Edinburgh, 07. August 2018 Der Reiseführer ist 800 Seiten dick, doch für den Schottland-Urlaub bleiben nur 14 Tage? Burgen und Berge, Geschichte und Gärten gibt es an fast jeder Ecke – da fällt die Auswahl schwer, auch weil die Wege weit sind im Norden Großbritanniens. Wir haben etwas vorsortiert. Es muss nicht immer Loch Ness […]

Edinburgh, 07. August 2018

Der Reiseführer ist 800 Seiten dick, doch für den Schottland-Urlaub bleiben nur 14 Tage? Burgen und Berge, Geschichte und Gärten gibt es an fast jeder Ecke – da fällt die Auswahl schwer, auch weil die Wege weit sind im Norden Großbritanniens. Wir haben etwas vorsortiert.

Es muss nicht immer Loch Ness sein, auch nicht unbedingt Edinburgh Castle. Wer nach Schottland reist, kann sich ein abwechslungsreiches Rundreiseprogramm zusammenstellen, in dem ein paar übliche Verdächtige unter den Attraktionen bestens mit weniger bekannten Zielen harmonieren. Ein Vorschlag für einen Besuch im Land der Dudelsäcke mit sieben Stationen und bleibenden Eindrücken.

DIE BURGRUINE: Dunnottar Castle an der Nordseeküste

Welch ein Anblick, was für eine Lage! Gut 30 Kilometer südlich von Aberdeen erheben sich auf einer kleinen Halbinsel die Reste von Dunnottar Castle aus der Nordsee. Mit dem Festland verbunden ist die Ruine über einen Fußweg, der durch eine Senke führt: Besucher müssen von der Steilküste fast bis auf Meereshöhe hinabsteigen und wieder hinauf. Während des Bürgerkriegs waren dort oben 1651 zeitweise die Kronjuwelen Schottlands versteckt, und 1685 wurden hier 167 Gefangene im dunklen Verließ Whigs‘ Vault grausam zusammengepfercht, nur weil sie damals an der presbyterianischen Kirchenverfassung festhielten.

Fast allen Gebäuden aus jenen Zeiten fehlt schon lange das Dach, seit einer Restaurierung 1925 ist der Verfall aber aufgehalten. Gepflegtes Grün breitet sich aus zwischen den alten Mauern, die sich um eine 7,60 Meter tiefe Zisterne gruppieren, aus denen früher das Wasser zum Bierbrauen geholt wurde. Im Sommer sind Besichtigungen von 9.00 bis 17.30 Uhr möglich, der Parkplatz ist rasch überfüllt. Es lohnt sich, spät zu kommen, weil dann das Licht am schönsten auf die Ruine fällt.

DAS LOCH: Muick in Aberdeenshire

Eben noch bildete im Tal des Flüsschens Dee eine sattgrüne Wald- und Wiesenlandschaft die Umgebung, doch kurz vor Loch Muick ändert sich das Bild schlagartig. Etwa eine Autostunde westlich von Aberdeen erreichen Besucher hier die fast baumlosen Highlands, die beherrscht werden von niedrigen Heidegewächsen. Im August sind die steilen Hänge entlang des 3,5 Kilometer langen Bergsees übersät mit rosa Blüten.

Loch Muick liegt im Cairngorms-Nationalpark, das Gelände gehört aber Königin Elizabeth II. als Privatbesitz. Das Schloss Balmoral, in dem die Monarchin traditionell ihren Sommerurlaub verbringt, ist nur etwa 15 Kilometer entfernt. Einschränkungen für Touristen gibt es aber nicht. Ein 12,5 Kilometer langer Wanderweg umrundet den See und führt auch direkt am Glas-allt Shiel vorbei, einem düsteren Gebäude aus grauen Steinen mit abgedunkelten Fenstern, das 1868 als Wochenendhaus für Königin Victoria gebaut wurde. In der Berg-und-See-Kulisse erinnert es ein wenig an das Herrenhaus «Skyfall» im gleichnamigen James-Bond-Film. Man hofft vergebens, dass Agent 007 unter den wenigen anderen Wanderern ist, die einem entgegenkommen.

DER GARTEN: Inverewe am Loch Ewe

Purpur, Orange, Blau, Gelb, Dunkelrot: In unzählbar vielen Farben blüht es den Besuchern des Gartens Inverewe entgegen, wenn sie im Sommer an den Beeten entlangspazieren. Die botanische Vielfalt der Anlage überrascht – trotz aller Erkundigungen im Vorfeld – viele Touristen, liegt doch Inverewe weit im Nordwesten Schottlands, der allgemein als rau gilt. Doch auch Gewächse, die in tropischen Ländern wie Brasilien zu Hause sind, gedeihen hier prächtig. Möglich machen es der Golfstrom im Atlantik und eine geschützte Lage am Südende der Meeresbucht Loch Ewe, die beständig für ein mildes Mikroklima sorgen.

