Ravensburg/Berlin, 11. September 2018 Urlauber mit Stadtplänen aus Papier sieht man weiterhin, doch es werden weniger. Heute lässt sich die gesamte Reiseplanung online abwickeln, durch viele digitale Helfer. Was wird aus der Tourist-Information? Wo sollen wir abends essen? Das ist wohl eine der häufigsten Fragen während des Urlaubs. Die Antwort befindet sich heutzutage in der […]

Ravensburg/Berlin, 11. September 2018

Urlauber mit Stadtplänen aus Papier sieht man weiterhin, doch es werden weniger. Heute lässt sich die gesamte Reiseplanung online abwickeln, durch viele digitale Helfer. Was wird aus der Tourist-Information?

Wo sollen wir abends essen? Das ist wohl eine der häufigsten Fragen während des Urlaubs. Die Antwort befindet sich heutzutage in der Hosentasche: auf dem Smartphone. Mit ein paar Klicks lässt sich ein passendes Lokal finden. Google Maps, Blogs, Tripadvisor, Bestenlisten und Rankings: Das Internet liefert Tipps für die Reiseplanung, für Sehenswürdigkeiten, Restaurants und Ausflüge. Alles digital? Nicht ganz. Es gibt sie weiterhin: die Touristen-Information vor Ort. Wer geht da noch hin?

Eine Antwort hat Katja Möthe. Sie ist Leiterin der Tourist-Info in Ravensburg, einer Stadt mit 50 000 Einwohnern, 17 Kilometer vom Bodensee entfernt, 3,3 Millionen Tagesgäste pro Jahr. Was Besucher herlockt, sind Steine und Spiele: die gut erhaltende Altstadt und das Weltunternehmen Ravensburger, bekannt für seine Puzzles, Memory und Co. Möthe sagt: «Viele Tourist-Infos sehen noch aus wie Amtsstuben. Das ist schrecklich und passt nicht zum Thema Urlaub.»

In Ravensburg hat sich deshalb viel getan. Die Stadt hat sich zum Ziel gesetzt, aus der Tourist-Info einen «Erlebnisraum» zu machen, wie Möthe sagt. Im April 2017 zog man ins Herz der Stadt. «Allein schon die Lage war super für uns.» Die Gestaltung ist hell, offen, modern. Ein hallenartiger Raum, Terrazzo-Boden, gute Beleuchtung. Auf einer riesigen Glaswand ist die gesamte Region abgebildet. Darauf lassen sich ihre Höhepunkte übersichtlich darstellen. Dafür gibt es keine reine Prospektwand mehr, nur noch ein Drittel des Materials liegt aus. Touch-Screen-Monitore zeigen auf: Was wird an diesem Tag angeboten? Was kann man unternehmen?

Das Gebäude war einmal ein Kaufhaus der Lederhandwerker. Zwei Würfel vor der Tür wecken heute die Aufmerksamkeit der Passanten – natürlich ein Verweis auf Ravensburger. Die Innenraumgestaltung orientiert sich an den zwei zentralen Motiven Turm und Spiele.

Doch mit ein bisschen schicker Architektur ist es nicht getan. «Es ist enorm wichtig, den Onlineauftritt aktuell zu haben. Aber genauso wichtig sind gute Mitarbeiter mit Ortskenntnis», sagt Möthe. «Fast jeder ist mit dem Handy unterwegs. Man merkt, dass die Leute, die zu uns reinkommen, oft schon informiert sind. Sie wissen, dass um 14.00 Uhr die Stadtführung ist.» Sie fragen dann eher nach Geheimtipps: Gibt’s was Gutbürgerliches in der Nähe? 

«Vieles ergibt sich im Gespräch», erzählt Möthe. Mit Blick auf die vielen digitalen Infokanäle sagt sie: «Ich habe den Eindruck, viele wollen einfach mal wieder mit jemandem sprechen.» Im Netz könne man oft nicht nachfragen. «In unserer Tourist-Information fragen die Mitarbeiter nach.» Der Schlüssel für eine erfolgreiche Zukunft sei qualifiziertes Personal, «das ist ganz zentral.» Immer, wenn es eine neue Ausstellung in Ravensburg gebe, gehe man mit den Mitarbeitern rein. «Und jeder muss mal die Stadtführung mitgemacht haben.»

In Ravensburg hat man die Zeichen der Zeit erkannt. Doch wie sieht es im Rest Deutschlands aus? Haben Tourist-Infos flächendeckend eine Zukunft? Durchaus, glaubt der Deutsche Tourismusverband (DTV).

«Touristen-Informationen sind wichtig», sagt Anne-Sophie Krause, Sprecherin beim DTV. Sie verweist auf eine Schätzung des ADAC, nach der es in Deutschland ungefähr 3800 solche Einrichtungen gibt. Der Begriff ist nicht geschützt oder definiert. Es können große Filialen an Flughäfen und Bahnhöfen sein, aber auch Buden in kleinen Orten. Häufig werden sie öffentlich getragen oder öffentlich-privat. Zu den Besucherzahlen deutschlandweit gibt es keine Erhebungen.

Viele Kunden kommen gut informiert. «Aber sie wollen eine Bestätigung, eben weil es so viele Informationen im Netz gibt», sagt Krause. «Sie wollen wissen, dass sie sich für die richtige Attraktion entschieden haben.» Das Überangebot an Online-Infos überfordere viele Gäste. Ein Vorteil der Tourist-Infos sei, dass dort Menschen aus der Region arbeiteten. Wenn da der Tipp kommt, bei dem einen Bauern noch den selbst gemachten Apfelsaft zu kaufen, sei das glaubwürdig.

Krause sagt aber auch: «Ohne digitale Infos geht in Zukunft nichts mehr.» Tourist-Infos sollten auch außerhalb der Öffnungszeiten Material auf ihren Webseiten zur Verfügung stellen. Die örtliche Lage ist wichtig, die Beratungsqualität ebenso. Zusatzleistungen wie ein Fahrradverleih erhöhen das Interesse der Besucher.

Visit Berlin begrüßt jedes Jahr rund 1,4 Millionen Gäste in den sechs Tourist-Infos in der Hauptstadt – und sucht weitere Standorte. «Besonders frequentiert sind die Orte, wo unsere Besucher ankommen, zum Beispiel der Flughafen Tegel und der Hauptbahnhof», sagt Christian Tänzler, Sprecher von Visit Berlin.

Es sind längst nicht alle, die rundum informiert in Berlin aufschlagen – auch wenn die Stadt viel Szenepublikum anlockt, das bei der Ankunft weder Stadtplan noch Broschüren benötigt. «Den vielen Wiederholungsgästen reichen Informationen zu den klassischen und bekannten Sehenswürdigkeiten nicht aus», räumt Tänzler ein.

Der Touristiker betont ebenfalls die Bedeutung der Mitarbeiter. «Auch im digitalen Zeitalter suchen Menschen persönliche und kompetente Beratung, die sie im Internet nicht erhalten.» Die Ziele der Zukunft seien die Ziele von heute: Orientierung bieten, Sprachenvielfalt, Vertrauen stiften und das passende Angebot bereit halten.

Das beschränkt sich nicht allein auf Wissen. Bei Visit Berlin bekommen die Besucher Tickets für Stadt- und Schiffsrundfahrten, für Museen, Ausstellungen, Konzerte, Oper, Theater und so weiter. Das ist für einen Besucher schlicht und einfach praktisch.

Philipp Laage, dpa