Schönefeld Es ist ein langer Tag für Wowereit und Platzeck auf der Berliner Flughafenbaustelle. Und am Ende bleibt vieles unklar – bis auf eines: Für den Steuerzahler werden die Pannen teuer. Der Aufsichtsrat tagt in der Feuerwache – ausgerechnet. Nebenan im Terminal des neuen Hauptstadtflughafens versuchen Techniker fieberhaft, die berühmteste Brandschutzanlage des Landes zum Laufen […]

Schönefeld

Es ist ein langer Tag für Wowereit und Platzeck auf der Berliner Flughafenbaustelle. Und am Ende bleibt vieles unklar – bis auf eines: Für den Steuerzahler werden die Pannen teuer.

Der Aufsichtsrat tagt in der Feuerwache – ausgerechnet. Nebenan im Terminal des neuen Hauptstadtflughafens versuchen Techniker fieberhaft, die berühmteste Brandschutzanlage des Landes zum Laufen zu bringen. In der Feuerwache schließen die Politiker derweil in stundenlangem Ringen einen folgenschweren Kompromiss: Die Länder Berlin, Brandenburg und der Bund müssen für die milliardenschweren Zusatzkosten aufkommen. Doch diese Rechnung haben sie ohne die FDP gemacht.

Es ist Mittag, da unterbricht Sirenengeheul die Arbeit des Aufsichtsrats um die Berlin-Brandenburger Regierungschefs Klaus Wowereit und Matthias Platzeck (beide SPD). Ein Löschzug der Flughafenfeuerwehr rückt aus, zum Parkhaus P3 – ein Fehlalarm, wie sich herausstellt.

Als der Aufsichtsrat sein Rettungspaket vorstellt, schicken Platzeck und Wowereit Rainer Bomba vor, den CDU-Staatssekretär von Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer. Zu lange hatte sich der Miteigentümer Bund rausgehalten und wacker Aufklärung gefordert. Man konnte meinen, Ramsauer und Bomba säßen gar nicht mit im Boot.

Nun muss der Staatssekretär verkünden, dass die öffentliche Hand dem klammen Betreiber mit mehr Eigenkapital, Darlehen und Kreditgarantien unter die Arme greift. «Wir werden dieses Projekt nicht an die Wand fahren», verspricht er. Nein, der Bund werde seinen Anteil nicht verkaufen. Ja, der Bund werde die Kosten mittragen.

Wie er den Widerstand in der schwarz-gelben Koalition brechen will, sagt Bomba nicht. FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle meint beispielsweise: «Es kann nicht sein, dass Berlin diese Chaos-Kosten auf den Bund abschiebt.» Und so ist es wie meistens bei diesen Aufsichtsratssitzungen, die seit der geplatzten Eröffnung des Prestigeprojekts immer auch Krisensitzungen sind: Immer wieder gibt es neue Zweifel an gerade gewonnenen Gewissheiten.

Den Eröffnungstermin etwa. Im Mai saßen Wowereit, Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck und Bomba nebeneinander und forderten eine Inbetriebnahme nach den Sommerferien – eine Schnapsidee. Später legten sie den 17. März 2013 fest – doch bald wackelte auch dieses Datum.

Inzwischen glaubt kaum jemand an diesen Termin. Spekulationen reichen bis zum Herbst 2013, teils bis 2014. Doch damit gerät eine weitere Gewissheit ins Wanken: Die Mehrkosten von 1,177 Milliarden Euro gelten für einen Start im März. Weitere Verschiebungen bringen neue Kosten. Ohne sichere Termine keine Bankzusagen.

Oder der Lärmschutz. Da verkündet Aufsichtsrat am Donnerstag einen Kompromiss mit der Geschäftsführung für die Anwohner, bessere Schallschutzfenster und mehr Entschädigungen als bisher. Und sie wollen doch weniger geben, als von einem Gericht verlangt. Das könnte die Mehrkostenrechnung etwas dämpfen. Doch Anwälte stehen schon in den Startlöchern, um wieder vor Gericht zu ziehen.

Das Desaster um den Hauptstadtflughafen hat längst eine Debatte darüber ausgelöst, wie öffentliche Unternehmen zu steuern sind. Gehören Politiker wirklich in den Aufsichtsrat oder besser Fachleute? Wie weit muss das Kontrollgremium in die Geschäftsführung eingreifen? Lassen sich solche Großprojekte überhaupt verlässlich steuern?

Platzeck und Wowereit scheinen entschlossen, die Suppe selbst auszulöffeln. Er kneife nicht, sagt Platzeck. Flughafenchef Rainer Schwarz: «Ich habe noch genug Probleme zu lösen.» Und Wowereit verteidigt sich, er sei als Aufsichtsratschef nicht dafür verantwortlich, welcher Termin technisch umsetzbar ist.

Mögen die Aufsichtsräte früher womöglich nicht genug nachgefragt haben – jetzt liegt vieles tatsächlich nicht mehr in ihrer Hand. Ihre 15 Augenpaare ruhen am Donnerstag auf Horst Amann, dem neuen Technikchef, der kürzlich vom Frankfurter Großflughafen kam.

Amann gilt als erfahren und durchsetzungsstark. Doch einen neuen Eröffnungstermin will erst in einigen Wochen nennen. Zu komplex ist das Projekt – und zu groß das Durcheinander in den Planunterlagen. «Das ist auf dem Bau nicht ungewöhnlich», sagt der kleine Mann mit den kräftigen Händen in breitem Hessisch. Und dann fügt er hinzu: «Vielleicht ist die Häufung hier etwas ausgeprägter.»

Burkhard Fraune, dpa