Trumps Twitter-Gewitter und Merkels Fehlstart in den G20-Gipfel Von Michael Fischer, Jörg Blank, Denis Düttmann und Michael Donhauser, dpa
Putin gegen Trump, Trump gegen Xi und ein Kronprinz, den man der Anstiftung zum Mord verdächtigt: Der G20-Gipfel in Buenos Aires bietet so viel Konfliktstoff wie lange nicht mehr. Schon der Aufgalopp gestaltet sich schwieriger als erwartet. Buenos Aires (dpa) – Es ist wieder so wie bei den letzten Gipfeln auch: US-Präsident Donald Trump macht […]
Putin gegen Trump, Trump gegen Xi und ein Kronprinz, den man der Anstiftung zum Mord verdächtigt: Der G20-Gipfel in Buenos Aires bietet so viel Konfliktstoff wie lange nicht mehr. Schon der Aufgalopp gestaltet sich schwieriger als erwartet.
Buenos Aires (dpa) – Es ist wieder so wie bei den letzten Gipfeln auch: US-Präsident Donald Trump macht sich auf den Weg zum G20-Treffen in Buenos Aires und gibt mit einer Twitter-Nachricht in spektakulärer Weise den Ton vor. Diesmal sagt er aus dem Flieger nichts Geringeres als ein Treffen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin ab, das er kurz vorher noch gutgeheißen hatte. Der zumindest öffentlich genannte Grund: Die Eskalation der Ukraine-Krise vor der Küste der von Russland annektierten Krim.
Trump macht Putin klar, dass es ohne eine Freilassung der dort von der russischen Marine festgenommenen ukrainischen Matrosen kein Gespräch geben könne. Dies sei «das Beste für alle betroffenen Parteien».
Auch Merkels Flug nach Buenos Aires bringt eine Überraschung – allerdings der ganz anderen Art. Als sie nach einer Flugstunde über den Niederlanden im Hintergrundgespräch mit Journalisten sitzt, platzt eine Stewardess mit den Worten «Es ist wichtig» in den Besprechungsraum. Kurze Zeit später teilt Merkel mit, dass man wegen eines technischen Defekts zurückkehren müsse. Am späten Abend landete sie in Köln, wo sie mit ihrer Delegation eigentlich in einen Ersatzflieger umsteigen wollte. Aber auch der war nicht startklar. Am Morgen wollte Merkel ihre Reise mit Linie fortsetzen – um dann mit vielen Stunden Verspätung am Freitag in Buenos Aires einzutreffen. Damit stand auch ihr Treffen für den Nachmittag geplantes Treffen mit Trump auf der Kippe.
Es ist also ein holpriger Aufgalopp für den zweitägigen Gipfel, der ohnehin schon mit Konfliktstoff überfrachtet ist. Neben der Ukraine belasten zwei weitere Krisen das Treffen der Staats- und Regierungschefs der größten Wirtschaftsmächte:
– HANDELSKRIEG: Auch hierbei spielt Trump eine Hauptrolle. Mit dem chinesischen Präsidenten Xi Jinping wird er über die Strafzölle reden, die er dem mächtigen Rivalen auf den Weltmärkten auferlegt hat. Auch hierfür lief er sich auf Twitter schon mal warm: «Milliarden von Dollar strömen wegen der Zölle gegen China in die Staatskasse der USA», freute er sich am Donnerstag, ohne auf die riesigen Gefahren für die Weltwirtschaft hinzuweisen. Auch bei Trumps Gespräch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) dürfte es in erster Linie um Handelsfragen gehen. Berichten zufolge könnte Trump schon in der nächsten Woche deutsche Autos mit Strafzöllen belegen. Ein eigentlich für diese Woche geplantes Treffen mit den Chefs von VW, BMW und Daimler kam nicht zustande, könnte aber nächste Woche folgen.
