Mehdorn auf dem Sprung über die Fünf-Milliarden-Euro-Marke
26.06.2014 Kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaften vom neuen Hauptstadtflughafen. Nach Tagen voller Kriminalfälle geht es nun wieder ums Geld. Fest steht bisher nur: Billiger wird es nicht. Schönefeld (dpa) – Der Staatsanwalt ermittelt wegen Bestechlichkeit, interne Unterlagen liegen ordnerweise auf der Straße und ein Planer gibt sich zu Unrecht als Ingenieur aus – der […]
26.06.2014
Kaum ein Tag ohne neue Hiobsbotschaften vom neuen Hauptstadtflughafen. Nach Tagen voller Kriminalfälle geht es nun wieder ums Geld. Fest steht bisher nur: Billiger wird es nicht.
Schönefeld (dpa) – Der Staatsanwalt ermittelt wegen Bestechlichkeit, interne Unterlagen liegen ordnerweise auf der Straße und ein Planer gibt sich zu Unrecht als Ingenieur aus – der Hauptstadtflughafen ist zur Kulisse für Räuberpistolen geworden. Vor allem aber kostet er noch mehr Geld, wie Flughafenchef Hartmut Mehdorn nun seinen Kontrolleuren erklärte. Die wichtigsten Fragen und Antworten:
Hat Mehdorn seinen Laden überhaupt noch im Griff?
Von außen schwer zu sagen. Für die Kriminalfälle kann er nach bisheriger Kenntnis nichts; sie spielten sich außerhalb des Unternehmens ab. Nach innen gibt Mehdorn den Alleinherrscher, der hart durchgreift. Mehrere Führungskräfte hat er gefeuert und lässt – anders als seine Vorgänger – auch den neuen Technikchef Jörg Marks nicht in die Geschäftsführung aufrücken. Bei den internen Korruptionsermittlungen droht Mehdorn: «Wenn wir einen erwischen, machen wir ihn platt.»
Was passiert denn überhaupt auf der Baustelle?
Wenig, denn das meiste ist fertig. Alle Betriebsgebäude sind abgenommen – bis auf das Terminal mit dem Dauerproblem Brandschutz. Ein gigantischer Kabelsalat verhindert, dass Entrauchung und Luftzufuhr so laufen, dass der Rauch ordentlich abzieht. 90 Kilometer Kabel sind neu zu verlegen, doch die Planung dauert schon ein Dreivierteljahr. Sein Ziel «Bau-Ende Ende 2014» hat Mehdorn inzwischen kassiert.
Braucht Berlin eigentlich einen neuen Flughafen?
Solange in Tegel und Schönefeld alles glatt geht, taucht die Frage tatsächlich manchmal auf. Aber Tegel – gebaut für gut sechs Millionen Passagiere im Jahr – ist mit fast 20 Millionen Fluggästen 2013 völlig überlastet und nicht mehr auszubauen. Tempelhof hat der Senat vor sechs Jahren geschlossen. Der frühere DDR-Zentralflughafen in Schönefeld hat mit zuletzt knapp sieben Millionen Passagieren zwar noch Platz für weitere fünf Millionen. Mehdorn erwartet aber schon 2020 insgesamt rund 35 Millionen Passagiere in Berlin.
Verrottet der Neubau nicht irgendwann?
In Teilen gibt es die Gefahr wirklich. Deshalb schickt etwa die Bahn mehrmals täglich leere Züge durch den Bahnhof unter dem Terminal, damit dieser keinen Schimmel ansetzt. Die Gepäckförderanlage, Fahrstühle und Rolltreppen werden regelmäßig in Gang gesetzt. Das ist Teil der «Stillstandskosten» von monatlich 17 Millionen Euro. Der «modernste Flughafen Europas» (Eigenwerbung) sollte eigentlich im Herbst 2011 eröffnen. Wenn 2016 oder 2017 vielleicht wirklich die ersten Flieger abheben, dürfte davon keine Rede mehr sein.
Was wird das Ganze Kosten?
Mehdorn geht inzwischen von 5,4 Milliarden Euro aus – eingerechnet die Finanzspritze von 1,1 Milliarden Euro, über die der Aufsichtsrat am Montag beschließen soll. «Doppelt so viel Flughafen kostet doppelt so viel Zeit und dauert länger», sagt der Geschäftsführer. Treffen die früheren Angaben des Flughafens zu, stimmt das nicht ganz. Verglichen mit den Plänen 2006, dem Jahr des ersten Spatenstichs, steht in Schönefeld zwar eineinhalb Mal so viel Terminalfläche. Die Kosten sind aber mehr als zweieinhalb Mal so hoch.
Wer zahlt die Zeche?
Größtenteils der Steuerzahler. Auch wenn Brandenburgs Flughafenkoordinator Rainer Bretschneider (SPD) betont, bislang seien erst 1,7 Milliarden Euro Steuergeld in das Projekt geflossen. Denn der Flughafen muss erst beweisen, dass er nach der Eröffnung seine Bankkredite von 2,4 Milliarden Euro zurückzahlen kann – dafür bürgt zu hundert Prozent die öffentliche Hand. Hinzu kommt die geplante Finanzspritze von 1,1 Milliarden Euro. Diese können der Bund, Berlin und Brandenburg übrigens erst verabreichen, wenn die EU-Kommission darin keine wettbewerbsverzerrende Beihilfe sieht.
Welche Folgen haben die Flugrouten-Prozesse?
Von den zahlreichen Klagen aus dem dicht besiedelten Umland haben Richter bisher die meisten abgewiesen und damit verhindert, dass am neuen Flughafen weniger Maschinen abheben können als geplant. Es ginge auch ohne Flüge über den Berliner Wannsee, die nun auch im Bundesverwaltungsgericht zur Debatte standen. Berliner Richter hatten diese Route gekippt, weil sie an einem Forschungsreaktor vorbeiführt. Aber der schließt 2020.
Burkhard Fraune, dpa