Samoas mit ihren Banken und Bürogebäuden auf der Hauptinsel Upolu, hat nichts mit vormoderner Ursprünglichkeit zu tun.

Ankunft im Hafen. Unweit der Pier, wo die Kreuzfahrtschiffe anlegen, ereignete sich eines der dramatischsten Ereignisse der Geschichte des Inselreichs: die Schlacht um Samoa. Denn nicht nur das Kaiserreich hatte koloniale Interessen an den abgelegenen Inseln.

Mitte des 19. Jahrhunderts kommt das Hamburger Handelshaus Godeffroy nach Samoa. Die Kaufleute wollen Kopra, das getrocknete Fleisch der Kokosnuss, aus dem Öl gewonnen wird. Die Firma gründet eine Niederlassung in Apia, kauft Land, lässt Plantagen anlegen. Doch Godefrroy verspekuliert sich mit Aktien und muss 1879 Insolvenz anmelden. Das wichtige Unternehmen geht in der Deutschen Handels- und Plantagengesellschaft auf.

Auch die Briten und Amerikaner sind in dieser Zeit vor Ort. Jede Nation versucht das lokale Machtgefüge aus diversen Würdenträgern zu ihren eigenen Gunsten zu beeinflussen, was immer wieder zu bürgerkriegsähnlichen Zuständen führt. Die Bevölkerung leidet. Missliebige Häuptlinge werden deportiert.

Die Lage eskaliert 1889, als sich Kriegsschiffe der drei fremden Mächte in der Bucht von Apia gegenüberstehen, was als Teil der «Kanonenbootpolitik» in die Geschichte eingeht. Doch ein Zyklon zieht auf. Fast alle Schiffe sinken. Die Kriegsparteien setzen sich an den Verhandlungstisch. Auf der Berliner Samoa-Konferenz wird der Inselstaat formal unabhängig, jedoch verwaltet von den drei Großmächten.

Der Frieden hält nicht lange. Nach dem Tod des Königs Malieota Laupepa kommt es im Streit um die Nachfolge wieder zum Konflikt. Nach einem diplomatischen Ringen wird das Inselreich 1899 durch den Samoa-Vertrag zweigeteilt. Die Deutschen erhalten den Westen, die USA den Osten, der fortan Amerikanisch-Samoa heißt.

Spuren der deutschen Kolonialzeit fallen in Apia heute nicht sofort ins Auge. Die meisten Kolonialgebäude wurden abgerissen, Teile sind noch an der Beach Road erhalten. Auch das historische Gerichtsgebäude der Deutschen soll wegen Termitenbefalls weichen, was kontrovers diskutiert wird. Jeden Morgen um 8.45 Uhr spaziert die samoanische Polizei durch Apia – und spielt dabei Marschmusik, auch deutsche Stücke. In der imposanten Kathedrale Mulivai erklingt manchmal noch eine Hymne im Walzertakt.

Samoa lockte damals auch einen berühmten Schotten. Oberhalb von Apia steht Vailima, das ehemalige Wohnhaus des Schriftstellers Robert Louis Stevenson (1850-1894) – heute ein Museum. Der Autor («Die Schatzinsel») siedelte 1890 mit seiner Familie auf die Insel im Pazifik über. Er liegt auf dem Mount Vaea begraben, ein Spazierpfad führte vom Museum hinauf zur Ruhestätte.

Knarzende Dielenböden, antike Sekretäre, Familienfotos: Wer durch das Museum schreitet, wähnt sich in einem anderen Jahrhundert. Bei den Möbeln handelt es sich aber um Replikate. «Die meisten Originale wurden verkauft», sagt Museumsführerin Maria Silva, 42, deren Großvater Deutscher war. Sie seien schwer zu bekommen. «Aber wir haben seine Knochen.» Der lungenkranke Stevenson, der sich in Samoa eine Linderung seines Leidens versprach, starb früh.

«Das einzige Original ist der Kamin», sagt Silva bei einer Führung durch das luftige Haus. Wegen des heißen Klimas sei er aber nie benutzt worden. «Die Familie brachte ihn nur her, um sich ein bisschen wie daheim in Schottland zu fühlen. Es war der erste Kamin in Samoa und vermutlich auch der letzte.»

Die Samoaner nannten den Schotten «Tusitala», Geschichtenerzähler. Bei den Einheimischen war Stevenson beliebt. Nach seinem Tod ging die Familie in die USA, das Haus wurde verkauft. Ein deutscher Mäzen – und großer Fan der «Schatzinsel» – baute einen neuen Flügel. Der deutsche Kolonialgouverneur Wilhelm Solf zog in Vailima ein.

Samoa hat Touristen aber noch mehr zu bieten als Kolonialgeschichte. Abseits der Hauptstadt Apia geht es gemütlich zu. Die Menschen in den Dörfern sind freundlich und offenherzig, Kinder winken und lachen.

Auf Savaii, der zweiten Hauptinsel, wird für die Besucher eines Kreuzfahrtschiffes eine Folklore-Vorführung arrangiert. Trommeln, Tänze, Fackeln, frische Kokosnüsse und Ananas für die Gäste. Die Samoaner in ihren gelben Tüchern um die Hüften geben sich ausgelassen. Weißhaarige Touristen richten ihre Videokameras aus. Als Betrachter stellt man sich die Frage, ob die Folklore bloß koloniale Stereotype von halbnackten Eingeborenen reproduziert oder doch ein authentischer Ausdruck traditioneller Gastfreundschaft ist.

