Wie unabhängig kann EADS werden?

München/Paris Einfacher und normaler will EADS dank der neuen Eigentümerstruktur sein: weniger Staat, schnellere Entscheidungen. Doch wirklich unabhängig wird der deutsch-französische Prestigekonzern wohl nicht sein. Zu groß und zu wichtig sind die staatlichen Interessen. EADS-Chef Tom Enders hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Doch nach seiner schmerzhaften Niederlage im Kampf für eine Fusion mit dem […]
München/Paris
Einfacher und normaler will EADS dank der neuen Eigentümerstruktur sein: weniger Staat, schnellere Entscheidungen. Doch wirklich unabhängig wird der deutsch-französische Prestigekonzern wohl nicht sein. Zu groß und zu wichtig sind die staatlichen Interessen.
EADS-Chef Tom Enders hat ein turbulentes Jahr hinter sich. Doch nach seiner schmerzhaften Niederlage im Kampf für eine Fusion mit dem britischen Rüstungsgiganten BAE Systems endet 2012 für den Manager rechtzeitig vor Weihnachten versöhnlich. Zumindest hat dies derzeit den Anschein.
Auch in Berlin wird anerkannt, dass sich Enders beim komplizierten Umbau der Aktionärsstruktur der Airbus-Mutter nicht nur als gewiefter Taktiker erwiesen hat, sondern am Ende auch viel von seinen Vorstellungen durchsetzen konnte. Sein Wunsch, den staatlichen Einfluss zurückzudrängen, ist allerdings nicht völlig in Erfüllung gegangen. Wie groß der Freiraum für den im Konzern beliebten Ex-Soldaten ist, muss sich erst erweisen.
Fakt ist: erstmals beteiligt sich Deutschland direkt an dem Luft- und Raumfahrtkonzern und wird wie Frankreich 12 Prozent der Anteile kontrollieren. Doch statt eines komplizierten Aktionärspakts mit Vetorechten für die Beteiligten gibt es nun ein «normales Konzernführungsmodel», bei dem sich die Regierungen mit einem bei Aktiengesellschaften üblichen Einfluss von großen Anteilseignern begnügen müssen. «Die Leitung des operativen Geschäfts steht nicht mehr unter dem Einfluss verschiedener Anteilseigner oder Aktionärsgemeinschaften», ließ Enders nach der Einigung am Mittwochabend verkünden.
Dies dürfte jedoch nur die halbe Wahrheit sein. Bereits in der Vergangenheit hat die Bundesregierung oft genug gezeigt, dass es keineswegs Kapitalanteile braucht, um Druck auf die Unternehmensführung auszuüben. Die wichtigste Konzerntochter Airbus ist beispielsweise auf milliardenschwere Unterstützung bei der Entwicklung von neuen Flugzeugen angewiesen. Zuletzt blockierte Berlin die Anschubfinanzierung für den neuen Langstreckenjet A350, dem Konkurrenzmodell des 787 «Dreamliner» von Boeing. Als Hintergrund gelten Unstimmigkeiten über die Aufteilung der Arbeit auf die nationalen Standorte in Deutschland und Frankreich.
Wie groß die Sorge vor einem Verlust von Einfluss und Macht ist, war an den zähen Verhandlungen abzulesen. Und nicht ohne Ironie. Denn ausgerechnet der sozialistische Präsident Frankreichs, François Hollande, betonte mehrfach, dass operative Entscheidungen am besten im Unternehmen aufgehoben seien. Die schwarz-gelbe Bundesregierung, heißt es in Branchenkreisen, habe hingegen sehr deutlich Ansprüche angemeldet und statt auf weniger Staat vor allem auf deutsche Interessen gepocht.
Dass aber auch Hollande, wenn es etwa um Jobs geht, ganz anders kann, erlebte gerade der Stahlkonzern ArcelorMittal. Ihm drohte seine Regierung im Streit um die Schließung von zwei Hochöfen offen mit Zwangverstaatlichung.
Noch viel sensibler ist das Militärgeschäft der Sparte Cassidian. Gerade bei der Rüstung behalten sich die Staaten auch weiter Sonderrechte vor. Die militärischen Programme werden künftig in den jeweiligen Verteidigungsunternehmen verwaltet. Dort können die Regierungen bei je drei Posten immerhin noch über eine Verweigerung ihrer Zustimmung die Berufung von Mitglieder verhindern. Doch Enders lässt sich nicht von den staatlichen Möglichkeiten irritieren. «Ich bin überhaupt nicht nervös. Wir wissen genau, was wir für eine Vereinbarung unterzeichnet haben», sagte er am Mittwochabend.
Ansgar Haase und Sebastian Raabe, dpa