Seerosenteiche und ein Steingarten, Eukalyptusbäume aus Tasmanien und riesige Rhododendren: Es gibt viel zu sehen, und rasch sind zwei Stunden vergangen, ohne dass es während des Bummels viele Pausen gab. Angelegt hat den Garten, der heute vom National Trust for Scotland getragen wird, Osgood Hanbury Mackenzie. Er ließ von 1862 an aus aller Welt Bäume nach Inverewe holen, aus Japan und aus dem Himalaya ebenso wie aus Chile, Südafrika und Neuseeland. Erst seit 2016 lässt sich auch das von Mackenzie gebaute Haus besichtigen, das innen noch so aussieht, wie es seine Tochter Mairi bis zu ihrem Tod 1953 bewohnt hat. Das schwarze Telefon hat noch eine Wählscheibe, und auf einer Couch liegt eine Illustrierte, deren Titelbild eine Aufnahme der damals noch jungen Königin Elizabeth II. am Tag ihrer Krönung zeigt.

Ein Nachteil von Inverewe ist die abgelegene Lage. Von Inverness aus sind es zum Beispiel mehr als 100 Minuten Autofahrt – für einen Tagesausflug nicht gerade wenig. Wer länger am Ort bleiben möchte, muss sich frühzeitig um eine Unterkunft kümmern, denn besonders viele Hotels gibt es in den Orten ringsum wie Poolewe und Gairloch nicht.

DER FILMSTAR: Das Viadukt am Glenfinnan Monument

In der Nacht zuvor hat es geregnet, der Boden auf dem Aussichtshügel ist ganz matschig. Etwa drei Dutzend Urlauber nehmen dreckige Schuhe aber gerne in Kauf, um eine noch bessere Sicht auf das Viadukt zu bekommen, das sie alle aus den Harry-Potter-Filmen kennen. Darin fährt der Hogwarts-Express-Zug mit den Zauberschülern über eben diese Brücke, die im Westen Schottlands eine dramatisch wirkende Landschaft überspannt. Sie liegt nahe des Glenfinnan Monuments, einer Säule, die an die hier begonnene Rebellion der Jahre 1745/46 erinnert, als der Königssohn Bonnie Prince Charlie mit Hilfe schottischer Clans vergeblich versuchte, die Stuart-Dynastie auf dem Thron fortzusetzen.

Das Viadukt allein ist jedoch nur halb so interessant wie das Viadukt mit einer Dampflok drauf – eben wie bei Harry Potter. Viermal am Tag lässt sich solch eine Szene im Sommer tatsächlich beobachten, wenn der Touristenzug The Jacobite vorbeikommt, der zwischen Fort William und Mallaig pendelt. Einmal morgens, einmal abends – und wer ihn in beide Richtungen fahrend sehen will, sollte zwischen 14.30 und 16.00 Uhr hier sein – dann geht das ohne allzu langes Warten. Schon von Ferne ist dann das Pfeifen der Lokomotive zu hören. Wenn der Zug die Brücke erreicht, geht ein Raunen durch die Menge, Kameras surren und klicken im Akkord, und keiner denkt mehr an seine schmutzigen Schuhe.

DAS KUNSTWERK: Die Kelpies bei Falkirk

Was sind denn das für Skulpturen? Jeweils 30 Meter hoch ragen zwei glänzende Pferdeköpfe aus dem Boden, geformt aus insgesamt 928 Platten rostfreien Stahls und jeder immerhin 300 Tonnen schwer. «The Kelpies» heißt das Kunstwerk, das nahe der Stadt Falkirk nordöstlich von Glasgow alle Blicke auf sich zieht. Entworfen hat es der Künstler Andy Scott, der darin «eine Verkörperung der lokalen und nationalen Geschichte und der verlorenen Industrien Schottlands» sieht, aber auch «ein Symbol des modernen Schottland, stolz und majestätisch».

In nur 90 Tagen Bauzeit wurden die Kelpies im Jahr 2013 errichtet. Sie sollen unter anderem an die große Bedeutung der Pferde für die Entwicklung der schottischen Wirtschaft erinnern. Einst zogen sie nicht nur Wagen und Pflüge an Land, sondern auch Schiffe und Lastkähne auf den vielen Kanälen. Der Standort für die Kelpies wurde daher auch bewusst am Wasser gewählt: nahe des Flusses Carron und direkt an einem Kanal, den Freizeitkapitäne mit Motorbooten befahren. Besonders schön glänzen die Stahlplatten in der Sonne, wenn es kurz zuvor geregnet hat – was in Schottland nicht selten vorkommt.