Während der deutschen Kolonialzeit wurden drei Völkerschauen organisiert, für die Samoaner ins Deutsche Reich reisten. Dort präsentierte man die Inselbewohner als exotisch-schöne Gäste aus Übersee. Aus heutiger Sicht scheint dies höchst respektlos.

Der samoanische Würdenträger Teo Tuvale wählte die Teilnehmer der zweiten Völkerschau aus. «Ich bin sehr vorsichtig an die Gespräche mit den samoanischen Nachfahren herangegangen, weil ich auch dieses Bild von der Unwürdigkeit der Völkerschauen im Kopf hatte, und wurde sehr schnell und sehr indigniert eines Besseren belehrt», erklärt die Ethnologin Hilke Thode-Arora. Sie ist Samoa-Expertin und hat auf den Inseln viel Feldforschung betrieben.

Teo Tuvale habe als ranghoher Häuptling strategisch und politisch gedacht und genau gewusst, worauf er sich einließ, sagt Thode-Arora. Als Mittler zwischen samoanischer und westlicher Kultur sah er die Völkerschau als «Malanga», als traditionelle Besuchsreise. Der Trip nach Deutschland war für Tuvale ein Erfolg, er verschaffte ihm Vorteile gegenüber den anderen Häuptlingen. Im Kieler Stadtschloss empfing ihn Kaiser Wilhelm höchstpersönlich.

Im Rahmen der Völkerschauen und während der Kolonialjahre fanden auch samoanisch-deutsche Paare zueinander. Viele Samoaner kokettierten durchaus mit ihrer deutschen Abstammung, so die Ethnologin. Und einige verklärten die deutsche Kolonialzeit. Denn die Neuseeländer, die das Land danach besetzten, waren schlimmer: Sie brachten die Spanische Grippe und schossen die Protestbewegung nieder.

Deutsche Reisende sind heute geschätzte Gäste. In Samoa können sie an einigen Stellen der Insel schöne Südsee-Strände genießen. Landschaftlich spannender ist das Lavafeld von Saveaula auf Savaii. Es entstand durch den Ausbruch des Matavanu zwischen 1905 und 1911. Kaum jemand starb, als die Lava des Schichtvulkans aus dem Berg floss. Das Dorf jedoch wurde zerstört. Als Besucher spaziert man über die Stricklava, die sich über den Boden spannt wie dicke Stränge Lakritz. Pfanzen dringen durch das Gestein, die Menschen haben neue Häuser auf der Lava gebaut. Der Boden ist ausgesprochen mineralreich. 

Als erster polynesischer Staat wurde Samoa 1962 unabhängig. Heute gibt es neue Interessengruppen. «Die Leute haben Sorge, dass die Chinesen irgendwann alles übernehmen», sagt der Künstler Laloval Peseta in seiner Galerie in Apia. Der tätowierte Samoaner zeigt eines seiner Bilder: der Premierminister des Landes und allerlei Symbole, die für den Unmut in Teilen der Bevölkerung über die Politik stehen. Alles in Rot. «Denn die Farbe assoziiert man mit Krieg, Wut und Leidenschaft», sagt der Maler.

Das deutsche Spital in Samoa wurde übrigens ebenfalls abgerissen – und durch ein chinesisches Krankenhaus ersetzt.

Info-Kasten: Samoa

Reiseziel: Die Inselrepublik Samoa liegt im Pazifik südlich des Äquators unweit der Datumsgrenze. Das Land besteht aus den Hauptinseln Upolu und Savaii sowie den kleineren Inseln Manono und Apolima. Kulturell verbunden ist sie mit der Insel Tutuila, die aber politisch zu den USA (Amerikanisch-Samoa) gehört.

Klima und Reisezeit: In Samoa herrscht tropisches Klima. Es ist ganzjährig warm. Die Regenzeit geht von November bis April. Mit Regen muss jedoch das ganze Jahr über gerechnet werden.

Anreise: Samoa hat einen internationalen Flughafen. Die Anreise mit dem Flugzeug über Australien, Neuseeland oder die USA ist weit und verhältnismäßig teuer. Kreuzfahrtschiffe laufen Apia auf Upolu im Rahmen von Südsee-Kreuzfahrten an.

Einreise: Mit einem Reisepass können sich deutsche Staatsangehörige bis zu 90 Tage innerhalb von 180 Tagen visumfrei in Samoa aufhalten.

Übernachtung: In Samoa gibt es eine überschaubare Anzahl verschiedener Unterkünfte, von schicken Strand-Resorts bis zu einfachen Familienpensionen.

Gesundheit: Samoa ist malariafrei. Es gibt aber andere von Mücken übertragenen Krankheiten wie Dengue-Fieber. Impfvorschriften bestehen nicht. Empfehlenswert sind die Standardimpfungen gemäß aktuellem Impfkalender sowie eine Reiseimpfung gegen Hepatitis A.

Geld und Währung: Ein Euro sind 2,93 Samoa Tala (Stand: 25.3.19). In den Städten gibt es Geldautomaten, wo Bargeld abgehoben werden kann.

Informationen: www.samoa.travel