– KHASHOGGI-AFFÄRE: Schon zwei Tage vor Gipfelbeginn traf bereits am Mittwoch der Teilnehmer in Buenos Aires ein, der es am G20-Tisch am schwersten haben wird: Der saudische Kronprinz Mohammed bin Salman verschanzte sich zunächst streng abgeschottet in der Botschaft seines Landes. Das argentinische Fernsehen berichtete, dass dort bei einem großen Essen am Mittwochabend fünf Hammel auf goldenen Tellern serviert wurden. Beim Gipfel wird jeder Schritt, jeder Handschlag, jedes Gespräch des autoritären Herrschers genau beobachtet werden. Denn dass jemand aus dem Kreis der Mächtigsten der Welt verdächtigt wird, einen Mord in Auftrag gegeben zu haben, ist ein absolutes Novum. Zum Tod des regierungskritischen Journalisten Jamal Khashoggi im saudischen Konsulat in Istanbul gibt es weiterhin erheblichen Erklärungsbedarf.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan, der sich als Chef-Aufklärer in der Sache geriert, ist ebenfalls in Buenos Aires dabei. Gegen ein Treffen mit Salman hat er grundsätzlich nichts einzuwenden. Trump wiederum, der den Kronprinzen weiter als Verbündeten ansieht, gab vor, nicht genug Zeit für ein Treffen zu haben.
Von Trump wird am Ende wieder abhängen, ob der Gipfel zumindest kleine Teilerfolge bringt oder wie zuletzt der G7-Gipfel in Kanada Anfang Juni in einem Desaster endet. Damals kündigte der US-Präsident die mühsam ausgehandelte Abschlusserklärung nachträglich aus dem Flugzeug per Twitter auf. In zehn Jahren G20-Gipfel gab es immer solche Kommuniqués. Diesmal ist das alles andere als sicher. Und wenn es eine Einigung gibt, wird man genau hinschauen müssen, wie minimal der Konsens bei den Streitfragen Protektionismus und der Reform der Welthandelsorganisation WTO sein wird.
Das wird dann auch ein Gradmesser dafür sein, wie durchlöchert die auf internationalen Verträgen und Organisationen basierende Weltordnung nach zwei Jahren Trump schon ist. Kanzlerin Merkel hat in ihrer Bundestagsrede in der vergangenen Woche noch einmal ein flammendes Plädoyer für internationale Zusammenarbeit gehalten. «Deutsches Interesse heißt, immer auch die anderen mitzudenken», hielt sie den «Amerika zuerst»-Parolen Trumps entgegen. Aber hört überhaupt noch jemand auf die Kanzlerin, nachdem sie ihren schrittweisen Rückzug aus der Politik verkündet hat?
Wenn es in Buenos Aires ganz schlecht läuft, reden wie vor 17 Monaten beim letzten G20-Gipfel in Hamburg am Ende alle wieder nur über Gewalt auf den Straßen. Der argentinische Präsident Mauricio Macri möchte das unbedingt verhindern. 25 000 Sicherheitskräfte sind auf den Straßen von Buenos Aires im Einsatz. Die US-Streitkräfte haben im benachbarten Uruguay 400 Soldaten und Awacs-Aufklärungsflugzeuge stationiert. Vor der Küste soll der Flugzeugträger «USS Carl Vinson» kreuzen. Das argentinische Sicherheitsministerium beschaffte Medienberichten zufolge 15 Millionen Gummigeschosse und zwei Millionen Schuss scharfe Munition.
Gewerkschaften, soziale Bewegungen und linke Gruppen haben zu Protesten gegen den G20-Gipfel aufgerufen. Ihre Kritik richtet sich auch gegen die aus ihrer Sicht neoliberale argentinische Regierung und den Internationalen Währungsfonds (IWF), der im Gegenzug für milliardenschwere Kredite harte Sparmaßnahmen fordert.
Die größte Demonstration wird am Freitag erwartet. In Argentinien gibt es eine gut organisierte und kampferprobte linke Szene. Selbst bei Protesten gegen Rentenkürzungen fliegen dort schon einmal Steine und Molotowcocktails. Sicherheitsministerin Patricia Bullrich sagt dazu: «Gewalttätige Aktionen dürfen nicht vorkommen. Wir werden sehr streng sein.»