DAS SCHIFF: Die «Britannia» im Hafen von Leith

Als die «Britannia» 1997 außer Dienst gestellt wurde, soll Elizabeth II. extrem traurig gewesen sein. Doch die Betriebskosten waren der britischen Regierung zu hoch geworden, und daher musste die Königin Abschied nehmen von dem Schiff, das sie 1953 selbst getauft hatte und das ihr für Staatsbesuche und viele andere Reisen in alle Welt als «Königliche Jacht» gedient hatte. Dieses Wort führt allerdings etwas in die Irre, denn ein längeres Segelboot wie andere Jachten ist die «Britannia» keineswegs. Mit gut 125 Meter Länge und Platz für 220 Mann Besatzung wirkt sie noch immer wie ein kleines Kreuzfahrtschiff.

Heute liegt die – einst in Schottland gebaute – «Britannia» im Hafen von Leith, einem Stadtteil von Edinburgh. Ihre fünf Decks werden ehrfürchtig von Besuchern durchschritten, die sich genau ansehen, auf welchen Möbeln die Queen einst ihren Tee einnahm (weiß mit Blumenmuster) und aus welchen Gläsern sie ihren Champagner und Gin trank. Der State Dining Room ist eingedeckt für ein festliches Essen, und die Brücke, die Quartiere der Crew und die Wäscherei sind noch so eingerichtet, wie sie bis 1997 genutzt wurden. Jeder Besucher führt sich hier selbst, mit einem Audio-Guide in der Hand und am Ohr.

DER BERG: Arthur’s Seat in Edinburgh

Über Schottlands Hauptstadt strahlt die Sonne, der Nachmittag nähert sich seinem Ende – und am Fuß des Arthur’s Seat setzt sich sowas wie eine kleine Prozession in Bewegung. Einheimische und Touristen wollen nun in großer Zahl hinauf auf den Hügel, der am östlichen Rand des Zentrums von Edinburgh etwa 250 Meter hoch aufragt. Der Trampelpfad ist leicht zu bewältigen und geht kurz vor dem Gipfel in ein breites Plateau über. Ganz oben ist der Panoramablick großartig und reicht weit auch über die Nordseebucht Firth of Forth. Im leicht dunstigen Gegenlicht wirkt die so lebhafte City zugleich ein wenig entrückt und verzaubert. Kräftig bläst der Wind nun von Westen – alle, die sich am höchsten Punkt für ein paar Selfies wie lebendige Denkmäler auf einen schmalen Steinsockel stellen, müssen gut balancieren.

Ebenso wie der Nachbarhügel Salisbury Crags mit seinen Steilklippen gehört der Arthur’s Seat zum frei zugänglichen königlichen Holyrood Park. Schottlands Parlament und der Holyrood-Palast schließen sich unmittelbar nördlich an. Schon früh morgens kämpfen sich Jogger den Berg hoch, doch am schönsten ist ein Besuch hier sicherlich an einem Schönwettertag in den frühen Abendstunden. Die Sonne sinkt langsam über der Stadt mit dem Edinburgh Castle in Richtung Horizont. Dabei zuschauen, im Gras sitzen und über bereits Erlebtes nachdenken: Einen besseren Ort dafür in Schottland kann man sich kaum vorstellen.

Info-Kasten: Schottland

Anreise: Nonstopflüge nach Glasgow und Edinburgh gibt es von mehreren Flughäfen in Deutschland aus, für die Rundreise empfiehlt sich dann ein Leihwagen. Eine Anreise mit dem eigenen Auto kostet auch wegen der Ärmelkanal-Passage viel Zeit: Zwischen München und Edinburgh zum Beispiel liegen 1770 Kilometer (etwa 18 Stunden reine Fahrzeit), von Berlin bis Aberdeen sind es rund 1950 Kilometer (fast 21 Stunden).

Klima und Reisezeit: Sehr wechselhaftes Wetter mit Sonnenschein und Regen oft rasch nacheinander. Von Juni bis September erreichen die Tageshöchstwerte zum Beispiel in Edinburgh im Schnitt 17 bis 18 Grad.

Geld: Ein britisches Pfund entspricht etwa 1,12 Euro (August 2018).

Informationen: Visit Scotland, Ocean Point One, 94 Ocean Drive, Edinburgh EH6 6JH, Großbritannien (E-Mail: info@visitscotland.com).

Internet: www.visitscotland.com, www.visitbritain.com

Christian Röwekamp, dpa